Analyse Der Pionier der Populisten will Hayange verteidigen

Hayange · Der rechtsextreme Fabien Engelmann regiert seit 2014 in der lothringischen Stadt. Dort ist die Strategie seiner Partei ist zum Teil aufgegangen.

 RN-Chefin Marine Le Pen hofft auf die Wiederwahl ihres Parteikollegen Engelmann im lothringischen Hayange.

RN-Chefin Marine Le Pen hofft auf die Wiederwahl ihres Parteikollegen Engelmann im lothringischen Hayange.

Foto: dpa/Michel Spingler

Für eine kleine Sensation sorgte vor sechs Jahren Fabien Engelmann. Dass einem Kandidaten der nationalistischen Partei „Rassemblement National“ (bis 2018 „Front National“) der Einzug in die zweite Runde einer Kommunalwahl gelang, war schon 2014 keine Seltenheit. Im Osten der Republik erfährt die Partei bereits länger einen starken Zuspruch. Doch davor hatte sie noch nie geschafft, in einer lothringischen Stadt den Bürgermeister zu stellen. Jetzt bewirbt sich der 40-Jährige in der 15 000 Einwohner Kommune Hayange um eine zweite Amtszeit. Seine Politik an der Spitze der Stadt in den vergangenen sechs Jahren war zugleich von Provokationen und Volksnähe geprägt und somit für die Strategie der Partei in der Fläche exemplarisch. Immer wieder gelangen Hayange und sein Bürgermeister Engelmann in die nationalen Schlagzeilen. Wie im Dezember 2015, als er eine Weihnachtskrippe mit drei weißen Heiligen Drei Königen aufstellen ließ. Das brachte ihm über die regionalen Grenzen hinaus viel Spott und Kritik ein. Und so ruderte Engelmann zurück. Ein Versehen sei es gewesen, als man im Rathaus diese Krippe bestellt habe.

Ebenso eine landesweite Berühmtheit erlangte das von ihm ins Leben gerufene Schweinefest, bei dem Metzger allerlei Schweinefleischgerichte präsentieren und jede Menge Würste über die Theke gehen. Immer wieder mischten sich unter die Besucher Skinheads und Anhänger der rechtsextremen Identitären Bewegung. Ein Schweinefest als Provokation gegenüber den muslimischen Bürgern, die er im Wahlkampf immer wieder kritisiert hatte? Nein, auf keinen Fall, so der offizielle Sprech des Bürgermeister. Nur ein Fest bei dem örtliche Handwerker ihre Produkte ausstellen und an den Mann bringen würden. Das Schweinefest als reinen Rassisten-Treff zu titulieren, wäre aber auch falsch. Populäre Künstler werden für das Rahmenprogramm engagiert. Mittlerweile kommen jährlich tausende Besucher dafür nach Hayange. Viele in der Stadt freuen sich einfach über eine zusätzliche Veranstaltung vor der Haustür. Auf der sie natürlich auch ihrem Bürgermeister über den Weg laufen. Denn Fabien Engelmann gibt sich besonders volksnah. Nicht nur bei Festen, sondern auch in seiner Sprechstunde. Jeden Mittwochnachmittag findet sie statt, abwechselnd im Rathaus der Innenstadt und in den Dependancen der anderen Stadtteile. Die Bürger können dort ohne Termin hingehen und werden vom Bürgermeister persönlich empfangen. Die Beschwerden werden ernst genommen und es wird schnell gehandelt, so das Credo von Engelmann. Und tatsächlich wurden Fahrbahnschwellen gegen Raser gestellt, die städtische Putzkolonne fährt öfter durch die Innenstadt. Er hat einen Shuttle-Service eingerichtet, damit Senioren aus abgelegenen Vierteln auch ins Zentrum fahren können. Alles Dinge, die leicht umzusetzen sind und den Anschein erwecken, die Wahlversprechen von einst auszulösen.

Er hat damit leichtes Spiel. Denn vor ihm hatten einige Politiker in Hayange verbannte Erde hinterlassen. Sowohl Sarkozy als auch Hollande kamen im Wahlkampf in das Fensch-Tal und versprachen, die Stahlindustrie am Laufen zu halten. Daraus wurde nichts und die Menschen verloren ihren Job. In dem Bereich hat auch Engelmann wenig erreicht. Signifikante wirtschaftliche Ansiedlungen gab es unter ihm ebenfalls nicht. Die ausländerfeindliche Ausrichtung seiner Politik hingegen hält an. Das Hotel, in dem der Staat Flüchtlinge unterbrach, ließ Engelmann wegen Baumängel schließen. Während der Schließung wurden Bauarbeiten vorgenommen und so gab der übergeordnete Sicherheitsausschuss des Départements Moselle grünes Licht für die Wiederaufnahme des Betriebs. Förmlich sollte diese durch ein Schreiben aus dem Rathaus erfolgen, das die Schließung aufhebt, doch Engelmann ließ sich damit Zeit. Soviel Zeit, dass dem Präfekt der Geduldsfaden riss und er über die Autorität des Bürgermeisters hinweg die Wiedereröffnung genehmigte. Auch den Helal-Metzger hatte Engelmann im Visier. Das Geschäft schließen zu lassen, war nicht möglich, also ließ der Bürgermeister kurzerhand alle Stellplätze davor zu Behindertenparkplätzen erklären, um Kunden und Lieferanten zu stören.

Auch die Arbeit der Wohlfahrtorganisation „Secours populaire“ erschwerte Engelmann, weil der Verein seiner Meinung nach zuviel Einsatz für Migranten zeigte. Er ließ Strom und Wasser in dem von seinem Vorgänger zur Verfügung gestellten Raum abstellen. Das wollten sich die Zuständigen nicht bieten lassen. Sie zogen vor Gericht. Vor einem Monat entschied das Berufungsgericht in Metz: Die Organisation behält ihre Räumlichkeit – inklusive Strom und Wasser. Immer wieder innerhalb dieser sechs Jahre beschäftigte Fabien Engelmann die Gerichte des Landes. Es gab unter anderem Verfahren wegen Vorteilnahme und Beleidgung. Vor kurzem wurde die Stadt wegen Verletzungen des Urheberrechts verurteilt. Der Bürgermeister hatte ein Kunstwerk, das er hässlich fand, übermalen lassen, ohne den Bildhauer darüber zu informieren.

Neben Engelmann treten drei weiteren Kandidaten am Sonntag an. Chancenlos ist die Bewerberin der Randpartei „Demokratische Arbeiterpartei“ (landesweit weniger als ein Prozent). Die anderen Kandidaten, Jean-Marc Marichy und Rebecca Adam, treten als parteilos an, werden aber jeweils den Sozialisten und den Konservativen zugerechnet. Sollten sie es beide im ersten Wahlgang mehr als zehn Prozent der Stimmen bekommen und an ihren Kandidaturen auch in der zweiten Runde festhalten, hat Engelmann Aussichten auf sechs weitere Jahre auf Hayanges Chefsessel. Denn die Dynamik für den Rassemblement National ist nach wie vor gut. Bei der Präsidenschaftswahl 2017 holte dort Parteichefin Marine Le Pen knapp 48 Prozent der Stimmen.

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