Erstaunliche Covid-Studie 40 Prozent wissen nichts von ihrer Corona-Infektion

Mainz · Mehr als 40 Prozent aller mit dem Coronavirus Infizierten wissen nach einer Studie der Universitätsmedizin Mainz nichts von ihrer Infektion.

Eine Mitarbeiterin eines Labors hält eine Corona-Probe in den Händen.

Eine Mitarbeiterin eines Labors hält eine Corona-Probe in den Händen.

Foto: dpa/Andreas Arnold

„Zu zehn Personen, die wissentlich infiziert sind, müssen rund acht Personen hinzugerechnet werden, die unwissentlich infiziert sind“, sagte der Koordinator der Gutenberg Covid-19-Studie, Philipp Wild, am Mittwoch in Mainz.

Männer (44,2 Prozent) seien im Vergleich zu Frauen (40,6 Prozent) häufiger unwissentlich mit Sars-CoV-2 infiziert, ebenso ältere Menschen. Den höchsten Anteil machten die Forscher bei den 75- bis 88-Jährigen (63 Prozent) aus. Bei den 25- bis 34-Jährigen war es dagegen nur gut jeder Dritte, der seine Infektion nicht bemerkt habe.

Die Studie gehe davon aus, dass sich von Oktober 2020 bis Anfang Juli 2021 rund 6,3 Prozent mit dem Coronavirus infiziert haben, sagte Wild. Das Robert Koch-Institut hat in dem gesamten Pandemiezeitraum seit Ende Januar 2020 bis einschließlich Dienstag bundesweit bei rund 4,5 Prozent der Menschen bestätigte Sars-CoV-2-Infektionen registriert.

„Die Einhaltungen der Schutzmaßnahmen wirken, am stärksten das Abstandsverhalten, aber auch der Mund-Nasen-Schutz und das Homeoffice“, sagte Wild. Dies hätten die Befragungen der für Mainz und den angrenzenden Kreis Mainz-Bingen repräsentativen Ergebnisse ergeben. Die, die regelmäßig einen Mund-Nasen-Schutz trugen, hätten ein um 34 Prozent niedrigeres Risiko für eine Infektion gehabt als die, die ihn nie oder nur selten trugen. Berufstätige, die ausschließlich im Home-Office arbeiteten, hätten ein um rund 31 Prozent niedrigeres Infektionsrisiko gezeigt.

Die Forscher fanden zudem keine Anzeichen dafür, dass Kinder Treiber der Corona-Infektion sind. Es komme vielmehr auf die Gesamtzahl der Menschen in einem Haushalt an. Der Anteil einer Sars-CoV-2-Infektion in Haushalten mit vier oder mehr Menschen war demnach um etwa 30 Prozent höher als der in Zwei-Personen-Haushalten.

Eine besonders schutzbedürftige Gruppe seien Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status - der auf der Basis des Haushaltsnettoeinkommens sowie der schulischen und beruflichen Bildung ermittelt wurde. Diese Menschen hätten aufgrund ihrer Lebensverhältnisse - nicht ihres Verhaltens - ein höheres Infektionsrisiko, berichtete Wild.

Vor allem prekäre Wohnverhältnisse seien der Grund. Das sind nach der Definition weniger als neun Quadratmeter pro Person oder Haushalte, die mehr als 50 Prozent ihres Einkommens für Wohnkosten ausgeben. „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Personen, die in prekären Wohnverhältnissen leben, sich weniger an Präventionsmaßnahmen halten.“

Zudem sei die Impfbereitschaft in dieser Gesellschaftsgruppe niedriger. Diese Menschen seien zugleich besonders stark durch Einkommenseinbußen in der Pandemie betroffen. Das durchschnittliche Nettoeinkommen sei bei rund 16 Prozent der Bevölkerung gesunken und habe die Einkommensgruppen unterhalb des Medians von derzeit 1790 Euro im Monat finanziell am stärksten getroffen.

Die Ergebnisse der Erhebungen zu Sport, Alkoholkonsum und Vereinsamung während der Corona-Krise stehen noch aus. „Die Pandemie hat Extreme geschaffen“, nahm Wild vorweg. So hätten viele weniger Sport gemacht, aber mehr Alkohol getrunken und sich einsamer gefühlt. Gleichzeitig hätten aber auch viele mehr Sport gemacht, sich gesünder ernährt und seien als Familie zusammengerückt.

An der Studie haben von Oktober 2020 bis Ende Juni 2021 rund 10 520 Menschen im Alter von 25 bis 88 Jahren teilgenommen. Die Studie, die bisher nicht in einem Fachmagazin veröffentlicht wurde, baut auf der bereits 2007 begonnenen Gutenberg-Gesundheitsstudie mit 15 000 Menschen auf. Daten zu Vorerkrankungen, Risikofaktoren, psychosozialen Faktoren, Lebensstil- und Umweltfragen lagen daher vor.

Basis der Covid-19-Studie waren PCR- und Antikörper-Tests sowie selbstberichtete oder im Studienzentrum nach WHO-Standard gemachte Tests. Bei den Antikörper-Messungen der Infektionen habe sich die Nutzung eines Tests als nicht ausreichend erwiesen, sagte Wild. „Der Großteil hatte nicht beide Antikörper, sondern nur einen.“ So seien durch die Verwendung eines weiteren Antikörpertests rund 23 Prozent zusätzliche Proben als positiv identifiziert worden.

Zu den Tests sowie medizinischen Eingangs- und Verlaufsuntersuchungen kamen ein wöchentliches Monitoring per App, sowie Fragebögen und Computer-assistierte Interviews.

(dpa)
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