Zwei Polizisten erschossen Nach Bluttat in Kusel: Erste Festnahme nach Mordaufruf gegen Polizisten

Mainz/Kusel/Saarbrücken · Jubel für die Täter, Häme den erschossenen Polizisten und deren Familien gegenüber: Das charakterisierte einige Kommentare, die direkt nach der schrecklichen Tat von Kusel im Netzwerken des Internets kursierten. Jetzt hat eine eigens eingerichtete Ermittlungsgruppe erste Ergebnisse präsentiert.

Trauerbekundungen nach den tödlichen Schüssen auf zwei saarländische Polizisten – allerdings folgten direkt nach der Tat auch Hasskommentare im Netz, die den Tod und die Täter bejubelten.

Trauerbekundungen nach den tödlichen Schüssen auf zwei saarländische Polizisten – allerdings folgten direkt nach der Tat auch Hasskommentare im Netz, die den Tod und die Täter bejubelten.

Foto: AP/Michael Probst

Die Äußerungen waren verstörend: Internetnutzer reagieren mit Schadenfreude auf den gewaltsamen Tod zweier junger Polizisten (29/24) aus dem Saarland nahe der rheinland-pfälzischen Stadt Kusel. „Tja, selber Schuld“ sendet ein Nutzer über den Nachrichtendienst Telegram und begründet den Kommentar mit dem Einsatz der Polizei bei den so genannten Spaziergängen der Impfgegner. Denn statt Menschen zu beschützen, gingen sie gegen die Demonstranten vor. „Zwei weniger bei den Spaziergängen“, lässt er wissen. Weiter geht ein anderer Schreiber, der ein Spendenkonto für die Täter einrichten will.  

Diese und andere diffamierenden Äußerungen hat das Landeskriminalamt (LKA) in Mainz zum Anlass genommen, umgehend die Ermittlungsgruppe Hate Speech (Hasskommentare) mit 14 Beamten ins Leben zu rufen. Unter der Leitung der Koblenzer Staatsanwaltschaft präsentierte sie am Montag, 7. Februar, erste Ergebnisse dieser noch nicht einmal seit einer Woche arbeitenden Einheit.  

„Geil, jetzt sind wir wieder zwei Bullen weniger in Deutschland“

  • „Skrupellos getötet, um Jagdwilderei zu vertuschen“ – so führte  Innenminister Roger Lewentz (SPD) in die Pressekonferenz ein. Es habe ihn sehr bewegt, wie viel Menschen Anteilnahme zeigten.
  • Allerdings kamen erste Hinweise bei der Kripo an, wie Menschen die Tat „regelrecht feiern“. „Geil, jetzt sind wir wieder zwei Bullen weniger in Deutschland“ war ein Beispiel, das er nannte. Lewentz sprach von menschenverachtenden Kommentaren.
  • Es soll ein Video gegeben haben, indem ein Vermummter aufrief, Polizisten in den Wald zu locken und zu erschießen. Dieses Video sei am Donnerstag aufgetaucht. Solche „Enthemmungen lassen wir nicht zu“, sagte der Minister. Dabei habe der Verdächtige zusätzlich ein Geschäft gewittert: 500 Euro habe er pro Teilnehmer haben wollen.
  • Virtuelle Enthemmungen können seiner Ansicht zu realer Gewalt auf der Straße werden. Darum sei die Ermittlungsgruppe unmittelbar nach der Kuseler Tat eingerichtet worden. Diese „Verhöhnungen“ werde der Staat nicht durchgehen lassen. Deswegen sei bis einschließlich Sonntag zielgerichtet nach solchen Interneteinträgen gesucht worden. 
  • Es gebe eine enge Zusammenarbeit der Strafverfolgung mit der Justiz. Seit 1. Februar seien so 399 Fälle von Hass und Häme bekannt geworden. 102 davon seien strafrechtlich relevant, in 15 Fällen wurden Verantwortliche ermittelt

„Und das ist der Grund, warum man Euch in den Kopf schießen sollte“

Noch in der Nacht zu Freitag wurde der Mann ausfindig gemacht, der das Video zur Jagd auf Polizisten ins Netz gestellt hatte. Im Fachjargon: Cophunting.  „Und das ist der Grund, warum man Euch in den Kopf schießen sollte“, sagte er bei seiner Festnahme den Beamten des Spezialeinheitskommandos. Der Tatverdächtige stamme aus der Nähe von Idar-Oberstein im ans Saarland grenzenden Landkreis Birkenfeld.

Allein einem Autor von Hasskommentaren seien 35 Einträge zugeordnet worden, berichtete LKA-Präsident Johannes Kunz. Dabei machten Internet-Spezialisten bei Nutzern verschiedene Namen ausfindig, unter denen sie sich angemeldet und agiert haben sollen. Die Aufklärung sei in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt (BKA) geschehen. Es habe über die 14 Kollegen hinaus zeitweise noch mehr Beamte gegeben, die bei Facebook, Instagram, Telegram und Twitter fahndeten. Weiterhin habe es Hinweise aus der Bevölkerung gegeben.

Seit Sommer 2021 werde verstärkt gegen Hasskommentare ermittelt, ergänzte Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer. Die jüngste Ermittlungsgruppe forsche nach entsprechenden Einträgen im Internet und reiche sie weiter an die Staatsanwaltschaft.

Dabei gehe es um die Billigung von Tötungsdelikten. Das würden die Verfasser mit „Entmenschlichung“ verbinden. Unter anderem werden Polizisten als Bullen tituliert. Oder es heiße: „Das ist ja mal ein guter Wochenanfang.“ Das Strafmaß sieht bis zu drei Jahre Haft vor. Wer solche Einträge teile und unterstütze, falle ebenfalls unter diesen Tatbestand.

Auch persönlich verunglimpft würden die Opfer als „Söldner-Gesocks“ bezeichnet. zudem wünschten Verfasser den Angehörigen ein „schmerzliches Jahr“. Hier droht ebenfalls eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. Bei Volksverhetzung gehe es bis zu fünf Jahre.

Bereits vor der Pressekonferenz hatte der rheinland-pfälzische Innenminister Lewentz die Interneteinträge als „abscheulich“ und „an Niederträchtigkeit kaum zu übertreffen“ bewertet.

Hintergrund: Die beiden Polizisten waren am Montag, 31. Januar, gegen 4.20 Uhr, nahe Kusel mit Schüssen umgebracht worden. Im Verdacht stehen zwei Männer aus dem Saarland. Hauptverdächtiger ist Andreas S. (38) aus Sulzbach. Er und sein mutmaßlicher Komplize (32) sitzen in Untersuchungshaft. Die Ermittler gehen bislang davon aus, dass sie mit ihrer gemeinschaftlichen Tag  womöglich Wilderei vertuschen wollten. In dem Wagen vom Tatort entdeckten die Fahnder Kadaver von erlegten Wildtieren.

Dem 38-Jährigen war die Erlaubnis, Waffen zu führen, bereits 2008 und 2020 wegen Unzuverlässigkeit vom Jagdverband entzogen worden. Damit hätte er auch keine Waffen mehr besitzen dürfen. Die Ermittler machten aber bei einer Hausdurchsuchung ein ganzes Arsenal an Schusswaffen ausfindig. Andreas S. war offensichtlich auch Sportschütze. Denn er heimste beim lokalen Schützenverein Preise ein. Bekannte berichten von Zielsicherheit.

Unterdessen berichten Zeugen von Gewaltbereitschaft des Mannes. So habe er als Inhaber einer Bäckereikette Mitarbeiter bedroht. Es sollen auch schon Schüsse gefallen sein.  

Die beiden Polizisten in Kusel waren an der Unglücksstelle gestorben.

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