Verzweiflungstat Vater aus Raum Trier gesteht Mordversuch an eigenem Kind

Trier · Er habe aus Verzweiflung gehandelt, sagt der 63-Jährige, dessen Tochter an einer unheilbaren Krankheit leidet. Der Vater habe sie „erlösen“ wollen.

(dpa) Seine Tochter konnte immer weniger: Weniger sehen, weniger vor die Tür gehen, weniger Leute ertragen. Für nahezu alle alltäglichen Dinge war sie auf Hilfe angewiesen. „Unerträglich“ sei es für ihn als Vater gewesen, zu erleben, wie sich die Situation der heute 36-Jährigen - die an einer unheilbaren Augenkrankheit mit fortschreitender Erblindung leidet - verschlimmerte. Um sie von ihrem Leid zu erlösen, wollte er sie daher töten: Das hat ein 63 Jahre alter Vater am Dienstag vor dem Landgericht Trier gestanden. Er ist wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt.

„Was Sie in den Akten finden, das habe ich getan“, sagte er. „Es ist die Wahrheit.“ Demnach hat der Mann im Oktober 2018 seiner fast blinden Tochter mit einem Messer lebensgefährliche Verletzungen zugefügt. Anschließend versuchte der Deutsche, sich selbst mit dem Messer umzubringen. Die Tochter hatte sich nach der Tat aus ihrer Wohnung in Trier schleppen können. Beide sind körperlich wieder genesen.

In seiner Einlassung schilderte der Vater unter Tränen, wie die Familie und Ärzte über Jahre versucht hätten, der Frau zu helfen. Am Ende stand die Diagnose: „Unkorrigierbare Winkelfehlsichtigkeit“ - bei der man Bilder parallel oder gekreuzt doppelt sieht. Und: Es sei immer schlechter und schwieriger geworden. In 2018 kamen bei ihr noch Panikattacken und schwere Depressionen hinzu. „Ich habe keine Lösung mehr gesehen“, sagte der gelernte Fernmeldetechniker aus dem Kreis Trier-Saarburg.

Es sei „irgendwann ein Punkt gekommen, an dem ich gedacht habe, ich muss ihr diesen Wunsch erfüllen, dass sie dieses Leben nicht mehr leben will“. Öfter habe die Tochter gesagt, dass sie nicht mehr so leben wolle und ihn gefragt, ober er sie in die Niederlande oder in die Schweiz „zum gewollten Sterben“ bringen könnte. Das habe er aber nicht gekonnt. Die Tochter, eine Bürokauffrau, war vor gut zehn Jahren erkrankt.

Warum er dann 2018 Täter wurde, könne er selbst nicht erklären. „Was mir zu schaffen macht, ist zu verstehen, wie ich diesen Punkt überschritten habe, das zu tun“, sagte er. Er sei in dieser Zeit sehr belastet gewesen: Über Wochen habe er seine Tochter teils auch nachts intensiv betreut, weil sei unter Angstzuständen litt. Daneben habe die Tochter ihm und der Familie immer wieder heftige Vorwürfe gemacht. „Sie hat uns allen den Tod gewünscht“, sagte er.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat sich der Vater zuletzt „aufopferungsvoll“ um seine Tochter gekümmert. Mit der Tat habe er „die Familie von einer scheinbar unerträglichen Situation“ erlösen wollen, sagte Oberstaatsanwalt Eric Samel. Dabei habe er „heimtückisch“ gehandelt - daher die Anklage auf versuchten Mord. Die Frau sei von dem Angriff in ihrem Bad überrascht worden. Nach den ersten Stichen habe die Frau aber zu ihrem Vater gesagt, dass sie weiter leben wolle, hieß es in der Anklage.

Juristisch gesehen sei der Fall „ein klassisches versuchtes Tötungsdelikt“, sagte Samel. „Aber die menschliche Komponente, die Familientragödie, die dahinter steht, ist natürlich ein ganz besonderer Aspekt.“ Es sei ein Fall der „rein über das Professionelle, Berufliche hinaus auch menschlich beschäftigt“. Wie es um die einst enge Beziehung zwischen Vater und Tochter heute steht? Dazu wollte die Verteidigerin des Angeklagten, Martha Schwiering, nicht äußern.

(dpa)
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