Das Friedhofsdenkmal des Willy Morgen

Brebach-Fechingen. Manfred Hahn hat gewonnen. Auch wenn der Kampf um Informationen zeitweise aussichtslos schien, am Ende stand ein Name: Willy Morgen

Brebach-Fechingen. Manfred Hahn hat gewonnen. Auch wenn der Kampf um Informationen zeitweise aussichtslos schien, am Ende stand ein Name: Willy Morgen. Ein Name, der die Antwort ist auf eine Frage, die sich der Brebacher Stadtteilmanager vor Monaten gestellt hat: Wer hat das Kriegerdenkmal auf dem Friedhof Beschberg in Brebach-Neufechingen gebaut?Hahn war im Stadtarchiv, im Landesarchiv, im Archiv des städtischen Friedhofsamts. Er nahm Kontakt zum Landesdenkmalamt auf, zum Institut für aktuelle Kunst in Saarlouis, zur Architektenkammer und einigen Fachleuten - ohne Erfolg. Die gesuchten Unterlagen waren bei einem Brand und bei einem Hochwasser zerstört worden oder nicht mehr auffindbar (die SZ berichtete).

Das Ganze wirkte wie eine Verschwörung. Ein ehemaliger Brebacher Friedhofsmitarbeiter hat Manfred Hahn dann zum ersten Mal den Namen genannt: Willy Morgen.

Hahn bekam weitere Hinweise, ging erneut in Archive und stieß auf eine unglaubliche Geschichte. Auf einen "Mann, der nicht das war, was er zu sein vorgab, jedenfalls von 1932 bis 1945", sagt Hahn.

Das hat der Stadtteilmanager herausgefunden: Willy Morgen wurde am 2. Februar 1903 in Trier geboren, hat dort Architektur studiert, zwei Mitstudenten aus Brebach kennengelernt und ist so 1928 in den damals noch eigenständigen Ort gekommen. Das Kriegerdenkmal war sein allererster Auftrag. Gebaut wurde es ab 1929, eingeweiht wurde es am 16. März 1930 vom Brebacher Bürgermeister Loskant. Geweiht wurde das Denkmal von den Pfarrern Döring und Hofmann. Der Halberger Sängerbund musizierte dazu. Das Relief - die sterbende Kriegergestalt - wurde vom Bübinger Steinmetzmeister Paul Rühling ausgeführt.

1930 hat Morgen die Schreinermeistertochter Anna Berta Schröder geheiratet. Am 15. September 1930 trat er in die NSDAP ein. Deren Brebacher Ortsgruppenleiter in Brebach war er vom 1. März 1935 bis 1945. In den Krieg musste Morgen nicht, weil er einen verkrüppelten Arm hatte.

Ein Nazi also hat das Denkmal gebaut? So einfach sei es nicht, sagt Hahn. Morgen wurde nach dem Krieg inhaftiert. Leumundszeugnisse vom Amtsbürgermeister, den Pfarrern und vom Vorsitzenden der Christlichen Volkspartei halfen ihm aber, "als minderbelastet" eingestuft zu werden.

"Am interessantesten ist das Schreiben einer gewissen Anna Paulus" , sagt Hahn. "Die bekennende Kommunistin hat an den Staatskommissar für politische Säuberung geschrieben, dass Willy Morgen sie vor der Haft und der Einlieferung in ein Konzentrationslager bewahrt hat. Sie wurde wegen ihrer Gesinnung bei der Geheimen Staatspolizei angezeigt. Morgen hat sich für sie eingesetzt", hat Hahn erfahren.

Es wird noch unglaublicher, berichtet Hahn: "Ich habe darüber hinaus Informationen von einem Brebacher bekommen, der mir erzählt hat, dass Morgen sogar jüdische Mitbürger in seinem Haus versteckt hat. Auch und gerade der Kriegsgefangenen hat er sich in besonderer Weise angenommen. Alles in allem: obwohl Ortsgruppenleiter, eigentlich im Widerstand."

Willy Morgen hat in Brebach mehrere Häuser gebaut, die auch heute noch stehen. Das bekannteste Haus dürfte die Zentral-Garage des Autohauses Dechent sein, das am 15. Mai 1955 eingeweiht wurde. "Immerhin das erste große Saarbrücker Autohaus nach dem Krieg", sagt Hahn.

Manfred Hahn hat viele Stunden damit verbracht, Willy Morgen auf die Spur zu kommen. "Etwa zwei Dutzend Spuren sind im Sande verlaufen", sagt er. Für diese Wahnsinnsgeschichte habe es sich aber gelohnt, zum Detektiv zu werden.Foto: Unbekannt

"Obwohl NSDAP-

Ortsgruppen-

leiter, war Willy Morgen eigentlich im Widerstand."

Manfred Hahn

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