Internationale Allianz zum Holocaust-Gedenken Luxemburg hält die Erinnerung an den Holocaust wach

Luxemburg · Ab 1. März übernimmt das Großherzogtum in einer Zeit, in der der Antisemitismus wächst, den Vorsitz der Internationalen Allianz zum Holocaust-Gedenken.

 Hunderte Juden wurden aus Luxemburg von den Nazis deportiert – hier ein Deportationswaggon in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem.

Hunderte Juden wurden aus Luxemburg von den Nazis deportiert – hier ein Deportationswaggon in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem.

Foto: Bodo Bost

Die „International Holocaust Remembrance Alliance“ (IHRA) steht ab März ein Jahr lang unter der Präsidentschaft des Großherzogtums Luxemburg. Sie vereint Regierungen und Experten in der Bemühung, die Aufklärung über den Holocaust zu verbessern und das Gedenken an die Ermordung von sechs Millionen Juden im Zweiten Weltkrieg aufrechtzuerhalten. Die IHRA wurde 1998 ins Leben gerufen und hat heute 32 Mitgliedsländer – fast alle EU-Staaten, die USA, Kanada, Argentinien und Israel –, zwei Partnerländer – Australien und Portugal – und acht Beobachterstaaten.

Der ehemalige Luxemburger Botschafter in Berlin, Georges Santer, ist Chef der luxemburgischen Delegation bei der IHRA, ab dem 5. März wird er auch internationaler Präsident dieser Organisation sein. Zweimal werden sich die Arbeitsgruppen treffen, vom 3. bis 5. Juni in Bad Mondorf und im Dezember in der Stadt Luxemburg. Bad Mondorf spielte in der jüdischen Geschichte Luxemburgs eine wichtige Rolle, weil hier von 1933 bis 1939 eine „Hachschara“-Schule zur Vorbereitung junger Zionisten auf Palästina bestand, und weil hier am Ende des Zweiten Weltkriegs 86 Nazi-Verbrecher, darunter Hermann Göring und Karl Dönitz, im Palace Hotel interniert wurden, bevor ihr Prozess in Nürnberg begann. In Bad Mondorf fand auch ein Teil der Verhandlungen zwischen der Adenauer-Regierung und Israel statt, die 1952 zum „Luxemburger Abkommen“ über Entschädigungsleistungen Deutschlands an Israel führten.

Botschafter Santer erklärte in einem Interview mit der Luxemburger Zeitung „Journal“, dass Luxemburg in einer Zeit des wachsenden Antisemitismus’ die Präsidentschaft der IHRA übernimmt, stelle eine große Herausforderung dar. Luxemburg hatte im vergangenen Jahr erstmals eine Antisemitismus-Studie vorgestellt, in der 16 Fälle von Antisemitismus vor allem in den sozialen Netzwerken dokumentiert wurden. Die Luxemburger Kandidatur kam auf Wunsch von Premierminister Xavier Bettel zustande, der wollte, dass Luxemburg auch auf internationaler Ebene Verantwortung übernimmt, was die Erinnerung an den Holocaust anbelangt. Bettel hatte sich 2014, nach der Vorstellung eines historischen Gutachtens, für die Mitverantwortung Luxemburgs an der Shoah entschuldigt. Luxemburg ist seit 2003 Mitglied der IHRA und wird den Vorsitz in einem Jahr an Deutschland weitergeben.

Nach Meinung von Botschafter Santer nimmt nicht nur der Antisemitismus, sondern Diskriminierung im Allgemeinen zu. Das habe mit einer Verunsicherung in der Gesellschaft zu tun, die nicht zuletzt durch wachsende soziale Ungleichheiten auseinanderdrifte. Es gebe echte und gefühlte Ängste, und es werde nach Verantwortlichen dafür gesucht. Oft seien Minderheiten ein Ziel in einem negativen Klima, das von Nationalisten und Populisten noch weiter angeheizt wird. Die Aufgabe der IHRA werde es sein, aufzuzeigen, zu welch schrecklichen Konsequenzen das führen kann.

Insbesondere der portugiesische Diplomat Aristides de Sousa Mendes (1885-1954) soll während der Luxemburger IHRA-Präsidentschaft bekannt gemacht werden. Als portugiesischer Generalkonsul in Bordeaux konnte der „Portugiesische Schindler“ 30 000 Verfolgte durch die Ausgabe von portugiesischen Visa vor den Nazi-Schergen retten, darunter auch Mitglieder der Großherzoglichen Familie. 10 000 der Geretteten waren Juden, weshalb er einer der Ersten war, die von der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern anerkannt wurde.

500 der geretteten Juden waren Luxemburger, die von einem deutschen Wehrmachtsoffizier, Baron Franz von Hoiningen-Huene (1888-1973), als Leiter der Luxemburger Passierscheinstelle, Ausreisegenehmigungen erhalten hatten. Die Rolle dieses „Edelmannes mit edlem Charakter“, der auch Verbindungen zum Widerstand des 20. Juli 1944 hatte, ist zurzeit in Luxemburg Gegenstand intensiver historischer Forschungen.

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