Kostenloser Nahverkehr Das Großherzogtum feiert die „Kirsche auf dem Kuchen“

Luxemburg · Mit dem kostenlosen Nahverkehr, den Luxemburg diesen Samstag einläutet, beschreitet die Regierung Neuland. Ein Signal auch an die Nachbarn, sagt ein Experte.

Das Projekt sorgt für Aufmerksamkeit. Luxemburg ist das erste Land auf der Welt, in dem der komplette Nahverkehr kostenlos ist. Zur Präsentation des Vorhabens im Depot der hauptstädtischen Tram am Rande des Messegeländes auf dem Luxemburger Kirchberg sind fast 100 Journalisten gekommen, aus aller Welt. Der luxemburgische Verkehrsminister François Bausch genießt das Interesse, dass das vor fast eineinhalb Jahren beschlossene Projekt der Regierung aus Liberalen, Grünen und Sozialisten hervorruft. Auch wenn ausgerechnet der Grünen-Politiker nicht von Anfang ein Befürworter des kostenlosen Nahverkehrs war. Daher spricht er bei jeder Gelegenheit davon, dass das Ganze nur die „Kirsche auf dem Kuchen“ sei. Der Kuchen wird aber erst noch gebacken.

Und das bemerken vor allem die Bewohner der Hauptstadt. Seit Monaten sorgen die Baustellen für die Fortführung der Tram bis zum Hauptbahnhof für Chaos auf den Straßen, auch andernorts gibt es Staus und Stress. Wäre es nach Bausch gegangen, wäre der Nahverkehr erst kostenlos geworden, wenn das Angebot ausgebaut ist. Doch Premierminister Xavier Bettel bestand auf das Projekt.

Mittlerweile hat sich Bausch damit auch angefreundet. Weil weltweit darüber geredet werde, sei es einfacher, auch die Verkehrswende umzusetzen, sagt er. Und die kostenlose Nutzung von Bussen und Bahnen, die an diesem Samstag mit einem großen Festival gefeiert werden soll, betrachtet der Grünen-Politiker auch als Geschenk an die Luxemburger – die wohl noch einige Jahre die Baustellen ertragen müssen.

Der Minister geht nicht davon aus, dass nun von einem Tag auf den anderen alle Luxemburger ihre Autos stehen lassen und auf Busse und Bahn umsteigen. Bis 2025 werde die Nachfrage aber um bis zu 20 Prozent steigen. Luxemburg ist ein Autofahrerland. Auch der bisher schon äußerst preisgünstige, weil hoch subventionierte Nahverkehr hat nicht dazu geführt, dass die Straßen im Großherzogtum leerer wurden. Im Gegenteil. „Wir brauchen eine Verkehrswende“, sagt Bausch.

Das sieht auch der ehemalige Trierer Verkehrswissenschaftler Heiner Monheim so. Im Gegensatz zu Bausch glaubt er aber, dass die Nachfrage nach ÖPNV in Luxemburg nun deutlich ansteigen wird. Allerdings sei ein solches Projekt in einem überschaubaren Land wie dem Großherzogtum mit einem landesweit einheitlichen Tarif vergleichsweise einfach umzusetzen. In Deutschland ginge das allenfalls in einzelnen Städten. Trotzdem gehe von Luxemburg ein Signal aus. Auch hierzulande müssten die Tarife für Bus und Bahn einfacher und günstiger werden. Er wirbt für 365-Euro-Tickets.

Auch Luxemburgs Bürgermeisterin Lydie Polfer ist überzeugt, dass der kostenlose Nahverkehr dazu führen wird, dass mehr Menschen ihr Auto stehen lassen. Die Liberale war eine der Hauptinitiatoren des Projekts. „Es muss sich was ändern“, sagt Polfer, die seit 2013 Chefin der Hauptstadt ist. Und dort sind die Verkehrsprobleme des Landes wie kaum woanders spürbar. 16 Millionen Euro lässt sich allein die Hauptstadt den kostenlosen Nahverkehr kosten.

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