Vom Saarland nach München Alfred Gulden (79) – die bewegte Lebensreise eines kreativen Multitalents

Wallerfangen · Alfred Gulden, 79, verschafft dem Saarland mit seinen Werken gehörig Identität. Was ist das Geheimnis des Wahl-Münchners, der mit Oskar Lafontaine einst in einem katholischen Internat in der Eifel unterrichtet wurde?

 Die rotblonde Mähne wallt: Alfred Gulden, 79, auf seinem Sofa in Wallerfangen.

Die rotblonde Mähne wallt: Alfred Gulden, 79, auf seinem Sofa in Wallerfangen.

Foto: Kerstin Rech

Die Langversion lautet: Schriftsteller, Lyriker, Dramatiker, Regisseur, Filmemacher, Liedermacher, Dozent, überzeugter Europäer. Oder kurz und bündig in einem Namen zusammengefasst: Alfred Gulden. Ein Besuch bei ihm ist wie das Eintauchen in eine andere Welt, denn idyllischer, als Alfred Gulden und seine Frau Karin kann man kaum wohnen. Das 1828 erbaute, ehemalige Treidlerhaus, welches sie beherbergt, steht mitten im Park des Schlosses Villeroy de Galhau in Wallerfangen im Saarland. Trotz alledem verbringen seine Frau und er die Hälfte ihrer Zeit in München. Es ist die Heimatstadt von Karin Gulden und die Stadt, in der Alfred Gulden in den 60er und 70er Jahren, wie schon zuvor in Saarbrücken, Theaterwissenschaft, Germanistik und Sprechwissenschaft studiert und nebenbei Theater gemacht hat.

Seit 52 Jahren in München in derselben Wohnung

„Hier“, so erklärt der 79-Jährige, während wir uns an Kaffee und Gebäck gütlich tun, „wohnen wir jetzt genau 33 Jahre und in München 52 Jahre in derselben Wohnung. Und die liegt direkt neben dem Nymphenburger Schloss. Auch nicht schlecht.“ Wieso seine Wahl dereinst auf München fiel? Diese Frage beantwortet sich en passant, während er von seinem Vater erzählt: „Mein Vater war mit Leib und Seele Beamter, der hat sogar im Garten mit Halbschuhen und Hut auf dem Kopf gearbeitet.“ Gulden lacht herzhaft bei dieser Erinnerung. „Ich hätte damals Fotos machen sollen.“ Der Vater hatte eine Leidenschaft und das waren die Berge. „Ich wollte ja nach Berlin gehen. Das war 1964. Und da hat er gesagt, wenn Du nach Berlin gehst, unterstützen wir Dich nicht.“ Mit München war Gulden Senior jedoch sofort einverstanden. Der Grund war simpel, denn dort waren ja die Berge in der Nähe. Und wenn er seinen Sohn Alfred besuchte, unternahmen sie immer Wanderungen ins Gebirge.

Die lothringische Hochebene hat es ihm angetan

Ob Alfred Gulden selbst das Meer oder die Berge bevorzugt, kann er nicht sagen. Er mag beides. „Aber die erste Landschaft, die ich kennengelernt habe, war die lothringische Hochebene. Und das ist die Landschaft geblieben, die für mich immer die Urlandschaft sein wird. Das ist die Landschaft, die ich in mir habe.“ In seinem, alles andere als ereignisarmen, Lebenslauf fällt einem der Besuch des katholischen Bischöflichen Konvikts in Prüm auf. Auf die Frage, warum es ihn als Jugendlichen in die Eifel verschlagen hat, gibt er zwei Gründe an. „Es kam die Pubertät und ich wollte nicht mehr auf das Gymnasium in Saarlouis. Ich habe gesagt, ich will nicht mehr in die Schule. Ich wollte gar nichts mehr.“

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Foto: Ruppenthal

Gute Handballmannschaft im katholischen Internat in Prüm

Ein Nachbarsjunge, mit dem er in Saarlouis Handball spielte, wechselt zu jener Zeit in das Bischöfliche Konvikt (Internat) und schwärmt von der guten Mannschaft der dortigen Schule. Das gefällt dem jungen Alfred. Der zweite Grund hat mit Alfred Guldens Asthma zu tun, an dem er seit seinem vierten Lebensjahr leidet und weswegen er als kleiner Junge zur Erholung auch an die Nordsee geschickt wird. „Das war für ein saarländisches Kind weit weg.“ Die Luft in der Eifel, so sind seine Eltern überzeugt, würde ihm guttun. Sechs Jahre bleibt er in Prüm. „Dort hat es geklappt mit der Luft und ich war in der Schule wieder gut und habe ein gutes Abitur gemacht. Das Einzige, was mich dort sehr behindert hat, war der Direktor des Konvikts, der hat so ein bisschen einen Narren an mir gefressen. Er wollte immer, dass ich nach Rom auf die Gregoriana (päpstliche Universität, Anm. d. Red.) gehe. Er hat mich ganz schön in die Zange genommen. Das hat mich schwer belastet.“ Wäre er länger in Prüm geblieben, so ist Gulden überzeugt, wäre er seelisch krank geworden.

Oskar Lafontaine ist eine Klasse über Gulden

Eine Klasse über ihm ist ebenfalls ein Saarländer, der insgesamt neun Jahre das katholische Internat besucht und mit dem er bis heute befreundet ist – Oskar Lafontaine, der im September 80 Jahre alt wird. Eine Anekdote fügt er bei: „Als ich Jahre später in der Villa Massimo in Rom zu Gast war, sagte ich zu meiner Frau: Ich will mal in die Gregoriana. Ich will mal gucken, was das überhaupt ist. Dann sind wir für einen Tag in die Gregoriana. Dort gab es eine riesige Bibliothek und ich dachte, so schlecht wäre das gar nicht gewesen.“

„Wir haben nie im Konjunktiv gelebt“

Wäre? Ein Wort, das es in seinem Leben eigentlich nicht gibt. Vor ein paar Tagen, so erzählt er, sitzt er mit seiner Frau nach einem Kinobesuch in einem Saarlouiser Café. „Da haben wir gesagt, eigentlich leben wir unser Leben doch sehr erfüllt. Wir haben nie im Konjunktiv gelebt. Wir haben nie gesagt: hätten wir doch, wären wir doch, würden wir doch. Und darum will ich jeden Tag leben, als sei es der Letzte. Das klingt jetzt sehr apodiktisch (keinen Widerspruch duldend, d. Red.), meine ich aber durchaus so.“

Mit Auszeichnungen überschüttet

Chronistenpflicht ist es, Alfred Guldens Auszeichnungen, Inszenierungen und Veröffentlichungen, die es in Hochdeutsch und in Mundart gibt, aufzuzählen. Jedoch ist sein Gesamtwerk so mannigfach, dass es bei einer Auswahl bleiben muss. Ausgezeichnet wird er 1985 mit dem Kulturpreis des Landkreises Saarlouis, 1989 mit dem Kranichsteiner Literaturpreis, 1994 folgt der Kunstpreis des Saarlandes. Da wären die Gedichtbände Naischt wie Firz em Kopp oder Da eewich Widdaspruch. Der Erzählband Auf dem großen Markt. Die Romane Greyhound sowie sein bekanntester: Die Leidinger Hochzeit. Bei den Filmen sei erwähnt: Die Kurzfilmreihe Saarländische Momente (SR) oder das Porträt über Franz von Papen (ebenfalls SR). Bei den Theaterstücken: Mann in Beton, Splitter im Aug´, Silberherz.

Zusammenarbeit mit Bettina van Haaren

Bei verschiedenen Projekten arbeitet Gulden mit bildenden Künstlern, wie zum Beispiel Bettina van Haaren zusammen, von der er eine Anzahl Zeichnungen in seiner Wallerfanger Wohnung hängen hat. Bei vielen seiner Werke, so ist ihm aufgefallen, wissen die Leute gar nicht mehr, dass sie von ihm sind. „Es passiert mir öfters, dass die Leute etwas zitieren und gar nicht wissen, dass es von mir ist. Es ist auch schön, wenn man ins Saarland kommt und da steht: Großes entsteht im Kleinen. Das ist nämlich aus meinem Theaterstück Dieses kleine Land.“