Einmalig in Deutschland: Antidiskriminierungsstelle Rassistische Hackordnung und Fragen nach Familienplanung

Mainz · Die rheinland-pfälzische Antidiskriminierungsstelle erhält wachsende Zahl von Beschwerden. Sie ist die einzige ihrer Art in Deutschland.

Ganz dreiste Fälle von Diskriminierung wie die Wohnungsanzeige, in der Bulgaren und Rumänen für unerwünscht erklärt werden, sind mittlerweile selten. Dennoch haben Zuwanderer, Frauen oder Behinderte oft den Eindruck, dass sie im Alltags- oder Berufsleben diskriminiert werden. Die Antidiskriminierungsstelle der rheinland-pfälzischen Landesregierung bietet Orientierung und übernimmt seit einem Jahr in begründeten Fällen auch die Kosten für eine anwaltliche Erstberatung.

Seither seien 13 Beschwerden an eine spezialisierte Mainzer Anwaltskanzlei weitergeleitet worden, berichtet Familienministerin Anne Spiegel (Grüne): „Wir sind das einzige Bundesland, das ein solches Angebot vorhält.“ Nach den Erfahrungen der Antidiskriminierungsstelle sind die häufigsten Formen von Diskriminierung Rassismus bei der Wohnungssuche und die Benachteiligung jüngerer Frauen bei Stellenausschreibungen. Aber auch ältere Arbeitnehmer beschweren sich, weil sie beispielsweise nicht mehr für Fortbildungen berücksichtigt werden. Das Allgemeine Gleich-Behandlungs-Gesetz (AGG) verbietet derartige Benachteiligung.

„Eigentlich darf im Vorstellungsgespräch nicht nach einer Schwangerschaft oder Plänen zur Familienplanung gefragt werden“, sagt die Leiterin der Stelle, Mechthild Gerigk-Koch. „Es passiert trotzdem.“ Doch für die Opfer von Diskriminierung ist es oft schwer, einen Nachweis zu erbringen. Manchmal helfe es, einen Bekannten um Unterstützung zu bitten. Wenn Interessenten mit ausländischem Namen oder Akzent hören, ein Job oder eine Wohnung seien schon vergeben, könne es sich lohnen, mit einem weiteren Testanruf unter deutschem Namen nachzufragen.

Rassismus ist in Rheinland-Pfalz etwas völlig Reales. „Es gibt eine rassistische Hackordnung“, sagt Gerigk-Koch. Je dunkler die Hautfarbe sei, desto größer würden die Probleme. Ein „eingewanderter schwedischer IT-Ingenieur“ habe so gut wie nie Probleme. Zwar könne sich niemand in seinen Traumjob hineinklagen, aber eine Entschädigung sei dann durchaus möglich.

Nicht alle Streitfälle müssen zwangsläufig vor Gericht landen. So hatte sich der Mitarbeiter eines Unternehmens an die Antidiskriminierungsstelle gewandt, weil jemand im Betrieb seinen Arbeitsschrank mit einem Hakenkreuz verunstaltet hatte. Der Arbeitgeber ließ das verfassungsfeindliche Symbol zwar entfernen, untersagte seinem Angestellten aber, den Vorfall publik zu machen. Nach Einschalten der Landesstelle änderten die Verantwortlichen ihre Haltung. Statt den Vorfall unter den Teppich zu kehren, gab es eine deutlich Warnung an alle Beschäftigten, dass NS-Symbole inakzeptabel seien und einen Kündigungsgrund darstellten.

Über 300 Personen haben sich seit dem Start der Anlaufstelle vor siebeneinhalb Jahren beim Land gemeldet, das die Antidiskriminierungsstelle derzeit mit jährlich knapp 50 000 Euro finanziert. Im letzten Jahr war die Zahl der Anfragen deutlich gestiegen. Nicht in allen Fällen lag eine tatsächliche Diskriminierung vor. So erhielt ein Beschwerdeführer, der gegen eine „Ladies Night“ in einem Einkaufszentrum protestierte, die Auskunft, ein „zielgruppenspezifisches Rahmenprogramm“ außer­halb der regulären Öffnungszeiten sei nicht diskriminierend, was der Mann akzeptiert habe.

Eine Weitervermittlung an ein Anwaltsbüro kommt in Rheinland-Pfalz aber nur infrage, wenn das Allgemeine Gleich-Behandlungs-Gesetz auch greift. Bei Vorfällen in Schulen, Hochschulen oder bei Beteiligung der Landespolizei ist das aber in der Regel nicht der Fall. Aus diesem Grund hatte Ministerin Spiegel sich schon vor zwei Jahren für ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz starkgemacht – so, wie es derzeit in Berlin erarbeitet wird. Bislang hat die in Rheinland-Pfalz regierende Ampelkoalition sich aber noch zu keinem entsprechenden Gesetzentwurf durchgerungen. „Wir sehen, dass es den Regelungsbedarf gibt“, sagte Spiegel. Sie hoffe darauf, dass es in der kommenden Legislaturperiode dazu komme.

(epd)
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