Franz von Hoiningen-Huene Der „seltsame Nazi“, der hunderte Juden rettete

Luxemburg · Baron Franz von Hoiningen-Huene verhalf als Leiter der Passierscheinstelle der Wehrmacht in Luxemburg 500 Juden zur Ausreise. François Heisbourg, dessen Vater darunter war, hat ein Buch über den Wehrmachtsoffizier geschrieben.

Schloss Thorn bei Nennig – aufgenommen im Jahr 1934 – war einer der Wohnsitze von Baron Franz von Hoiningen-Huene.

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Das neueste Buch von François Heisbourg über die Odyssee des deutschen Wehrmachtsoffiziers Franz von Hoiningen-Huene (1888-1973) hat in Luxemburg großen Eindruck hinterlassen. Als Leiter der Passierscheinstelle der deutschen Wehrmacht im besetzten Luxemburg konnte Franz von Hoiningen-Huene, der seit 1933 NSDAP-Mitglied war, etwa 500 Luxemburger Juden das Leben retten – das entsprach etwa einem Viertel der jüdischen Bevölkerung in Luxemburg.

In minutiöser Kleinarbeit hat Heisbourg in „Cet étrange nazi qui sauva mon père – L’Odyssée du Baron von Hoiningen“ („Der seltsame Nazi, der meinen Vater rettete – die Odysee des Baron von Hoiningen“) versucht, den Charakter dieser nicht unumstrittenen Persönlichkeit zu ergründen. Vor allem die Frage, warum Baron von Hoiningen als anfänglich überzeugter Nationalsozialist schließlich vom „Bösen zum Guten“ wechselte, durchzieht sein Buch wie ein roter Faden. Immer wieder appellierte der Autor bei seiner Buchvorstellung in Luxemburg an Zeugen, sich zu melden, um noch mehr Licht in die dunklen Seiten der Persönlichkeit des Barons zu bringen.

Zu den dank eines Passierscheins Geretteten gehörte auch der Vater des Autors, George Heisbourg, ein später hochanerkannter Luxemburger Diplomat. Baron von Hoiningen besaß dank seiner Luxemburger Ehefrau, Mia de la Fontaine, zwei Wohnsitze: die Schlösser Limpertsberg und Thorn, das eine in Luxemburg, das andere in Deutschland. 20 Jahre lang bewirtschaftete der Baron beide Schlösser und überschritt deshalb fast täglich die Grenze.

Die Grenze überschritten hat er dann weiterhin, als die Wehrmacht ihn 1940, nach der Besetzung Luxemburgs, zum Leiter der Passierscheinstelle machte. Er konnte in dieser Position zusammen mit dem US-Gesandten in Luxemburg, George Platt Waller Junior (1889-1962), der Frau des deutschen Standortkommandanten, Dagmar Schmitt, und den beiden führenden Persönlichkeiten aus der jüdischen Gemeinde, Serebrenik und Albert Nussbaum, vielen Luxemburger Juden zur Flucht ins neutrale Portugal verhelfen.

Nachdem von Hoiningen bei einem Treffen der Leiter der Passierscheinstellen in Paris im Dezember 1941 Hitler als Verbrecher bezeichnete, wurde er denunziert, verhaftet und wegen Wehrkraftzersetzung vor ein Wehrmachtgericht gestellt. Das Kommandanturgericht Berlin, das bei Wehrkraftzersetzung eigentlich die Todesstrafe hätte aussprechen müssen, ordnete nur eine Zuchthaus-Strafe von zwei Jahren an. Strafmildernd wurde in der Urteilsbegründung vor allem unterstellt, dass von Hoiningen an den „Spätfolgen einer im Ersten Weltkrieg davongetragenen Bauchschussverletzung leide, die seine innere Widerstandskraft offenbar auch heute noch beeinträchtigt“.

Hierfür hatte der bekannte Arzt Professor Ferdinand Sauerbruch, einer der Leibärzte Hitlers, an der Berliner Charité ein Gutachten zugunsten von Hoiningens erstellt. Eine ebenfalls von Sauerbruch veranlasste Einweisung in das Krankenhaus Berlin-Buch nutzte von Hoiningen am 10. September 1944 zur Flucht und zum Untertauchen. Er ging zunächst in die Nähe seines zerstörten Schlosses Thorn, bevor er bei Remich die Mosel durchschwamm und durch die amerikanischen Linien auf das bereits befreite Schloss Limpertsberg in der Stadt Luxemburg gelangte. Nach dem Krieg kehrte er auf Schloss Thorn zurück, das er wiederaufbaute, bevor er am 1. Mai 1973 auf Schloss Limpertsberg starb.

François Heisbourg betonte, dass von Hoiningen die Passierscheine ohne finanzielle Vorteile ausstellte und er sich im Klaren darüber war, dass er damit gegen Anweisungen von oben verstieß. Als Mitglied des altdeutschen, baltischen Adels verfügte er über starken Rückhalt auch in der Wehrmacht, der ihm in brenzligen Situationen zugute kam. Anders als viele Mitläufer des Regimes bemühte sich Baron von Hoiningen nach dem Krieg nicht um einen Persilschein, im Gegenteil. Er sprach in keinster Weise von seinen Taten oder prahlte gar damit. Vielen Luxemburgern war gar nicht klar, wem sie den Passierschein und ihre Rettung zu verdanken hatten. Einer dieser Geretteten war sogar bei der Buchvorstellung anwesend.

François Heisbourg plädierte bei der Buchvorstellung für eine offizielle Würdigung von Baron Franz von Hoiningen-Huene und zeigte sich überzeugt, dass die Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem den Baron als „Gerechten unter den Völkern“ anerkennen werde. Bereits 1978 hatte der damalige Luxemburger Konsistorialpräsident Claude Marx einen Antrag darauf gestellt.

François Heisbourg, „Cet étrange nazi qui sauva mon père – L’Odyssée du Baron von Hoiningen“, 416 Seiten, Edition Stock, Paris, 2019, 22,25 Euro.