Das dunkelrote Desaster

Bliestal · Seit Wochen wird in der Landespolitik über das so genannte Junkernheinrich-Gutachten zu den Kommunal-Finanzen diskutiert. Seit einigen Tagen kann es jeder online einsehen. Für die drei Bliestal-Gemeinden ist die Bilanz des Professors aus Kaiserslautern stark beunruhigend.

 Der Gemeinde Gersheim bleibt derzeit nicht anderes übrig, als sich über kleine Erfolge wie die preisgekrönte Idee des „Mobilen Rathauses“ zu freuen. Finanziell steuert die kleine Kommune auf eine Katastrophe zu. Foto: Gemeinde Gersheim

Der Gemeinde Gersheim bleibt derzeit nicht anderes übrig, als sich über kleine Erfolge wie die preisgekrönte Idee des „Mobilen Rathauses“ zu freuen. Finanziell steuert die kleine Kommune auf eine Katastrophe zu. Foto: Gemeinde Gersheim

Foto: Gemeinde Gersheim

Mitte Februar hat Martin Junkernheinrich, Professor am Lehrstuhl für Stadt-, Regional- und Umweltökonomie an der Technischen Universität Kaiserslautern , sein in Kooperation mit der in Bottrop ansässigen Forschungsgesellschaft für Raumfinanzpolitik (FORA) erstelltes Gutachten zur Finanzlage der Saar-Kommunen abgeschlossen.

Am 9. März stellte er es zusammen mit dem neuen saarländischen Innenminister Klaus Bouillon vor. Es ist schwere Kost in dreierlei Hinsicht. Erstens ist es 413 Seiten dick. Zweitens ist es für Menschen, die sich in den verzweigten Finanzhaushalten von Gemeinden und ihrer zahlreichen "Subunternehmen" und Beteiligungen nicht sonderlich auskennen, nur schwer verständlich. Und drittens sind die Ergebnisse und Schlussfolgerungen alles andere als erfreulich. Das gilt besonders für die drei Bliestal-Gemeinden Blieskastel , Mandelbachtal und Gersheim und auch die Menschen, die in diesen Gemeinden leben. Junkernheinrich hat sich natürlich nicht mit der Situation jeder der 52 saarländischen Gemeinden im Detail befasst, aber viele der Grafiken und Statistiken sprechen eine deutliche Sprache. Da ist zum Beispiel die Grafik zu den Liquiditäts- oder Kassenkrediten der Gemeinden. Das ist Geld, das sich die Gemeinde mehr oder weniger kurzfristig leiht, um ihre Verpflichtungen (zum Beispiel die Gehälter ihrer Angestellten oder schlicht Rechnungen) bezahlen zu können. Es kostet die teuersten Zinsen und ist nicht durch Vermögen oder Einnahmen gegenfinanziert. So etwas tun die Gemeinden nur, wenn sonst nichts mehr geht. Da liegt Gersheim mit einer Pro-Kopf-Kreditsumme von 4017 Euro (Stand 31.12.2012) im Landesvergleich direkt hinter Saarbrücken auf Platz zwei der wenig rühmlichen Tabelle. Mandelbachtal liegt auf Platz elf (2314 Euro), Blieskastel auf Platz 19 (1802 Euro). St. Ingbert ist in dieser Tabelle übrigens zusammen mit Saarwellingen Letzter. Die Mittelstädter müssen auch aktuell noch keine Kassenkredite bemühen.

So ziehen sich die schlechten Bilanzen für die Bliestal-Gemeinden - auch auf den Karten entsprechend farblich dargestellt - wie ein dunkel- oder zumindest kräftig rotes Band durch das Gutachten . Dabei werden die wenigen erfreulichen oder ganz ordentlichen statistischen Daten von den schlechten wieder absorbiert. So zahlen die Einwohner Mandelbachtals zusammen mit den Kirkelern und Heusweilerern vergleichweise die meiste Einkommenssteuer im Land. Doch vermögende Bürger machen noch lange nicht ihre Heimatgemeinde reich. Dieses Beispiel zeigt aber, dass die finanzielle Misere auch der Bliestal-Gemeinden längst nicht nur hausgemacht ist, sondern dass es immer auch um die Verteilung der Gesamteinnahmen und der mit Ausgaben verbundenden Aufgaben durch Bund und Land geht.

Am Ende seines Gutachtens hat Martin Junkernheinrich jedenfalls ein brutales Urteil zur Situation in unserer Region gefällt. Während dem relativ "reichen" St. Ingbert die Chance eingeräumt wird, sich finanziell über Wasser zu halten, sieht er in Blieskastel , besonders aber in Mandelbachtal und Gersheim dunkelrot.

Selbst durch unpopuläre Maßnahmen zur Steigerung der Einnahmen (kräftige Erhöhung Grundsteuer B, Kosten deckende Gebühren etc.) und größte Ausgaben-Disziplin (Personaleinsparungen, Bäderschließungen, Sozialleistungen etc.) sieht er die Konsolidierung der Finanzen dieser Gemeinden als "ausgesprochen unrealistisch" an.

saarland.de/59775.htm

Meinung:

Die Fusion allein hilft nicht mehr

Von SZ-RedakteurCarlo Schmude

Eine mögliche Fusion der drei hoch verschuldeten Bliestal-Gemeinden Blieskastel , Mandelbachtal und Gersheim war eine der ersten Nachrichten, die im Vorfeld der Präsentation des Junkernheinrich-Gutachtens an die Öffentlichkeit gekommen sind. Die Aufregung war groß. Ganz schnell wurde wieder zurückgerudert zur bereits begonnenen Kooperation in dafür geeigneten Verwaltungsbereichen. Wer auch immer die Fusions-Nachricht, vielleicht als Versuchsballon, gestreut hatte, so ganz genau konnte er das Gutachten des Professors aus Kaiserslautern noch nicht gelesen haben. Sicher ist, dass größere Einheiten wirtschaftlicher geführt werden können. Das kann aber nicht der alleinige erste Schritt sein. Aus drei Konkursmassen wird kein florierendes Unternehmen. Zeitgleich muss das ständig wachsende Schuldenproblem gelöst werden. Nur dann ist Sorge getragen, dass es nicht gleich wieder zum Konkurs kommt.

Zum Thema:

HintergrundDas saarländische Innenministerium hatte zusammen mit dem saarländischen Städte- und Gemeindetag eine Lenkungsgruppe "Zukunft Kommunen 2020" ins Leben gerufen. Ziel: die kommunale Gestaltungs- und Handlungsfähigkeit zu erhalten. Als Grundlage weiterer Diskussionen wurde der externe Experte Martin Junkernheinrich beauftragt, ein Gutachten zur Situation der Kommunalfinanzen zu erstellen. Junkernheinrich schöpfte aus den verschiedensten Datenquellen. Daher sind die Zahlen im Gutachten zwar nicht immer auf dem neusten Stand, geben aber realistische Trends wieder. cas

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