Bürger-Tatkraft beseitigte Dreckschleuder

Kleinblittersdorf. Der Tag ist in die Geschichte der Oberen Saar eingegangen. Am 13. Januar 1990, heute vor 20 Jahren, fiel der erste der beiden 140-Meter-Schornsteine des ehemaligen Kohlekraftwerkes Großblittersdorf. Zwei Tage zuvor hatte der Koloss einem ersten Sprengversuch getrotzt

Kleinblittersdorf. Der Tag ist in die Geschichte der Oberen Saar eingegangen. Am 13. Januar 1990, heute vor 20 Jahren, fiel der erste der beiden 140-Meter-Schornsteine des ehemaligen Kohlekraftwerkes Großblittersdorf. Zwei Tage zuvor hatte der Koloss einem ersten Sprengversuch getrotzt. Als der Riese wie der Rest der maroden Anlage in Trümmer ging, war das ein Triumph für unzählige Kleinblittersdorfer. Und ein Etappensieg im Kampf gegen eine Müllverbrennungsanlage (MVA). Müllmassen machten Angst Nachdem die Franzosen im Januar 1987 die Stilllegung des Kraftwerks beschlossen hatten, sollte eine gigantische MVA an seine Stelle treten. Eine Anlage, die eine unvorstellbare Luftverschmutzung gebracht hätte. "Alle Grundstücke in der Gemeinde und alle Häuser wären wohl auf einen Schlag nur noch die Hälfte wert gewesen. Der Bau eines Kurbades in Rilchingen-Hanweiler wäre für immer ein Traum geblieben", sagt Robert Jeanrond (Foto: leh). Er hat damals, gerade zum Bürgermeister von Kleinblittersdorf gewählt, gegen die MVA gekämpft. "Ich wusste noch nicht genau, was als Bürgermeister auf mich zukommt. Und plötzlich war ich mitten im Kampf gegen die Müllverbrennung", erinnert sich Jeanrond. Mit dem damaligen Ortsvorsteher von Auersmacher, Rudi Pfeiffer (Foto: leh), reiste Jeanrond durch Frankreich, wurde bei Ministern und Bürgermeistern vorstellig, um von den Plänen gegen die MVA zu berichten. "Ich fungierte als Dolmetscher für Robert, der nicht fließend Französisch konnte", sagt Pfeiffer. "Wir organisierten eine Demo mit mehr als 5000 Menschen von Kleinblittersdorf bis Großblittersdorf und eine weitere Demo mit mehr als 12 000 Menschen im selben Jahr", erinnert sich Pfeiffer. 450 000 Tonnen Müll sollten pro Jahr in Großblittersdorf verbrannt werden. Müll aus Frankreich und Deutschland. "Wir trafen uns sogar mit Bundesumweltminister Klaus Töpfer. Er sicherte uns zu, dass Bayern, Baden-Württemberg und Hessen keinen Müll an die Obere Saar liefern würden. Allmählich dämmerte den Franzosen, dass wir alles gegen eine MVA tun würden", sagt Jeanrond. Und da es der französischen Regierung vor allem um die 100 Arbeitsplätze ging, gab es plötzlich ein Hintertürchen. "Wir brauchten ein Unternehmen, das sich am Standort des alten Kohlekraftwerkes niederlässt und für Arbeitsplätze sorgt", erzählt Jeanrond. Nun kam der Kleinblittersdorfer Otto Schäfer ins Spiel. Als Einkaufsleiter von ZF-Getriebe in Saarbrücken hatte Schäfer die Idee, auf dem Kraftwerksgelände Gussteile für ZF herstellen zu lassen. Nach langen Verhandlungen fand Schäfer Interessenten. Aber noch fehlten hunderttausende Mark für den Abriss des Kraftwerkes und eine Anschub-Kredit von drei Millionen Mark, damit der neue Interessent, ein Autozulieferer, anfangen konnte. Wieder hielt die Region zusammen. "Es gab Privatpersonen, die mehr als 10 000 Mark spendeten. Auersmachers Vereine verzichteten auf Dorffest-Einnahmen von 60 000 Mark. Wir hatten das Geld für den Abriss in wenigen Tagen zusammen. Das zeigt, wie wichtig es den Menschen war, die Anlage zu verhindern", erinnert sich Pfeiffer. Dann kam der Tag der Tage. Am 14. November 1988 gab der potenzielle MVA-Investor seine Pläne auf. "Ich war nicht zu Hause und erfuhr davon am Telefon. In Kleinblittersdorf läuteten die Glocken. Die Hauptstraße war voll feiernder Menschen", sagt Jeanrond. "Wir fielen den Franzosen auf der Freundschaftsbrücke in die Arme", blickt Pfeiffer zurück. "Eine ganze Region hat gegen die Müllverbrennungsanlage gekämpft und gewonnen. Der Satz ,Ich lebe gern in Kleinblittersdorf' hat vor diesem Hintergrund eine unglaubliche Bedeutung", sagt Otto Schäfer. "Plötzlich war ich mitten im Kampf gegen die Müllverbrennung."Robert Jeanrond"Wir trafen uns sogar mit dem Bundes-umweltminister."Rudi Pfeiffer"Eine ganze Region hat gekämpft und gewonnen." Otto Schäfer

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