Cirque Bouffon in Saarbrücken Zirkus im Wohnzimmer

Saarbrücken · Der Cirque Bouffon begeistert die Zuschauer – ganz ohne Prunk und Glitzer. Am Mittwoch feierte er mit seinem Programm „Lunatique“ in Saarbrücken Premiere.

 So nah dran war man selten: Margo Darbois vom Cirque Bouffon zeigt Körperbeherrschung in Perfektion.

So nah dran war man selten: Margo Darbois vom Cirque Bouffon zeigt Körperbeherrschung in Perfektion.

Foto: BeckerBredel

Selten war man so nah dran im Zirkus: Man sieht das Zittern der Muskeln der Artisten, ihr schweres Atmen und die Erleichterung auf ihren Gesichtern, wenn eine besonders anspruchsvolle Nummer geklappt hat. Der Cirque Bouffon holt den Zirkus ins Wohnzimmer, so heimelig ist die Atmosphäre in dem kleinen Zelt auf dem Tblisser Platz in Saarbrücken. Am Mittwoch feierte die internationale Truppe von zwölf Artisten mit ihrem Programm „Lunatique“ in Saarbrücken Premiere. Bereits nach der ersten Nummer wird im ausverkauften Zelt gejubelt, während der sichtlich gestresste Frédéric Zipperlin, künstlerischer Leiter des Zirkus, noch die letzten Nachzügler auf ihre Plätze lotst.

„Lunatique“ erzählt die Geschichte eines Schlafwandlers (Sasha Koblikov), der – mit überdimensionierter Zipfelmütze ausgestattet – von einer Traum-Sequenz in die nächste stolpert. Und wenn sich Lindsay Culbert Olds, Margo Darbois, Emma Laule und Mara Aline Zoe an Seilen in immer luftigere Höhen schrauben, scheinbar mühelos die Gesetze der Schwerkraft überwindend, fühlt man sich tatsächlich in eine andere Welt versetzt. Der ätherische Gesang von Christine Gogolin und die vom Kontrabassisten Sergej Sweschinski eigens komponierte Musik – mal zart und verträumt, mal laut und mitreißend – tun ihr Übriges.

Cirque Bouffon hat mit Zirkus im klassischen Sinne nicht mehr viel zu tun, es ist eine Show im Stil des „Nouveau Cirque“, einer Strömung, die in Frankreich in den 80er Jahren aufkam, als immer weniger Menschen ein gutes Gefühl dabei hatten zuzuschauen, wie Elefanten und Tiger in der Manege auf den Hinterbeinen balancieren. Ein Zirkus, der ganz ohne Tiere auskommt und stattdessen auf Artistik setzt. Bekanntester Vertreter dieser Kunst ist der kanadische Cirque du Soleil, wo auch Frédéric Zipperlin seine Wurzeln hat. Drei Jahre lang tourte der Franzose mit dem Cirque du Soleil durch die Welt, bevor er beschloss, sein eigenes Zelt aufzuschlagen, deutlich kleiner natürlich als der Sonnenzirkus, aber nicht weniger fein.

Der Cirque Bouffon braucht die ganz große Geste nicht, auch nicht den Prunk und Glitzer. Hier liegen Kunst und Komik oft im Detail: im Kokettieren der Artistinnen am Seil, in der dösigen Mimik des Schlafwandlers. Der erwacht nach der Pause langsam zum Leben, beginnt zu jonglieren, mit drei, vier, fünf Bällen, lässt schlaftrunken immer mal wieder einen fallen. Man beginnt schon an seinen Jonglage-Künsten zu zweifeln – alles nur Show. Am Ende hält er mühelos zehn Bälle in der Luft.

Damit Künstler und Zuschauer nicht vollends in surreale Sphären abheben, bringt Clown Gregor Wollny sie zwischendrin immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und ist damit der Publikumsliebling des Abends. Er braucht nicht viel, um sich in die Herzen der Zuschauer zu kaspern: ein Meterstab, der sich unversehens in ein Hündchen, ein Boot, einen Regenschirm verwandelt, genügt ihm. Dabei nimmt Wollny auch die traditionellen Zirkus-Künste aufs Korn: Mit Mini-Klobürsten mimt er den Messerwerfer, drei Wackel-Plüschenten werden zu wilden Bestien, die gar nicht so leicht zu domptieren sind, und eine Barbie muss als Zauberer-Assistentin herhalten, die es zu zersägen gilt, was – so viel sei verraten – für die Barbie nicht gut ausgeht.

Und immer sind die 400 Zuschauer ganz dicht dran am Geschehen. So dicht, dass sich die Besucher in der ersten Reihe unwillkürlich wegducken, als Chris Pettersen und Mara Aline Zoe auf einer immer schneller rotierenden Leiter knapp über den Köpfen der Zuschauer ihr Können zeigen.

Nur ein kleines Mädchen in der Menge bekommt davon nichts mit. Es lässt sich von der Traum-Atmosphäre anstecken, rollt sich auf der Bank zusammen, schläft ein – und lässt sich selbst vom tosenden Applaus und Jubel am Ende der Vorstellung nicht wecken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort