Das Ende des Staatskatholizismus

Luxemburg · Ein im Januar unterzeichneter Grundlagenvertrag soll die enge Verbindung zwischen Kirche und Staat im Großherzogtum Luxemburg Schritt für Schritt auflösen. Doch was genau bedeutet das für die Kirchen im Nachbarland?

Mit der Trennung von Kirche und Staat hat das kleine Großherzogtum Luxemburg im Januar große Schlagzeilen gemacht. Für Außenstehende war es bislang nicht leicht, das monatelange Ringen zwischen der linksliberalen Regierung und dem Erzbistum nachzuvollziehen. Jetzt hat der ehemalige bischöfliche Generalvikar Erny Gillen einen Zwischenbericht vorgelegt, wie die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) berichtet.

Gillen war einer der Akteure auf kirchlicher Seite. Der frühere Professor für Theologische Ethik und Vorsitzende von Caritas Europa war seit 2011 Generalvikar. In dieser Funktion bekam er die zunehmenden Risse im System des Staatskatholizismus mit. Ein System, das 200 Jahre überdauert hatte: "Seit der napoleonischen Epoche stand die Zeit in Sachen Religion und Staat im Großherzogtum lange still", so Gillen.

Priester wurden vom Staat als "Kultusdiener" bezahlt, ebenso die Religionslehrer und pastoralen Laienmitarbeiter. Die katholische Erziehung erfolgte im verpflichtenden Religionsunterricht, und in den sogenannten "Kirchenfabriken" verwalteten Kommunen und Pfarreien die Güter der Kirche vor Ort. "Die Welt war dual und die Mehrheitsverhältnisse waren auch über die 'C'-Partei, die Christlich Soziale Volkspartei (CSV), eindeutig zugunsten der katholischen Welt", so Gillen.

Ende 2013 kam mit der sogenannten Gambia-Koalition unter der Führung der Liberalen ein neues Bündnis mit Sozialdemokraten und Grünen an die Macht, das die jahrzehntelange Dominanz der CSV von Premier Jean-Claude Juncker brach. Innerhalb der Regierungsparteien habe es offen kirchenfeindliche Kräfte gegeben und der neue Premier Xavier Bettel habe als bekennender Homosexueller mit katholischen Positionen gefremdelt.

Nach Gillens Meinung begann der Prozess der Trennung zwischen Staat und Kirche nicht erst unter der neuen Regierung. Zwar brachte diese 2014 Gesetze auf den Weg wie die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe oder eine Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Doch schon die Einführung eingetragener Partnerschaften 2004 und eine Euthanasie-Debatte 2008 zeigten laut Gillen, "dass die Luxemburger Gesellschaft und Politik sich von der Moral des katholischen Lehramtes weitgehend verabschiedet haben".

Zudem habe bereits die alte CSV-geführte Regierung Unabhängigkeit von der Kirche zeigen wollen und eine Ersetzung des Schulfachs Religion durch Werteunterricht angestrebt. Beschlossen wurde das letztlich unter der Regierung Bettel. Gillen wertet diesen Punkt als Niederlage: Zwar würden Religionslehrer vom Staat für den Werteunterricht übernommen, doch ihr Beruf sei abgeschafft.

Erfolgreicher waren die Verhandlungen aus Kirchensicht in anderen Bereichen. So gibt es keine Streichung aller staatlichen Zuwendungen, sondern immer noch eine öffentliche Sockelfinanzierung für Religionsgemeinschaften. Allerdings erhält das Erzbistum Luxemburg statt rund 23 Millionen Euro jährlich künftig sieben Millionen; der Staat zahlt Gehälter von "Kultusdienern" nur noch im Rahmen von Bestandsverträgen, und die Kirchenfabriken sollen in einem Fonds zusammengelegt werden.

Als "historische Leistung" bewertet Gillen, dass eine gemeinsame Basis für die drei großen monotheistischen Weltreligionen ausgehandelt wurde. Die Kirchen und anderen Glaubensgemeinschaften schlossen sich im "Rat der konventionierten Religionsgemeinschaften" zusammen - für Gillen ein "Königsweg" im Staat-Religionen-Verhältnis.

Die neue Gleichheit unter den Religionsgemeinschaften werde "zu einer gesellschaftlichen Entkrampfung beitragen". Gillen verweist auch darauf, dass das neue "Miteinander der drei abrahamitischen Religionen und des Luxemburger Staates" just zu der Zeit begann, als in Paris der Anschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" stattfand. Vor allem aber habe die Kirche neue missionarische und politische Freiheiten gewonnen. Sie sei nun gefordert, "sich selber von innen heraus in diese Gesellschaft und in diesen Staat als religiöse Kräfte und für den sozialen Zusammenhalt einzubringen", so Gillen.

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