„Broch-Stücke“ heiß begehrt

Merchingen · Töpfern, schreinern und verkaufen: Acht geistig Behinderte der Förderschule „Zum Broch“ produzieren mit ihrer Schülerfirma seit Februar Kunsthandwerk aus Holz und Ton. So erfolgreich, dass die Schüler den Aufträgen in der Vorweihnachtszeit kaum nachgekommen sind.

 Vernissage der erfolgreichen Schülerfirma in Michelbach: links neben Schulleiter Günter Hoff (re.) steht Dominik. Fotos: Schule

Vernissage der erfolgreichen Schülerfirma in Michelbach: links neben Schulleiter Günter Hoff (re.) steht Dominik. Fotos: Schule

 Die Schüler mit ihrer Lehrerin vor einer Galerie ihrer Arbeiten.

Die Schüler mit ihrer Lehrerin vor einer Galerie ihrer Arbeiten.

Zwei Hände kringeln eine graue Wurst zu einer Schnecke. Auf Dominiks Schürze fallen Krümel, konzentriert schielt der 16-Jährige über den Rand seiner Brille. Dann setzt er das feuchte Gebilde aus Ton vorsichtig in die Wand der Kugel. Hinter dem Teenager aus Hausbach stehen am Fenster aufgereiht: Vasen, Figuren, Geschirr, Nistkästen und Insektenhotels.

Dominik ist einer von acht geistig Behinderten, die in der Schülerfirma der Schule Zum Broch arbeitet. Beim Schreinern leitet Direktor Günter Hoff die Jugendlichen an, beim Töpfern unterstützt sie Simone Dräger: "Wir sind vor zwei Jahren auf dem Weihnachtsmarkt in Merzig von Blumenläden angesprochen worden, ob wir unsere Vasen auch verkaufen wollen", erzählt die 47-jährige Lehrerin für Sport und Werken. Im Februar dieses Jahres wurde dann die Schülerfirma "Broch-Stücke" ins Leben gerufen.

Heute beliefert das junge Unternehmen zwei Blumengeschäfte und einen Edelsteinladen in der Region. Im April präsentierten Drägers Schüler ihre Waren auf der Saarmesse. Jeden Donnerstag stehen sie zudem mit einem Stand in der Merziger Fußgängerzone auf dem Bauernmarkt. "Am Anfang haben die Leute nur geglotzt. Mittlerweile sind wir fester Bestandteil." Es bringe viel für das Selbstbewusstsein, wenn einer ihrer Schützlinge an der Theke stehe und ihn die Kunden als Verkäufer wahrnehmen. "Die Kunden sind eigentlich immer geduldig, wenn die Bedienung mal länger dauert", sagt Dräger. Die Jugendlichen vertiefen am Marktstand auch ihre Zahlenfertigkeit: "Sie können natürlich keine komplizierten Rechnungen erstellen, aber einfaches Abrechnen klappt."

Ein lautes Rauschen ertönt. Dominik schiebt den Regler hoch und hält den Fön in die Kugel, um den Ton zu trocknen. Nur kurz schaut er auf und sagt: "Ich koche auch gerne, aber Töpfern mache ich am liebsten". Dann senkt Dominik den Blick wieder starr auf das Werkstück seinen Händen. "Die Kugeln müssen ganz trocken sein, erst dann kommen sie nach zwei Tagen für 24 Stunden in den Ofen", erläutert Lehrerin Dräger. Bei 850 Grad Celsius wird gebrannt, in einem Brennofen, der seit 1980er-Jahren im Schulkeller steht. Anschließend bestreichen die Behinderten die Handwerkskunst mit einem Gemisch aus Braunstein und Wasser. "Jeder bei uns hat seine Stärken. Die Autisten etwa glasieren am sorgfältigsten." Nach dem Glasieren brennen die Werke aus Ton schließlich bei Tausend Grad für 16 Stunden aus.

Diesen Winter ist "Broch-Stücke" besonders gefragt, das Auftragsbuch gefüllt. Zum Töpfern treffen sich die Schüler jeden Dienstag von früh morgens bis mittags im Werkraum. Freitags arbeiten die Behinderten mit Holz. "Die Wander-AG ist nach dem Mittagessen an den Wochenenden vor den Weihnachtsmärkten dann oft auch zurück in die Werkstatt im Schulkeller gewandert", erzählt Dräger mit einem Augenzwinkern.

Ein Förderschüler produziert unter Drägers Anleitung am Tag eine Vase. An den Holzwaren werkeln die Behinderten allerdings länger: Für elf Nistkästen braucht die Firma 200 Schulstunden, rechnet Schulleiter Hoff vor. "Ich erhoffe mir über das Projekt mehr Respekt für unsere Schüler. Dass sie nicht nur als Leistungsbezieher wahrgenommen werden, sondern auch als produktive Menschen", erzählt der 49-Jährige und fügt hinzu: "Das Schöne an der Firma ist, dass sie auch Gewinn erwirtschaftet, den wir in neue Materialien stecken". Im kommenden Jahr belohnt sich das junge Unternehmen zudem mit einem Betriebsausflug. Die Lehrer wollen mit ihren Schülern in Koblenz das Keramikmuseum besuchen und in einer Pizzeria essen gehen.

Der Fön verstummt. Dominik lächelt zufrieden und stellt die Kugelvase auf den Tisch: "Nicht vergessen, Frau Dräger, die muss jetzt in den Ofen". Der Junge nimmt seine Schürze ab und legt sie sorgfältig über den Stuhl. Dann huscht er zur Tür. Zeit zum Mittagessen.

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