"Cattenom jetzt abschalten!"Angst vor "unkontrollierbarem Drecksmeiler"

Perl. "Noch leben wir hier in einer der schönsten Weinbaugemeinden der Obermosel", sagte Perls Bürgermeister Bruno Schmitt. Aber seit Fukushima wisse jeder, dass die atomare Technologie nicht beherrschbar sei. Jeder Andersdenkende mache einen Fehler. Daher lautete seine Forderung: "Cattenom abschalten, und zwar sofort" - eine Ansicht, die gut 300 Demonstranten teilten

Perl. "Noch leben wir hier in einer der schönsten Weinbaugemeinden der Obermosel", sagte Perls Bürgermeister Bruno Schmitt. Aber seit Fukushima wisse jeder, dass die atomare Technologie nicht beherrschbar sei. Jeder Andersdenkende mache einen Fehler. Daher lautete seine Forderung: "Cattenom abschalten, und zwar sofort" - eine Ansicht, die gut 300 Demonstranten teilten. Sie hatten sich gestern am alten Zollhaus in Perl zu einer Kundgebung versammelt. "Cattenom muss stillgelegt werden", lautete das Motto dieser Veranstaltung. Sie war unter anderem von den SPD-Bürgermeistern des grünen Kreises initiiert worden. "Keine Bedrohung durch ein französisches AKW!", hieß die Forderung der Atomkraftgegner.

60 Zwischenfälle

Auch Remichs Bürgermeister Henri Kox schloss sich dieser Forderung an: "Auch wir Luxemburger sind sehr besorgt über die Gefahr, die von Cattenom ausgeht." Daher fordere auch er im Sinne der 35 km im Umkreis von Cattenom liegenden luxemburgischen Gemeinden, sich der Forderung der Deutschen anzuschließen.

"Die Bürger unserer Großregion blicken nicht nur nach Japan, sondern auch mit Sorge auf das Atomkraftwerk Cattenom", betonte Landtagsabgeordnete Anke Rehlinger.

Die Entfernung nach Japan betrage etwa 9000 Kilometer, 12 Kilometer sei die Distanz zwischen Cattenom und der französischen Grenze, so Rehlinger. "Deshalb sind die sorgenvolle Blicke dorthin berechtigt, denn in den letzten Jahren gab es in Cattenom 60 Zwischenfälle", sagte die SPD-Politikerin. Atomkraft sei nicht vollends beherrschbar, und deshalb fordere sie: "Ausstieg aus der Atomwirtschaft - sofort. Abschalten von Cattenom - sofort." Claude Turmes, Europaabgeordneter der Grünen in Luxemburg, meinte: "Wir brauchen dringend eine Politik, die Atomkraftwerke abschaltet und Alternativen aufbaut." Er betonte die Notwendigkeit einer Bürgerinitiative, die Europa dazu bringe, vollständig auf erneuerbare Energien umzusteigen - die die Existenz von "Schrottreaktoren" überflüssig machen würden.

Die etwa eineinhalbstündige Demonstration verlief friedlich. Eine große Unterschriftenaktion schloss sich an. Man hoffe darauf, nachhaltig Zeichen gegen das AKW Cattenom zu setzen, hieß es aus den Reihen der Initiatoren. Perl. Ob aus dem Grünen Kreis, dem Landkreis Saarlouis, Luxemburg oder Frankreich: Gut 300 Demonstranten sind es, die sich an diesem Morgen in der Obermosel-Gemeinde zusammenfinden. Eine Forderung verbindet sie: Cattenom abschalten. "Wir wohnen hier im unmittelbaren Umfeld des Kraftwerkes", sagt Christina Sausy aus Perl. "Das ist für uns alle sehr beängstigend. Bereits vor 30 Jahren war ich bei den ersten Demonstrationen dabei, und ich werde mich immer weiter engagieren", begründet sie ihre Teilnahme an der Veranstaltung. "Wir alle müssen deutlich machen, dass es so nicht weitergehen kann. Nichts zu unternehmen, nützt nichts, und wer jetzt vor dem Hintergrund der japanischen Tragödie nicht wach wird, wird es nie."

Horst Pollow aus Wehingen verrät: "Seit der ersten Stunde dieser Atomanlage gehöre ich zu den Gegnern. Wenn wir bei uns auf den Höhen spazieren gehen, sehen wir auf die bedrohlich wirkenden Kühltürme. Ich verstehe die Leute nicht, die heute hier nicht erschienen sind, aber gegen Windkraft demonstrieren. Wir wohnen leider nur wenige Kilometer Luftlinie von diesem Drecksmeiler entfernt. Die Franzosen wird diese Demo nicht schocken. Für die ist das eine rein deutsche Angelegenheit."

Derweil steht für Ralf Runge aus Merzig fest: "Frankreich hat eine ganz andere Einstellung zur Kernkraft als wir Deutsche. Wir haben das 25 Jahre alte AKW leider hier vor der Nase. Wie man weiß, soll es noch mehr als weitere 30 Jahre laufen. Ich finde bei der ganzen Diskussion nicht, dass wir hier wesentlich sicherer leben als beispielsweise die Menschen in Japan. Hier hat es auch schon Erdbeben gegeben. Hier gibt es den Rheingraben und die Vulkaneifel. Da kann viel passieren." Isolde Dollm aus Luxemburg fühlt sich nach ihrer Darstellung durch das Atomkraftwerk in Cattenom bedroht.

Und Annette Kiefer aus Orscholz sagte: "Bei mir hat es keiner Einladung eines Politikers bedurft, ich wäre auch ohne Aufruf hierher gekommen. Bereits an früheren Demos hätte ich gerne teilgenommen, aber die Verkehrssituation hat es mir nicht ermöglicht. Jetzt habe ich einen Führerschein und fahre zu den Kundgebungen. Ich bin überzeugter Atomkraftgegner und möchte das auch zeigen. Es ist eine umweltschädliche Energie und schadet den Menschen. Es gibt doch viele alternative Möglichkeiten, Strom zu erzeugen. Ich bin hier, um gegenüber den Regierenden Aufmerksamkeit zu fordern."

"Leider haben wir Franzosen uns mit der Kernkraft arrangiert", bedauert Eloise Maas, Frankreich. "Ich glaube, wir sind auch schlecht informiert. Als Kernkraftgegnerin bewundere ich die Deutschen, weil sie unentwegt zeigen, was sie davon halten. In Frankreich schätzt man den billigen Strom und die vielen Arbeitsplätze. Dabei sollten wir uns ein Beispiel nehmen und beginnen, wie andere europäische Länder alternative Energien zu nutzen. Man sollte für die Zukunft und unsere Kinder mehr Sorge tragen. Ich bin hier, um diese Veranstaltung zu unterstützen. Ich hoffe, damit die Herzen der Menschen zu erreichen und die Anti-Atomkraftbewegung zu stärken."

Auf einen Blick

Landrätin Daniela Schlegel-Friedrich fordert europäische Sicherheitsstandards, an die sich auch die Franzosen halten müssen. "Diese Thematik muss im Europäischen Parlament diskutiert werden", meinte Dirk Dillschneider, stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender. Europa habe bei der Montan-Union den Konsens geschafft, ergänzte Manfred Klein, Ortsvorsteher in Bietzen und Oberbürgermeister-Kandidat in Merzig. Dann müsse es möglich sein, auch bei der Kernenergie auf einen Nenner zu kommen.

"Die Bedrohung kommt zwar aus Japan", sagt Dagmar Ensch-Engel, MdL, Die Linke. "Aber die Zeitbombe Cattenom ist keine 12 km von uns entfernt." "Wir fordern, dass der Druck auf die französische Regierung zur Abschaltung von Cattenom erhöht wird", ergänzt Elmar Seiwert, Kreisvorsitzender der Linken. owa

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