Chronist des Bergbaus setzt den Opfern ein Denkmal

Saarbrücken. Es war nicht zwangsläufig, dass ein bekennender Kommunist die Geschichte der Brände, Explosionen und Unfälle in den Gruben Völklingens und Umgebung zusammentragen würde. "Das hätte jeder übernehmen können", sagt Hubert Kesternich

 Im Wald bei Luisenthal standen die Särge mit den Opfern des Grubenunglücks vom 7. Februar 1962. Foto: Hartung

Im Wald bei Luisenthal standen die Särge mit den Opfern des Grubenunglücks vom 7. Februar 1962. Foto: Hartung

Saarbrücken. Es war nicht zwangsläufig, dass ein bekennender Kommunist die Geschichte der Brände, Explosionen und Unfälle in den Gruben Völklingens und Umgebung zusammentragen würde. "Das hätte jeder übernehmen können", sagt Hubert Kesternich. Dass der ehemalige Berg- und Hüttenmann es mit 68 Jahren dann doch selbst machte, mag seiner klassenkämpferisch empfundenen Nähe zum "kleinen Mann" geschuldet sein. Das Buch "Tod im Schacht", das Anfang Februar zum 50. Jahrestag der Luisenthaler Schlagwetterexplosion erscheinen soll, soll denn auch "den Opfern ein Denkmal setzen". Etwa 500 Tote waren es nach Zählung Kesternichs in den Jahren 1815 bis 1988. So weit sie zu erfahren waren, nennt der Autor denn auch ihre Namen.Hubert Kesternich, von dem bereits das Buch "Kohle, Stahl und Klassenkampf" stammt, hat in seiner 20 Jahre währenden Beschäftigung mit der Völklinger Industriegeschichte immer auch Material über die Grubensicherheit und die Unfälle zusammengetragen. In die Schreibarbeit investierte er nach eigenen Worten zuletzt etwa ein halbes Jahr. Als Quellen nutzte er diverse Archive in den Kohlerevieren und sprach mit Zeitzeugen und deren Nachkommen. Fast überall habe man ihm bereitwillig Auskunft gegeben.

Kesternich legt Wert auf die Feststellung, kein Brandstifter oder Nestbeschmutzer sein zu wollen. Er möge im Auslaufjahr des Saarbergbaus nicht als Richter auftreten, der im Nachgang alles besser beurteilen könne als seine Vorfahren. Er nimmt sich allerdings die Freiheit, das eine oder andere Geschehen neu einzuordnen und ungenau Beschriebenes zu korrigieren, wobei ihm Aussagen von Gutachtern und Wissenschaftlern helfen. Kesternich ärgert sich vor allem, dass die Ursache für tödliche Unfälle fast immer den Bedingungen oder quasi den Opfern selbst in die Schuhe geschoben worden seien. Nichts anderes bedeute die stereotype Floskel in Untersuchungsberichten und amtlichen Protokollen, wonach "die Schuld eines Dritten nicht festgestellt" werden konnte.

Der Autor hält dem mit nüchternem Blick entgegen, dass Knauserigkeit beim Material (zum Beispiel beim Holz), Sorglosigkeit und fehlende Sensibilität für Arbeitssicherheit unnötige Opfer verlangten.

So versucht Kesternich, den Nachweis zu führen, dass der Seilriss im Püttlinger Mathildeschacht 1907 (22 Tote) vermeidbar gewesen wäre, wenn der Obersteiger seine Kontrollpflicht erfüllt hätte. In Luisenthal hätte es nach seiner Überzeugung keine 299 Toten gegeben, wenn mehr gute Staubsperren vorhanden gewesen wären. Hinterher saßen, "wie meistens, die Falschen auf der Anklagebank", so dass die 13 Freisprüche mangels Schuld oder mangels Beweisen zu erwarten gewesen seien.

Hubert Kesternich: Tod im Schacht, etwa 300 Seiten, Blattlausverlag Saarbrücken, 25 Euro, Veröffentlichung demnächst.

Foto: Dieter Gräbner

Auf einen Blick

Schwere Grubenunglücke im Saarland:

17./18. März 1885: Grube Camphausen, 180 Tote.

28. Januar 1907: Grube Reden, 150 Tote.

16. März 1907: Mathildenschacht bei Püttlingen, 22 Tote.

25. Oktober 1930: Grube Maybach, 100 Tote.

2. Januar 1941: Grube Frankenholz, 41 Tote.

16. Juli 1941: Grube Luisenthal, 31 Tote.

23. Dezember 1949: Grube Ensdorf, 20 Tote.

6./7. Februar 1962: Luisenthal, 299 Tote.

16. Februar 1986: Grube Camphausen, 7 Tote. er

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