Mainzer Uni-Klinik Notfall-Hilfe für kaputte Lieblinge

Mainz · Ärzte wuseln durch die Gegend, überall Schwerverletzte. Chaos: Der OP der Teddy-Station ist voll mit Schaulustigen. Im Zimmer nebenan liegt die schwer verletzte Katzi. Nicht nur ihr Schicksal ist noch ungewiss. Besuch in einer Teddy-Klinik.

 Der geliebte Teddy sieht zwar lädiert aus, scheint aber wohlauf zu sein. Ein Medizinstudent mit dem vierjährigen Maximilian in der Teddy-Klinik.

Der geliebte Teddy sieht zwar lädiert aus, scheint aber wohlauf zu sein. Ein Medizinstudent mit dem vierjährigen Maximilian in der Teddy-Klinik.

Foto: dpa/Z1005 Waltraud Grubitzsch

Kopf, Arm und Fuß sind gebrochen. Der zarte, grau-gestreifte Plüsch-Körper ist übersät mit buntem Verbandsmaterial. Kaum ist eine Wunde versorgt, taucht eine weitere Verletzung auf. Sie habe eine Schnittverletzung, Nadeln und Splitter an Arm und Beinen, sagt die junge Besitzerin Katharina. Das Mädchen wirkt unsicher, als das kleine Stofftier verbunden werden soll, murmelt kaum verständlich vor sich hin. „Doch, das kannst du!“ Die behandelnde Teddy-Ärztin Helanin versucht, das Mädchen zu ermutigen. Als dann das Pflaster auf die Wunde der Patientin geklebt ist, greift die Fünfjährige eifrig zum Schwanz der Katze und meldet inbrünstig weiteren Bedarf an: „Und die hat das noch!“

Die nur an wenigen Tagen im Jahr geöffnete Teddy-Station im Mainzer Uniklinikum ist voll. Menschen in Kitteln wuseln durch die Gegend. Sie versuchen sich zu verständigen, doch ihre Stimmen gehen im Lärm unter. Überall sind schwer verletzte Hasen, Robben, Dinos, Teddys und auch eine Muppet-Figur Elmo, die es schlimm am Arm erwischt hat.

Im OP wird laut das Schlaflied „LaLeLu“ angestimmt, um einen kranken Teddy in die Narkose zu singen. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich, denn heute werden alle überleben oder wieder auferstehen. Die Universitätsmedizin in Mainz hat zum 20. Mal die Teddyklinik geöffnet.

Kindergartenkinder sind mit ihren Kuscheltieren in die Klinik gekommen, um abgerissene Arme oder Beine anzunähen, Verletzungen zu versorgen, gebrochene Gliedmaßen zu röntgen. Auch ein Besuch im Krankenwagen ist möglich. Studierende der Human- und Zahnmedizin sowie Kinderkrankenpflegeschüler der Universitätsmedizin Mainz führen die Kinder durch die Räume und schlüpfen in die Rolle von Teddydoktoren. Mit bis zu 1600 Kuscheltier-Behandlungen rechnen sie in den drei Öffnungstagen.

Ziel der Aktion ist es, den Kindern die Angst vor dem Arzt und Krankenhäusern zu nehmen. Sie sollen verstehen, was im Krankenhaus passiert, „damit einfach die Angst nachlässt“, erklärt Organisatorin und Teddy-Chirurgin Julia Mildenberger. In einer OP-Show operiert sie zusammen mit einem Kinderchirurgen und rund zehn kleinen Assistenzärzten den Kuschelbären Benni. Der Teddy hat Bauchweh.

Perfekt ausgerüstet mit Mundschutz und OP-Haube drängen sich die kleinen Assistenzärzte um den armen kranken Teddy. Hier und da hängt eine Haube im Gesicht oder der Mundschutz versperrt fast die Sicht - doch die lassen sie sich nicht nehmen. „Ich, ich, ich“, rufen sie von allen Seiten und recken die Finger. Frau Teddy-Doktorin Mildenberger braucht bei jedem Schritt ihre Hilfe. Abwechselnd dürfen sie Benni beatmen, spritzen oder abtupfen.

Dann ist es soweit: Der Bauch ist offen, Benni hat ein Päckchen Gummibärchen mit Verpackung gegessen. Das tut weh, da sind sich alle einig. „Du, Herr Chirurg, was ist denn das Blaue da?“ Im Bauch des Bären gibt es noch mehr zu sehen. Die Kinder entdecken die blaue Lunge. Dann passiert es. Schock. Das hätte das Ende von Benni sein können. Die operierende Assistenzärztin Marie hat ihm aus Versehen das komplette Herz entfernt. Doch Benni überlebt seine OP am offenen Herzen und hat den Kindern einiges beibringen können. Jetzt muss er nur noch zugenäht werden. „Was braucht man denn, um das wieder zuzunähen?“ Eine Nähmaschine natürlich, ruft ein Kind. Doch bei Benni reicht es auch, den Reißverschluss am Bauch wieder zuzuziehen.

Nebenan liegen, umgeben von Verbandsmaterial, Spritzen und Pflastern die Tiere dicht gedrängt auf den Behandlungstischen. Die meisten haben eine dicke Wunde am Kopf. Auch Elmo, das Plüschtier des vierjährigen Milian hat es schwer erwischt. Sein Arm hat einen dicken grünen Verband mit Fußbällen und natürlich auch ein schwarzes Totenkopf-Pflaster, doch ihm scheint es gut zu gehen. Elmo und Milian müssen jetzt nur noch in die Apotheke. Es gibt eine „Gute Laune Spritze“, Süßigkeiten, ein Malbuch, aber natürlich auch Vitamine in Form von Äpfeln oder Karotten.

Bei Katharina und ihrer Teddy-Doktorin Helanin geht es mit der frisch versorgten Katzi zum Röntgen – mal sehen, welche Verletzungen die Fünfjährige noch entdeckt. Am Anfang sei das Mädchen noch ein bisschen zurückhaltender gewesen, erzählt die behandelnde Katzen-Ärztin und Studentin Helanin. Man müsse ihnen nur erklären, „dass das auch wichtig ist, mal ‚ne kleine Spritze zu bekommen.“ Denn manchmal wird das Kuscheltier und auch der Mensch nur so wieder gesund. Wenn die Kinder das verstanden haben, dann wollen sie das auch selbst ausprobieren. Wenn es nach der fünfjährigen Katharina geht, auch gar nicht mehr aufhören. Sie habe noch nie Angst vor dem Krankenhaus gehabt und jetzt erst recht nicht mehr. Stattdessen hat sie eine neue Wunde an der kleinen Kuschelkatze entdeckt. Sie muss schnell in die Zahnklinik, da ist nämlich ein bisschen Blut am Zahn.

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