Interview Jill Crovisier Jugend-Theater in Luxemburg: „Mir geht es darum, Sport als Kunst darzustellen“

Interview | Luxemburg-Stadt · Zwei Sportler und ein Tänzer auf der Bühne: Das Tanzstück „Sahasa“ in Luxemburg-Stadt will junges Publikum begeistern. Das Besondere: Weil Free-Runnerin Lynn Jung und Freestyle-Fußballer Sven Fielitz mittanzen, entsteht ein Stück, das zeitgenössischen Tanz und urbane Athletik mischt.

Sport trifft Straße trifft Theater: Das Tanzstück „Sahasa“ bringt Freerunnerin Lynn Jung (r.), Tänzer Isaiah Wilson (M.) und Freestyle-Fußballer Sven Fielitz (l.) in Luxemburg-Stadt gemeinsam auf die Bühne.

Sport trifft Straße trifft Theater: Das Tanzstück „Sahasa“ bringt Freerunnerin Lynn Jung (r.), Tänzer Isaiah Wilson (M.) und Freestyle-Fußballer Sven Fielitz (l.) in Luxemburg-Stadt gemeinsam auf die Bühne.

Foto: JC Movement Production/Noah Bach

In dem Kinder- und Jugend-Stück „Sahasa“ treffen Vertreter unterschiedlicher Disziplinen aufeinander. Denn gemeinsam mit dem Tänzer Isaiah Wilson stehen auch zwei Luxemburger Stars auf der Theaterbühne, die man hier nicht erwarten würde – Free-Runnerin Lynn Jung und Freestyle-Fußballer Sven Fielitz. Der Treff von zeitgenössischem Tanz und urbaner Athletik ist am 25. und 27. November im Kulturzentrum Rotondes in Luxemburg-Stadt zu erleben. Dahinter steckt die Luxemburger Choreografin Jill Crovisier, die nach einer Schulvorstellung in Luxemburg mehr über ihr ungewöhnliches Stück verraten hat.

Hatten Sie dieses Bühnenergebnis bei der Konzeption im Kopf oder mussten Sie erst schauen, was künstlerisch überhaupt geht?

CROVISIER Es war schon eine riskante Produktion, weil ich nicht wusste, auf was ich mich einlasse. Aber so wie das Stück heute ist, hatte ich es im Kopf. Das nepalesische Wort ,sāhasa‘ bedeutet Courage, und mir war wichtig, auch Mut zu zeigen. Denn um mit drei Künstlern aus drei sehr verschiedenen Kunstformen neue Wege zu finden, musste ich ihnen vertrauen. Auch sie haben eine Herausforderung angenommen, die sie ins Neue führt, denn sie agieren hier nicht immer in ihrer Spezialisierung. Eine zeitgenössische Tanzschrift herauszubilden ist der Kern. Bei einem Stück für junges Publikum geht es auch darum, einen Beitrag zu leisten – um zeitgenössische Kunst für sie, aber auch für Erwachsene, zugänglich zu machen.

Das Stück hat mit Elementen des „Free-Run“ und des Freestyle-Fußballs sehr starke athletische Aspekte. Hatten Sie das Gefühl, dass Sie deswegen beim Tänzerischen Abstriche machen mussten?

CROVISIER Überhaupt nicht. Mir geht es ja darum, Sport als Kunst darzustellen und eine Balance mit dem zeitgenössischen Tanz, der diese Stile mixt, zu finden, damit es trotzdem ein getanztes Werk ist. Die Choreografie verbindet auch Elemente von Streetdance, Kontaktimprovisation, afrikanischen Tänzen und Hip-Hop mit der Einführung in den zeitgenössischen Tanz. Für mich ist wichtig, die Vielfältigkeit von Menschen, aber auch von Tanz zu zeigen. Jeder gehört auf eine Bühne, auch Menschen wie Lynn und Sven, die sonst nicht so inszeniert werden. Aber wir zeigen hier, dass auch sie Künstler sind.

Die Choreografin Jill Crovisier ist fester Bestandteil der Luxemburger Tanzszene.

Die Choreografin Jill Crovisier ist fester Bestandteil der Luxemburger Tanzszene.

Foto: Nardus Engelbrecht

Die verschiedenen Talente harmonieren auf der Bühne. Ist das auch eine Botschaft des Stückes?

CROVISIER Ein natürliches Ineinanderfließen war mir sehr wichtig. Es geht nicht darum, einen Zirkuskünstler einzuladen, der seine Tricks macht, und dann ist der nächste dran. Es geht darum, jedem Mut zu geben, etwas zu unternehmen und hart dafür zu arbeiten. Für mich war die Arbeit am Stück auch hart, aber so wächst man und lernt weiter. Deswegen ist es ein Stück, das in der ganzen Welt gezeigt werden kann.

Auch im Saarland?

CROVISIER Das wäre super, und das hoffen wir. Ich hatte das Glück, dass die Drei zusagen. Insofern wäre es toll, wenn es eine Möglichkeit gibt, dass viele Menschen das Stück sehen können.

Waren Lynn Jung und Sven Fielitz Ihre erste Wahl für den Part der Sportler?

CROVISIER Ja, und sie haben direkt zugesagt. Zum Glück, denn es war mir wichtig, zu zeigen, was unsere Leute in Luxemburg drauf haben. Und so ist es eine ästhetische und poetische Reise geworden, bei deren Entstehung wir viel gelacht und schon in den ersten Wochen viel Material geschaffen haben. Es ist nicht immer nur Einzelkampf, sondern ein Team, das Unterschieden trotzt und mit Courage Neues schafft. Aber so etwas kann nur entstehen, wenn man sich traut. Nur ist das für viele heute sehr schwierig, auch für Erwachsene.

Bei Vorstellungen geben manche Schulklassen viele Zwischenrufe ab. Für Sie ein Zeichen, dass es ihnen gefallen hat?

CROVISIER Ja, man merkt die Begeisterung. Wir haben eine Aufnahme von der Premiere, auf der man auch viel Lachen hört. Dramaturgisch war auch wichtig, die Spannung nicht die ganze Zeit zu halten, sondern auch einen langsamen Teil einzubauen, auch wenn Kinder dann vielleicht loslassen. Aber bei der heutigen Vorstellung haben sie viel kommentiert und die Lehrerinnen haben das zugelassen.

Ist das eigentlich in Ordnung für Sie?

CROVISIER Wäre es ein voller Saal mit 200 Kindern gewesen, hätten sie es nicht gemacht. Es ist schon besser, wenn es nicht so viele Zwischenrufe gibt. Aber sie haben ja kommentiert, was sie gesehen haben und sind nicht rum geturnt. Für mich waren sie die ganze Zeit mit den Drei auf der Bühne beschäftigt. Es ist schön, wenn sie so mitgehen. Oft kommen ja Kinder, die noch nie in einem Theater waren. Da ist das Stück auch als Einführung interessant, weil es nicht zu konzeptuell ist, sondern begeistert und eine niedrige Hemmschwelle setzt, um noch mal ins Theater zu gehen.

Wird ein solcher Mix aus Tanz und Straßensport häufiger den Weg auf die Bühne finden?

CROVISIER Man findet viele dieser Disziplinen im Zirkus, und ,Sahasa‘ ist auch ein modernes Zirkusstück. Auf den Theaterbühnen ist dieser Mix schon präsent, denn in Choreografien von Anne Theresa De Keersmaeker und Pina Bausch sehe ich auch Elemente der Straßenkunst. Wir bringen ja das Leben auf die Bühne, damit man sich mit dem Gesehenen identifizieren kann. Was hier passiert, muss nicht narrativ sein, denn wir machen Kunst für und mit Menschen, inspiriert von Menschen.

Öffentliche Vorstellungen von „Sahasa“ am Freitag, 25. November, um 19 Uhr und am Sonntag, 27. November, um 11 Uhr. Ab acht Jahren. Gespielt wird im Kulturzentrum Rotondes, 3, Place des Rotondes, in Luxemburg-Stadt. Weitere Informationen und Karten (12/6 Euro) unter https://www.rotondes.lu/de/agenda/sahasa und https://www.jcmdance.com/. Im Cape in Ettelbrück wird das Stück am Sonntag, 20. November, um 16 Uhr gespielt.

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