Feuerwehrleute berichten U-Ausschuss zur Flutnacht an der Ahr: „Aus allen Rohren schoss das Wasser“

Feuerwehrleute und Bürgermeister aus der Verbandsgemeinde Adenau berichten im Untersuchungsausschuss von der Flutnacht mit 134 Toten. Der Ausschussvorsitzende Haller spricht von einer „absoluten, emotionalen Ausnahmesituation“.

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Hochwasser-Katastrophe in Bildern: Wie die Flut Rheinland-Pfalz traf

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„Als wenn einer die Schleusen aufgezogen hätte“: So beschreibt im Untersuchungsausschuss der Insuler Bürgermeister Ewald Neiß die Flutkatastrophe in seinem Ahr-Ort. „Aus allen Rohren schoss das Wasser“, sagte der 75-Jährige am Freitag im Mainzer Landtag. Riesige zischende Gastanks seien auf Bäume zugeschossen und hätten diese wie Streichhölzer umgeknickt. Mit einem lauten Knall habe sich das Wasser unter den Beton einer neuen Halle gedrückt und sie mitsamt des Inhalts weggerissen. Ein angeschwommenes Haus sei an Bäumen zerschellt.

Besonders dramatisch schilderten mehrere Zeugen die Lage auf dem Campingplatz Stahlhütte in Dorsel. Deutlich machten sie auch: Die Nebenflüsse und Verklausungen (Verschlüsse etwa durch Treibgut) an den Brücken haben aus ihrer Sicht zur zerstörerischen Macht der Flutwelle erheblich beigetragen.

Das Wasser auf dem Campingplatz Stahlhütte sei rasend schnell gekommen, berichtete der ehrenamtliche Wehrführer aus Barweiler, Torsten Möseler. Die Evakuierung habe sich aber auch verzögert, weil der Besitzer sich zunächst geweigert habe, berichteten mehrere Zeugen der Feuerwehr. Fünf bis sechs Menschen und ein Feuerwehr-Mann seien mit einem Hubschrauber vom Campingplatz gerettet worden, andere Menschen aber in den Wassermassen verschwunden, sagte Möseler.

Zunächst sei auch nicht klar gewesen, wie viele Menschen dauerhaft auf dem Campingplatz gelebt hatten, sagte der Wehrleiter der Verbandsgemeinde Adenau, Dieter Merten. So sei eine Feuerwehrfrau zusammen mit einer bettlägerige Frau in einem Wohncontainer weggeschwemmt worden - vor den Augen ihrer Kameraden.

In Schuld habe es auch deshalb keine Toten gegeben, weil die dortige Campingplatzbesitzerin alle frühzeitig gewarnt habe, sagte Ortsbürgermeister Helmut Lussi (CDU). Mit einem solchen Hochwasser habe niemand rechnen können, die Leute hätten daher auch nicht ihre Häuser verlassen, wenn sie gewarnt worden wären. „Das Rinnsal ist zu einem reißenden Fluss geworden.“

„Verklausungen waren erstmal nicht zu erahnen. Alle Brücken waren frei“, sagte Verbandsbürgermeister Guido Nisius. Allerdings hätten die Ortsbürgermeister der Verbandsgemeinde irgendwann vor dem Unwetter Totholz aus dem Uferbereich entfernen wollen, die Naturschutzbehörde habe dies aber untersagt. „Das Gewässer wird im Prinzip nicht gepflegt“, sagte der Bürgermeister des Dorfs Müsch, Udo Adriany.

Wimbach, Trierbach und Lückenbach: Die Nebenflüsse der Ahr - so schilderten es die Zeugen - spielten bei der Flutwelle eine entscheidende Rolle. „Am frühen Abend waren wir von der Außenwelt abgeschnitten“, berichtete der ehrenamtliche Feuerwehrleiter Ralf Prämaßing aus Müsch, wo der Trierbach in die Ahr fließt. An der Brücke hätten sich in einer „riesigen weißen Wand“ Campingwagen gestaut, bis diese geborsten sei, sagte Bürgermeister Adriany. „So Wassermassen konnte sich keiner vorstellen.“ Die Alarmketten entlang der Ahr bis nach Sinzig seien zudem offensichtlich „suboptimal“ gewesen.

Möglicherweise müssten die Ortsbürgermeister stärker über Rückhaltebereiche für diese kleinen Flüsse nachdenken, sagte Neiß. „Das große Problem war bei uns nicht so sehr die Ahr, sondern die Nebenbäche“, berichtete auch der Verbandsbürgermeister Nisius. Und: „Es kam sehr viel Wasser von den Hängen herunter, wo normalerweise kein Tropfen fließt.“ Das Ausmaß der Flutkatastrophe sei ihm erst am Tag danach klar geworden. „Am anderen Morgen zeichnete sich das so langsam ab“, sagte der CDU-Politiker. „Für uns war in keinster Weise absehbar, dass es ein solches Ausmaß annehmen wird.“

„Es hat Warnungen gegeben, aber immer nur vor Starkregen“, sagte Wehrleiter Merten. „Auf eine Katastrophe dieser Art ist nie hingewiesen worden.“

„Die Katastrophe ist erst greifbar geworden, als ich Panzer zur Rettung von Menschenleben angefordert habe und dies auch bewilligt wurde“, sagte der Chef der Feuerwehr aus Schuld, Tobias Lussi. Dies sei am 14. Juli nach 22 Uhr gewesen. Da habe das Wasser in Schuld acht Meter hoch gestanden und sei mit einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde geflossen. Lkw und Überseecontainer seien angeschwemmt worden. Mit Hilfe der „wie durch ein Wunder“ anwesenden Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) habe die Feuerwehr viele Menschen von Booten aus retten können - einige von ihnen hätten ihre Häuser zuvor trotz der vorangegangenen Warnungen nicht verlassen.

 Ein von der Flut völlig zerstörtes Haus steht am Ufer der Ahr in Insul (Archivfoto): Die Flutnacht wird in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet.

Ein von der Flut völlig zerstörtes Haus steht am Ufer der Ahr in Insul (Archivfoto): Die Flutnacht wird in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet.

Foto: dpa/Boris Roessler

Feuerwehrführer Ottmar Ley aus Dümpelfeld war mit seiner Tochter im Auto eingeschlossen. Erst als das Wasser im Wagen so hoch stand wie draußen - über dem Bauchnabel - ließen sich die Türen wieder öffnen und sie konnten aussteigen, wie der 63-Jährige berichtete.

(dpa)
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