Vorwürfe gegen Peter Müller und AKK Wollten Ex-Regierungschefs Streit mit Frankreich vermeiden?

Saarbrücken/Völklingen · Es sind schwere Anschuldigungen gegen ehemalige Regierungschefs im Saarland: Der Bürgermeister von Großrosseln hat jetzt Mitglieder eines Landtagsausschusses davon unterrichtet.

Während des aktiven Bergbaus kam es immer wieder auch zu Erderschütterungen. Dadurch entstanden mitunter Schäden wie Risse in Hauswänden. Der Großrosselner Ortsteil Naßweiler war massiv davon betroffen.

Während des aktiven Bergbaus kam es immer wieder auch zu Erderschütterungen. Dadurch entstanden mitunter Schäden wie Risse in Hauswänden. Der Großrosselner Ortsteil Naßweiler war massiv davon betroffen.

Foto: BeckerBredel

Der Bürgermeister von Großrosseln, Jörg Dreistadt (SPD), hat schwere Vorwürfe gegen die ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller und Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) erhoben. Demnach haben der heutige Bundesverfassungsrichter und die heutige CDU-Bundesvorsitzende während ihrer jeweiligen Amtszeiten in der Saarbrücker Staatskanzlei versucht, die Gemeinde Großrosseln von juristischen Auseinandersetzungen mit dem französischen Nachbarland im Zusammenhang mit Bergschäden abzuhalten. Zudem sollen beide Politiker stattdessen finanzielle Hilfen des Landes zugesagt, aber nie bezahlt haben. Die Vorwürfe sind am Freitag bei einem Ortstermin des Landtagsausschusses für Grubensicherheit und Nachbergbau in Großrosseln bekannt geworden. An dem Termin nahmen Abgeordnete aller Landtagsfraktionen teil.

Nach Angaben Dreistadts war es in dem Großrosselner Ortsteil Naßweiler – unmittelbar an der Grenze zu Frankreich gelegen – während des aktiven Bergbaus bis 2003 zu Schäden an öffentlichen Anlagen wie Kanälen und Straßen in Höhe von rund vier Millionen Euro gekommen. Die für die Schäden verantwortlich gemachte staatliche französische Bergbaugesellschaft HBL (später CDF) sei jedoch nicht bereit gewesen, eine nur annähernd so hohe Entschädigung zu zahlen (später wurden rund 1,2 Millionen Euro gezahlt). Daraufhin habe die Gemeinde Großrosseln den Klageweg gegen den staatlichen französischen Bergbaukonzern vorbereitet. Bei einem Gespräch mit Ministerpräsident Peter Müller (CDU) im Jahr 2005 in der Saarbrücker Staatskanzlei, bei dem auch Vertreter von Wirtschafts- und Umweltministerium sowie der Bergämter anwesend gewesen seien, habe Müller dem damaligen Großrosselner Bürgermeister Peter Duchene (CDU) nahegelegt, von dem juristischen Streit mit dem französischen Nachbarn abzusehen. Stattdessen habe Müller zugesagt, dass das Land der Gemeinde bei der Bewältigung der Bergschäden finanziell unter die Arme greife. Bei dem Gespräch war auch Dreistadt nach eigenen Angaben als damaliger SPD-Fraktionssprecher im Gemeinderat zugegen.

Die Gemeinde habe anschließend den Klageweg dennoch weiter vorbereitet, so Dreistadt. Im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens sei dazu auch ein vom Gericht bestellter Gutachter beauftragt worden. Als trotz mehrmaliger Nachfragen der Gemeinde aber keine Hilfszahlungen von Landesseite flossen, sei es im Jahr 2011 erneut zu einem Gespräch in der Staatskanzlei gekommen. Diesmal mit Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Auch hierbei seien Vertreter von Wirtschafts- und Umweltministerium anwesend gewesen. Kramp-Karrenbauer habe Dreistadt – inzwischen selbst Bürgermeister von Großrosseln – erneut nahegelegt, keinen Prozess mit staatlichen französischen Stellen anzustrengen. Womöglich habe dies nicht in die geplante Frankreich-Strategie der Landesregierung gepasst, mutmaßt Dreistadt. Außerdem habe Kramp-Karrenbauer erneut finanzielle Hilfen des Landes zugesagt, die aber später nicht geflossen seien.

Als die Gemeinde sich schließlich entschlossen habe, den juristischen Streit tatsächlich abzublasen, habe das Gericht aber die Zahlung des zuvor beauftragten Gutachters in Höhe von rund 220 000 Euro eingefordert. Bei einem Gespräch mit dem damaligen Justizminister Reinhold Jost und dessen Staatssekretärin Anke Morsch (beide SPD) in Saarbrücken hätten diese Dreistadt jedoch zugesichert, diese Zahlung der Gemeinde zu erlassen. Auch diese Zusage sei später nicht eingehalten worden, so Dreistadt.

Die Staatskanzlei erklärte am Freitag in einer ersten Stellungnahme zu den Vorwürfen: „Wir haben über diese Gespräche keine Erkenntnisse – eine entsprechende Recherche zu diesen Behauptungen bedarf präziserer Angaben“, so Regierungssprecherin Anne Funk. Umweltminister Jost (2014 bis 2017 Justizminister) war gestern wegen eines Trauerfalls nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Der Vorsitzende des Landtagsausschusses für Grubensicherheit und Nachbergbau, Eugen Roth (SPD), sagte zu den Anschuldigungen Dreistadts: „Das kann man nicht einfach auf sich beruhen lassen. Der Landtagsausschuss wird der Sache jetzt nachgehen.“

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