Interview mit Iris Berben „Ich verstehe Wut, aber keinen Hass“

Zweibrücken · Iris Berben liest am Samstag in Zweibrücken Gedichte eines NS-Opfers. Ein politisches Statement.

 Schauspielerin Iris Berben engagiert sich seit vielen Jahren politisch, auch gegen Antisemitismus. Nun kommt sie nach Zweibrücken.

Schauspielerin Iris Berben engagiert sich seit vielen Jahren politisch, auch gegen Antisemitismus. Nun kommt sie nach Zweibrücken.

Foto: picture alliance / dpa/Britta Pedersen

Am Samstag besucht ein echter deutscher Star die Stadt Zweibrücken: Schauspielerin Iris Berben wird in der Festhalle Gedichte der von den Nazis ermordeten Selma Meerbaum-Eisinger lesen, Star-Pianist Martin Stadtfeld leistet dazu den musikalischen Beitrag. Die 67 Jahre alte Schauspielerin ist außerdem derzeit in den Kinos mit der Komödie „High Society“ zu sehen.

Frau Berben, engagieren Sie sich eigentlich noch politisch?

BERBEN Ja, wir leben ja in einer Zeit, in der man damit nicht aufhören kann, oder? Ich engagiere mich nach wie vor für Politik.

Kommen wir zu Ihrem neuen Kinofilm. Gehören Sie zur „High Society“?

BERBEN Nein. Meine Wahrnehmung von High Society kommt aus den 70er und 80er Jahren in München. Die ist ja auch von Helmut Dietl (Regisseur von Filmen wie „Rossini“, Anm. der Red.) persifliert worden. Die High Society, wie sie mal existierte, sehe ich heute nicht mehr. Heute ist es mehr eine große Ansammlung von Menschen, die das Bedürfnis haben, medial vorzukommen. Diese Mischung, die es mal gab, auch mit all den Künstlern, als ganz eigene soziale Schicht – die gibt es heute nicht mehr. Es ist heute eine große Bling-Bling-Selbstdarstellung.

Jetzt zu dem Abend, den Sie zusammen mit Martin Stadtfeld in Zweibrücken bestreiten…

BERBEN Ein wunderbarer Pianist!

Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

BERBEN Ich war in einigen seiner Konzerte. Als es darum ging, dass ein neues Programm mit mir erarbeitet wird, stand er als ein großer Wunschpartner auf der Liste. Die Anfrage ging an ihn, und, womit ich gar nicht gerechnet hatte, er hat die Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger gelesen, und es kam ein promptes Ja. Das hat mich natürlich mehr als glücklich gemacht. Denn abgesehen von seiner Leistung, die er als Pianist einbringt, ist es ja ein Statement, eine Haltung, solch einen Abend zu bestreiten. Natürlich sind die Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger gewählt worden, um durch ihre Lyrik gegen das Vergessen zu arbeiten. Das bedeutet, dass Martin Stadtfeld eine klare Haltung zu dieser Thematik hat. Das tut gut. Das ist wie „Komplizen suchen und Komplizen kriegen“ für ein Thema, das ich ja jetzt seit über vier Jahrzehnten immer wieder auf unterschiedliche Weise versuche zu bearbeiten.

In der Tat haben Sie sich sehr viel mit dem Judentum beschäftigt – wie sehen Sie heute die Gefahr des Antisemitismus in Deutschland?

BERBEN Wir haben seit einigen Jahren mit sehr viel Herausforderungen zu tun. Es geht um Migration, um die Flüchtlinge, es geht darum, dass sich eine Partei wie die AfD etablieren konnte mit einem großen Zulauf. Ich weiß, dass es diese Themen weltweit gibt, aber wir haben eine eigene Geschichte und Antisemitismus ist kein Thema, das irgendwann erledigt wird. Ganz im Gegenteil: Wir müssen uns mit Mechanismen auseinandersetzen, die schon mal gegriffen haben. Es werden Menschen leicht eingefangen, die verunsichert und besorgt sind. Man versucht ihnen einfache Antworten auf sehr komplexe Veränderungen zu geben. Ich verstehe Wut bei vielen Leuten, aber ich kann eben keinen Hass verstehen. Insofern ist es ganz wichtig, dass wir immer wieder eine Haltung zeigen, dass wir uns stark machen und den anderen nicht das Terrain überlassen. Unsere Gesellschaft ist eine sehr starke Gesellschaft und unsere Demokratie ist sehr, sehr stark. Aber sie muss immer wieder eingefordert werden, immer wieder als ein hohes Gut erklärt werden. Die Politik, die sich von den Menschen entfernt hat, muss wieder Wege finden, an den Menschen dranzubleiben, ihnen erklären, dass wir in einer großen Veränderung stecken, dass wir rausmüssen aus unseren Komfortzonen. Die Arbeit, die wir zu leisten haben, ist viel und muss an jede Generation weitergegeben werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort