Er entschlüsselt unsere individuellen Merkmale

Birkenfeld · 6000 Lebensretter in 30 Jahren gefunden: Die Stefan-Morsch-Stiftung mit Sitz im rheinland-pfälzischen Birkenfeld ist die älteste Stammzellspenderdatei Deutschlands. Mehr als 27 000 Menschen haben sich 2015 typisieren lassen. Doch, was geschieht mit der Blut- oder Speichelprobe nach einer Typisierungsaktion? Das erklärte Diplom-Biologe Marco Schäfer der SZ am Tag der offenen Tür bei einem Rundgang durch die Laborräume.

 Der Biologe Marco Schäfer ist seit 2001 Laborleiter der Stefan-Morsch-Stiftung. Beim Tag der offenen Tür konnten die Besucher in den Laborräumen in Birkenfeld einen Blick hinter die Kulissen werfen und erfahren, was mit den Blutproben der Spender passiert. Foto: Frank Faber

Der Biologe Marco Schäfer ist seit 2001 Laborleiter der Stefan-Morsch-Stiftung. Beim Tag der offenen Tür konnten die Besucher in den Laborräumen in Birkenfeld einen Blick hinter die Kulissen werfen und erfahren, was mit den Blutproben der Spender passiert. Foto: Frank Faber

Foto: Frank Faber

Ein Abstrich mit einem Wattestäbchen oder ein Piks vor der Blutentnahme - das reicht schon, um sich als potenzieller Lebensretter registrieren zu lassen. Die eigentliche Typisierung, die zur Aufnahme in die Stammzellspenderdatei notwendig ist, beginnt in den Laborräumen der Birkenfelder Stefan-Morsch-Stiftung. "Entscheidend dabei sind die Humanen-Leukozyten-Antigene, kurz HLA-Merkmale", sagt der Biologe und Laborleiter Marco Schäfer. Ein Hightech-Gerät rüttelt zunächst 96 Blutproben mit Erbgut (DNA) 90 Minuten lang.

Hightech und Hexenküche

"Bei der Bestimmung der HLA von Spendern gibt es 1000 Bausteine", erklärt der Biologe. Durch die Methode der Polymerase-Kettenrektion ist das Labor in der Lage, das Erbgut zu vervielfältigen. "Man muss sich das wie eine Perlenkette vorstellen, aus der wir ein paar Stücke rausholen und davon ein paar Millionen Kopien machen", so Schäfer. Mit einem selbst hergestellten Gel macht er in der sogenannten Hexenküche unter UV-Licht das Erbgut sichtbar.

Zur exakten Untersuchung der DNA-Abschnitte schwört der Laborchef auf eine Methode namens Next Generation Sequencing (NGS). "Das Besondere daran ist die Möglichkeit, viel größere Mengen von Proben gleichzeitig zu analysieren als mit den herkömmlichen Methoden", sagt Schäfer.

96 Proben werden gleichzeitig genauestens überprüft. "Denn je besser Spender und Patient in ihren HLA-Merkmalen übereinstimmen, desto wahrscheinlicher ist der Erfolg einer Transplantation", ergänzt er. Die Werte der Spende bezeichnet er im Fachjargon als Bausteinabfolge und zeigt auf einen Monitor mit vielen bunten Kurven. "Baustein für Baustein sind das unterschiedliche Merkmale für die HLA-Gene", meint er. Im Anschluss an die Analyse werden die im Labor ermittelten Daten und Werte in der Spenderdatei der Stefan-Morsch-Stiftung gespeichert. Von dort werden die HLA-Werte (Gewebemerkmale), das Alter und Geschlecht sowie weitere transplantationsrelevante Werte anonym hinterlegt, und unter einer zur Identifizierung genutzten Spendernummer an das Zentrale Knochenmarkspender-Register Deutschland (ZKRD) übermittelt, wo die weltweiten Suchanfragen für Patienten eingehen.

"Die Wahrscheinlichkeit, für einen Patienten einen kompatiblen Knochenmarkspender zu finden, kann bei eins zu mehreren Millionen liegen", erklärt Dr. Angelika Himmel. Sollte ein Spender ausgewählt worden sein, wird er sofort von der Stiftung kontaktiert. Zur Vorbereitung auf die Stammzellspende steht ein Gesundheitscheck an sowie ein umfangreiches Aufklärungsgespräch, in dem der Spender über Chancen und Risiken der Stammzelltransplantation aufgeklärt wird. "Es gibt zwei Entnahmeverfahren. Die Knochenmarkspende wird aus dem Beckenkamm entnommen, niemals aus dem Rückenmark, und die Entnahme peripherer Blutstammzellen aus dem Blutkreislauf", klärte Dr. Himmel auf.

Zeitplan ist wichtig

Damit die Entnahme stattfinden kann, ist ein koordinatorischer Drahtseilakt nötig: Die Stiftung stimmt mit dem Spender und der Transplantationsklinik des Patienten synchron einen genauen Zeitplan ab. "Denn der Patient, der dringend auf die Stammzelltransplantation angewiesen ist, muss zum exakt vorbestimmten Zeitpunkt das Transplantat bekommen", betont die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Susanne Morsch. Entscheidend ist dabei auch, dass der Gesundheitszustand des Patienten die Übertragung der Stammzellen erlaubt.

Zum Thema:

Auf einen Blick Vor 30 Jahren hat der aus Alsweiler stammende Ernst Morsch die Stefan-Morsch-Stiftung gegründet. Sie betreibt die erste Knochenmark- und Stammzellenspenderdatei in Deutschland. 2015 wurde eine Rekordzahl an potenziellen Lebensrettern registriert: Mehr als 27 000 Menschen haben sich von den Mitarbeitern der Stiftung typisieren lassen. In diesem Jahr will die Stiftung den Kontakt zu Bildungseinrichtungen ausbauen. 2015 hat sie 30 Aktionen an Schulen und Hochschulen angeboten und so mehr als 1300 Schüler und Studenten in die Datenbank aufgenommen. Jede Typisierung, so Laborchef Marco Schäfer, koste 40 Euro. Den jungen Menschen möchte die Stiftung weiterhin eine Typisierung kostenlos anbieten können. In den zurückliegenden 30 Jahren hat die Stefan-Morsch-Stiftung schon mehr als 6000 Lebensretter gefunden. frf

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