Zwischenbericht zur Verbesserung der Pflege Erste Schritte, viele Herausforderungen

Berlin/Saarbrücken · Eine konzertierte Aktion soll die Situation in der Pflege verbessern. Der Zwischenbericht wird im Saarland unterschiedlich bewertet.

 Krankenpflegerin Jennifer zieht sich auf der Covid-19-Station des Krankenhauses Bethel Berlin eine Schutzausrüstung an. Aber auch außer­halb der Pandemie ist ihr Beruf ein Knochenjob. Die Bundesregierung will ihn attraktiver machen – auch, um den Pflegenotstand in Deutschland abzumildern.

Krankenpflegerin Jennifer zieht sich auf der Covid-19-Station des Krankenhauses Bethel Berlin eine Schutzausrüstung an. Aber auch außer­halb der Pandemie ist ihr Beruf ein Knochenjob. Die Bundesregierung will ihn attraktiver machen – auch, um den Pflegenotstand in Deutschland abzumildern.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in den vergangenen Wochen mehrfach Gelegenheiten gesucht, um Pflegekräften für ihren Einsatz in der Corona-Pandemie zu danken. Zuletzt bekräftigte sie beim Deutschen Pflegetag am Mittwoch: „Pflege ist Ausdruck gelebter Menschlichkeit“. Doch nicht nur die Kanzlerin ist sich der Herausforderungen für Pflegekräfte in der Krise und darüber hinaus bewusst.

Daher wurde 2018 die konzertierte Aktion Pflege ins Leben gerufen. Ein Versuch, gemeinsam mit den wichtigsten Akteuren im Berufsbereich die Missstände in der Pflege, etwa den Mangel an Nachwuchs und Fachkräften oder die schlechte Bezahlung, zu beseitigen. Die Herausforderungen sind groß. Am Freitag zogen die zuständigen Minister Bilanz in einem ersten Umsetzungsbericht. Er stieß im Saarland auf unterschiedliches Echo. „Sicherlich hat man in der konzertierten Aktion Pflege einiges angestoßen. Das Problem ist nur, dass die Kolleginnen und Kollegen in den Einrichtungen davon nichts spüren. Von Entlastung kann keine Rede sein“, kritisierte etwa der Pflegebeauftragte der Gewerkschaft Verdi im Landesbezirk Rheinland-Pfalz-Saarland, Michael Quetting.

Es geht um Verbesserungen in fünf Bereichen: Ausbildung, Personalmanagement, Digitalisierung, Pflegekräfte aus dem Ausland und Entlohnung. Dabei ist in der Ausbildungssituation die erste Bilanz durchaus positiv. Zwar gebe es starke Unterschiede zwischen den Bundesländern, so das Fazit des Berichts. Aber in der Summe steige die Zahl der Auszubildenden – im vergangenen Jahr um 5,9 Prozent. Besonders groß war der Zuwachs demnach bei der Altenpflege mit 7,5 Prozent im Vorjahresvergleich – eine Entwicklung, die die Saarländische Pflegegesellschaft bereits seit mehreren Jahren beobachtet. Seit dem Ausbildungsjahr 2011/2012 sei die Zahl der Azubis in der Altenpflege kontinuierlich gestiegen, sagt Geschäftsführer Jürgen Stenger – von damals 741 auf 1626 im Ausbildungsjahr 2019/2020. „ Die Zahl der Azubis in der Altenpflege hat sich in acht Jahren mehr als verdoppelt“, berichtet der Chef der Pflegegesellschaft, in welcher der Großteil der Pflegeeinrichtungen im Saarland organisiert ist.

Aber auch anderswo im Pflegebereich sei man im Saarland anderen voraus. So gebe es hier bereits seit dem Jahr 2000 einen „verbindlichen Personalschlüssel“ im Pflegebereich, der kontinuierlich angepasst werde. Das Resultat: Seitdem ist das Personal in den saarländischen Einrichtungen nach Worten Stengers um 30 Prozent aufgestockt worden. Er sieht in der konzertierten Aktion der Bundesregierung denn auch „viele gute Ansätze, die hier im Saarland aber nicht neu sind“. Dennoch sei die Initiative „ein erster Schritt, um den Pflegenotstand in Deutschland zu mildern“.

„Wir wissen, dass wir noch nicht am Ziel sind“, räumte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag ein, dass die Anstrengungen für mehr Personal immer noch zu wenig Früchte tragen. Von den 13 000 von ihm organisierten zusätzlichen Stellen in der Altenpflege sind nach seinen Worten erst 3600 besetzt. „Der Arbeitsmarkt ist leergefegt“, sagte er. Zudem habe die Corona-Pandemie den Anstrengungen für eine Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland „einen Strich durch die Rechnung gemacht“.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) bezeichnete die zum Januar in Kraft getretene Reform der Pflegeausbildung, mit der das Schulgeld für Auszubildende abgeschafft wurde, als Erfolg. Zudem seien in diesem Jahr 30 Studiengänge für die Pflegeausbildung gestartet. In einigen Bundesländern, insbesondere Sachsen-Anhalt und Bayern, ist laut Giffey die Zahl der Bewerber für die Ausbildung gestiegen. Auch die Präsidentin des saarländischen Landespflegerats, Ursula Hubertus, sagt: „Wir bilden mehr aus.“ So habe sie an ihrer Pflegeschule bei der im Oktober begonnenen Ausbildung drei Kurse mit je 32 Teilnehmern vollbekommen, während zuvor meist nur ein Kurs zustandegekommen sei. Trotzdem müsse der Pflegeberuf attraktiver werden, fordert Hubertus, deren Verband die Interessen der beruflich Pflegenden und Hebammen im Saarland vertritt: durch Arbeitsentlastung, eine angemessenere Entlohnung und mehr Wertschätzung. Dabei kritisiert sie auch die Landesregierung. Im Gegensatz zu Rheinland-Pfalz zahle das Saarland die Corona-Prämie nur im Bereich der Altenpflege. Pfleger in den Krankenhäusern, die in der Krise ebenfalls sehr belastet seien, gingen leer aus.

Derweil hob Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Freitag noch einmal die geplanten Erhöhungen des Mindestlohns für Pflegehilfs- und Pflegefachkräfte hervor. Für Hilfskräfte soll er zum 1. April 2022 auf 12,55 Euro pro Stunde angehoben werden. Für Fachkräfte gilt ab 1. Juli 2021 eine Lohnuntergrenze von 15 Euro pro Stunde. Heil will auch einen flächendeckenden Tarifvertrag für den Pflegebereich, den Ursula Hubertus für überfällig hält. Dieser bedeute nicht nur gleiches Geld für gleiche Leistungen, egal, wo man als Pflegekraft arbeitet. Er beseitige auch die Marktvorteile, die sich nicht tarifgebundene Pflegeanbieter gegenüber anderen verschafften, findet sie.

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