Bosseln wie vor hundert Jahren

Lauterbach. Große Bauprojekte sind heute schwer kalkulierbar. Bevor der erste Bagger anrückt, müssen viele bürokratische Hürden aus dem Weg geräumt werden. Und während der Bauphase drohen Terminverzögerungen. Mit Schwierigkeiten hatten vor gut 100 Jahren auch Baumeister und Handwerker in Lauterbach zu kämpfen

Lauterbach. Große Bauprojekte sind heute schwer kalkulierbar. Bevor der erste Bagger anrückt, müssen viele bürokratische Hürden aus dem Weg geräumt werden. Und während der Bauphase drohen Terminverzögerungen. Mit Schwierigkeiten hatten vor gut 100 Jahren auch Baumeister und Handwerker in Lauterbach zu kämpfen. Doch sie machten Nägel mit Köpfen, in weniger als zwei Jahren errichteten sie die katholische Pfarrkirche St. Paulinus.Einen Eindruck vom regen Treiben, das damals auf der Warndtdom-Baustelle herrschte, machen sich am Wochenende die Besucher des Jubiläums-Pfarrfestes. In Zelten zeigen rund ein Dutzend Handwerker alte Techniken und Kunstfertigkeiten. Wer will, darf vor der Kirche auch selbst Hand anlegen.

Allerdings nicht an den Kalkstein, den Pauline Marchand am Sonntag mit Holzhammer und Flachmeißel bearbeitet. Es handelt sich um ein Original-Ersatzteil für die Kathedrale in Metz. Die 24-jährige Steinmetzin liebt es, an alten Bauwerken zu arbeiten. Nachdem die Konturen mit der Schablone eingezeichnet wurden, arbeitet sie sich zur Bleistiftmarkierung vor. Ganz langsam und konzentriert, Millimeter für Millimeter. Schon nach wenigen Minuten entledigt sich die 24-jährige Französin ihrer Jacke. Der Stein verzeiht keine Fehler. Die Besucher sind beeindruckt von der Präzision. "Wahnsinn!", staunt eine Zuschauerin.

Hermann Müller zeigt beim Umgang mit dem Stecheisen viel Gefühl. Gutes Werkzeug, weiß der Schnitzer aus Beckingen, ist wichtig. Seine Landsknecht-Figur formt er aus Lindenholz. "Es ist weich und gut zu bearbeiten", erklärt der Experte.

Die Besucher informieren sich über die Herstellung von Kirchenfenstern, bestaunen eine Original-Kirchturmuhr oder schauen Orgelbauern über die Schulter. Dem Nachwuchs wird ebenfalls nicht langweilig. Die Kinder verzieren Kerzen und drucken Postkarten mit Warndtdom-Motiv. Oder sie drehen sich ihr eigenes Seil. Dieses Handwerk war früher beim Kirchbau ebenfalls gefragt. Mit Eisenklammern und Seilen wurden die Holzstangen der großen Baugerüste zusammengehalten. "Wie viel hält es aus?", fragt ein Junge nach getaner Arbeit. Das Seil kann er gut für den Bau einer Hütte im Wald gebrauchen. Die zehnjährige Laura favorisiert das Seilspringen.

Neben den kleinen und großen Gästen fühlen sich auch die Handwerker und Künstler wohl. Ulrike Jenal lobt die herzlichen Gastgeber. "Wir werden verwöhnt mit Essen und Trinken", freut sich das Mitglied der Künstlergruppe Bisttal. An ihrem Stand ist ein Warndtdom-Kirchenfenster zu sehen, das die Malerin mit Farbe auf die Leinwand gebannt hat.

Übrigens: Ein Problem heutiger Großprojekte kannte man schon vor 100 Jahren. Auch der Warndtdom wurde teurer als ursprünglich geplant. Die mit 144 000 Goldmark veranschlagte Baukostensumme erhöhte sich bis zum Bauende auf 196 500 Mark. Sturmschäden, erklärt Rudolf Blechschmidt, waren für die Mehrkosten verantwortlich. Das engagierte Gemeindemitglied betont aber auch: Trotz der Widrigkeiten wurde der Termin der Fertigstellung eingehalten. " Wir werden verwöhnt mit Essen und Trinken."

Ulrike Jenal lobt die Gastgeber

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