Tat in Idar-Oberstein Tödlicher Schuss auf Tankstellen-Mitarbeiter: Streit um Schuldfähigkeit des Angeklagten vor Gericht

Update | Bad Kreuznach · Ist der Angeklagte schuldfähig? Gegensätzliche Ansichten dazu bestimmen den Mordprozess. Die Verteidigung fordert ein weiteres psychiatrisches Gutachten. Die Staatsanwaltschaft spricht dagegen von „Prozessverschleppung“.

Tödlicher Schuss in Tankstelle Idar-Oberstein: Streit um Schuldfähigkeit des Angeklagten
Foto: dpa/Boris Roessler

Der Prozess um den tödlichen Schuss auf einen Tankstellen-Mitarbeiter im Streit um die Corona-Maskenpflicht ist am Montag mit einer Auseinandersetzung um ein psychiatrisches Gutachten und die Schuldfähigkeit des Angeklagten fortgesetzt worden. Das Landgericht Bad Kreuznach wies zunächst den Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen den psychiatrischen Gutachter zurück. Der Gutachter hatte dem 50 Jahre alten Angeklagten trotz dessen Alkoholisierung bei der Tat eine volle Schuldfähigkeit attestiert.

Der Befangenheitsantrag sei unbegründet, die Verteidigung habe darin Aussagen des Sachverständigen verkürzt wiedergegeben, erklärte das Gericht. Es sei keine Voreingenommenheit des Experten feststellbar.

Die Verteidigung beantragte anschließend, ein weiteres Sachverständigengutachten zur Schuldfähigkeit einzuholen - und schlug dafür eine Expertin aus München vor. Dem bisherigen Gutachter warf der Verteidiger in der Begründung des Antrags „mangelnde Sachkunde“ und Voreingenommenheit vor.

Dies wies die Schwurgerichtskammer nach mehrstündigen Beratungen zurück. Bei dem Sachverständigen handele es sich um einen sehr erfahrenen und dem Gericht gut bekannten forensischen Psychiater, dagegen habe die von der Verteidigung vorgeschlagene Expertin lediglich Erfahrungen im klinischen Bereich, erklärte die Vorsitzende Richterin.

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Der Angeklagte hatte am 18. September 2021 an einer Tankstelle in Idar-Oberstein (Landkreis Birkenfeld) laut Anklage und eigenen Angaben einen Kassierer erschossen. Ihm wird Mord vorgeworfen. Die Tat hatte bundesweit für Aufsehen und Entsetzen gesorgt. Vor Gericht hatte der 50-jährige Deutsche den tödlichen Schuss auf den 20-Jährigen eingeräumt und gesagt, er könne sich die Tat bis heute nicht erklären.

Nach Ansicht der Verteidigung war in dem bisherigen Gutachten nicht hinreichend berücksichtigt worden, wie sich der Suizid des Vaters des Angeklagten rund eineinhalb Jahre vor der Tat auf dessen Steuerungsfähigkeit und eine mögliche Anpassungsstörung ausgewirkt habe. Der Vater hatte bei seiner Selbsttötung auch auf die Mutter des Angeklagten geschossen und sie dabei schwer verletzt. Der Angeklagte konnte seine Mutter nach eigener Aussage wegen der Corona-Auflagen nicht im Krankenhaus besuchen.

Das Gericht dagegen entschied, dass der Sachverständige in seinem Gutachten explizit auf die psychischen Auswirkungen des Tods des Vaters und der anderen genannten Umstände auf den Angeklagten eingegangen sei. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft erklärt, das Gutachten sei offenkundig nicht zu dem von der Verteidigung gewünschten Ergebnis gekommen, was aber nichts an dessen Qualität ändere. Das beantragte zusätzliche Gutachten bringe das Verfahren nicht weiter und „dient nur der Prozessverschleppung“, sagte sie. Der Verteidiger wies diesen Vorwurf als „an den Haaren herbeigezogen“ zurück.

Mit der Zurückweisung des Antrags auf ein neues Gutachten schloss das Gericht die Beweisaufnahme ab. Der Prozess soll am 5. September mit den Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage fortgesetzt werden.

(dpa)
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