Blieskasteler Ober-Piratin haut Erfolg um

St. Ingbert · Klare Verhältnisse und ein Shooting-Star: Die CDU hat in St. Ingbert und Blieskastel die SPD-Konkurrenz bei der Landtagswahl klar auf den zweiten Platz verwiesen. Die Piraten entern überraschend heftig die Region. Deren Blieskasteler Spitzenkandidatin zollte der Wahlkampfbelastung Tribut.

St. Ingbert/Blieskastel. Die Ober-Piratin hat es umgehauen: Das überraschend starke Ergebnis der politischen Neueinsteiger konnte die Lautzkircherin Jasmin Maurer gestern Abend nicht selbst kommentieren. Piraten-Pressesprecher Ralf Petermann erläuterte, die Landesvorsitzende sei nach einem Kreislaufkollaps daheim und nicht zu sprechen. Die Gesundheit gehe vor. Michael Hilberer, Spitzenkandidat der Piraten im Wahlkreis Neunkirchen, zu dem auch St. Ingbert und das Bliestal zählen, ließ seiner Freude über vier Landtagssitze nach dem vorläufigen Ergebnis freien Lauf: "Das ist natürlich großartig für uns. Wir sind absolut zufrieden." Konstruktive Arbeit versprach Hilberer. Seine Partei wolle zeigen, dass man Politik auch anders und für den Bürger transparent gestalten könne.

Nach zwei Oberbürgermeister-Wahlgängen im vergangenen Herbst zeigten die St. Ingbert leichte Wahlmüdigkeit. Gingen vor drei Jahren 67,9 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen, waren es diesmal 61,5 Prozent. Stärkste Kraft bleiben trotz der Querelen um die Stadtratsfraktion und ihren ehemaligen Fraktionschef Markus Gestier die Christdemokraten. Mit 37,7 Prozent sind sie in der Mittelstadt noch stärker als im Landesschnitt. Innenminister Stephan Toscani, selbst St. Ingberter, war gestern Abend denn auch bester Dinge: "Für die CDU St. Ingbert ist das natürlich ein sehr gutes Ergebnis. Gerade vor dem Hintergrund der Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit der OB-Wahl." Der St. Ingberter Wähler habe erkannt, worum es gehe. Und damit war der Minister wieder auf Landesebene: "Der Mut von Annegret Kramp-Karrenbauer ist belohnt worden. Ihre Führungskraft hat überzeugt. Wir haben jetzt eine Grundlage und ein klares Votum für eine große Koalition." Toscanis Parteifreund Günter Becker aus Niederwürzbach ist mit dem guten Ergebnis seiner Partei ebenfalls wieder im Landtag. "Ich war die ganze Zeit optimistisch," sagte er am Abend, "das Ergebnis ist sogar besser als erwartet." Etwas Wasser im Wein gab es für den Abgeordneten dennoch. Die CDU musste in Blieskastel leichte Verluste hinnehmen und fiel von 35,1 auf 34,5 Prozent. Die SPD steigerte in der Stadt ihr Ergebnis deutlich von 21,7 auf 28,6 Prozent.

Für die Sozialdemokraten sagte Kreis-Spitzenkandidat Stefan Pauluhn: "Ich stehe hier mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wir haben das Ziel nicht erreicht, stärkste Kraft zu werden und den Ministerpräsidenten zu stellen. Aber landesweit haben wir sechs Prozent dazugewonnen." Die Partei sei auf dem richtigen Weg, meinte der Walsheimer. Wo die Linke aber über den Lafontaine-Faktor über 15 Prozent bekomme und weitere Parteien wie die Piraten im linken Spektrum fischten, könne die SPD nicht an der CDU vorbeiziehen. Es dürfte die Sozialdemokraten nicht wirklich trösten, aber im Wettstreit mit den Linken haben sie in Blieskastel und St. Ingbert wieder die Nase vorne. In St. Ingbert hatte die Linke die SPD bei der Landtagswahl 2009 überraschend überflügelt und 20,1 Prozent eingefahren (SPD 19,3 Prozent). Gestern holten die Sozialdemokraten in der Mittelstadt 26,9 Prozent (Linke 14,6 Prozent).

Zur Zitterpartie wurde die Wahl für die Grünen. Dabei schlug sich die Partei mit 5,7 Prozent in St. Ingbert und 6,2 Prozent in Blieskastel regional gut. Mit genau fünf Prozent hat es schließlich zu zwei Sitzen im Parlament gereicht. Der St. Ingberter Markus Schmitt ist nicht mehr im Landtag. Er nahm es gelassen: "Ich war den ganzen Tag recht entspannt. Ob es für mich reicht, war nicht so wichtig. Dass wir noch Opposition machen dürfen ist wichtig." Natürlich bedauere er, dass seine Partei trotz der grünen Themen, die sie mit Jamaika umsetzen konnte, nicht mehr Zuspruch erfahren habe. Mit dem St. Ingberter Ergebnis zeigte er sich besonders zufrieden, weil trotz der starken Familien-Partei die Grünen besser als im Land abgeschnitten haben. Die Familien-Partei, die ab Sommer in der Mittelstadt den Oberbürgermeister stellt, kam in ihrer Hochburg auf 4,8 Prozent.

Großer Andrang an der Urne zwischen Kirche und Mittagessen

Heiter und unterhaltsam ging es am gestrigen Wahltag in der Turnhalle der St. Ingberter Südschule zu. Die Wähler kamen teils im Sekundentakt und gaben ihre Stimme ab. SZ-Mitarbeiter Oliver Bergmann hat für die Saarbrücker Zeitung Stimmen und Stimmungen in der Südschule eingefangen.

St. Ingbert. "Und jetzt bitte den Stimmzettel einwerfen", sagt Wahlvorsteher Thomas Diederichs zu einer jungen Frau. Eine ändere Wählerin will es ganz genau wissen. "Das war's?", fragt sie etwas verunsichert, nachdem sie ihren Stimmzettel in die Wahlurne geworfen hat. "Das war's", bestätigt Diederichs. "Es gibt keine Stichwahl."

Es ist mal wieder Wahlsonntag im Saarland - in St. Ingbert ist es sogar schon der siebte binnen drei Jahren. Nach dem als Superwahljahr titulierten Jahr 2009 mit Bundes- und Landtagswahl, Europawahl und der Kommunalwahl, folgte zuletzt der heiße Herbst mit der Oberbürgermeister-Wahl und ihren beiden hochspannenden Durchgängen. Nun wird wieder ein neuer Landtag gewählt. Im Sekundentakt kommen die Bürger an diesem Sonntag, der seinem Namen alle Ehre macht, in die Sporthalle der Südschule - einem Ort, wie er unpolitischer kaum sein könnte. Denn über Politik wird hier so gut wie gar nicht gesprochen. Vielmehr erwecken Diederichs und Beisitzerin Christel Brandenburg das Mitleid der Wähler. "Und ihr müsst jetzt hier bei dem schönsten Wetter sitzen?", fragt ein Bürger. "Aber nur noch eine Stunde", beruhigen ihn die beiden. Diederichs und Brandenburg leisten die erste Schicht, die etwa fünf Stunden von acht Uhr an dauert. Erst am Abend müssen sie wieder ran, nach 18 Uhr beginnt die Auszählung der Stimmen.

"Der Beginn war etwas zögerlich, da hat man die Zeitumstellung gemerkt", sagt das Duo. Zwischen Kirche und Mittagessen dann der große Ansturm: Von 833 Wahlberechtigten in diesem Wahlbezirk sind bis etwa elf Uhr schon 112 Personen erschienen, weitere 146 haben sich die Briefwahl-Unterlagen zukommen lassen. Ein Trend, der sich wie ein roter Faden durch den Tag zieht. "So wie es aussieht, liegt die Wahlbeteiligung auf dem Niveau von 2009", freut sich Ulli Meyer, Ortsvorsteher von St. Ingbert Mitte. Damals haben fast 68 Prozent aller Wahlberechtigten irgendwo ihr Kreuzchen gemacht.

Als frühere First Lady St. Ingberts steht Christel Brandenburg vielen Bürgern Rede und Antwort, die sich nach ihrem Mann, dem zwischen 1984 und 2004 amtierenden Oberbürgermeister Wilfried Brandenburg, erkundigen. "Seitdem er nicht mehr OB ist, ist er viel geduldiger und ausgeglichener", sagt sie.

Hin und wieder wirft Alfred Lindecke, Beisitzer des Wahlbezirks vier, einen Blick herüber. "Wer euch da so sitzen sieht, der könnte meinen, ihr seid das hohe Gericht." Prompt wird zurückgeflachst: "Was haben Sie denn zu ihrer Verteidigung zu sagen, Herr Angeklagter?" Ja, so heiter und unterhaltsam kann ein Wahltag sein. obe

Foto: Erich Schwarz

Foto: Wolfgang degott

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort