Gegen den Trend Traumjob Priester

Speyer/Trier/Mainz · Die katholische Kirche kämpft seit Jahren mit Priestermangel. Immer weniger Männer entscheiden sich für den Beruf.

 Patric Schützeichel wird am 26.09.2020 mit fünf anderen Männern zum Priester geweiht. Für ihn ist das Amt nach eigener Aussage Traumberuf.

Patric Schützeichel wird am 26.09.2020 mit fünf anderen Männern zum Priester geweiht. Für ihn ist das Amt nach eigener Aussage Traumberuf.

Foto: dpa/Birgit Reichert

Katholischer Priester zu werden: Das ist für Patric Schützeichel der „absolute Wunschberuf“. „Dieser Beruf passt zu mir. Er ist absolut mein Ding“, sagt der 27-Jährige aus Roßbach bei Waldbreitbach (Kreis Neuwied). Er wolle mit Menschen „unterwegs sein“, durch Höhen und Tiefen ihres Lebens gehen – auch auf der Suche nach Gott. Nach acht Jahren Ausbildung ist Schützeichel nun fast am Ziel: Am 26. September wird er mit fünf anderen Männern in Trier von Bischof Stephan Ackermann zum Priester geweiht.

Er wisse, dass er mit seiner Berufswahl „irgendwie ein Exot“ sei. „Klar lebt man als Priester anders als die allermeisten Menschen. Und ja, man hat einen Beruf in einer Institution, die gesellschaftlich eher kritisch gesehen wird“, sagt der junge Mann. Das störe ihn aber nicht, er fühle sich nicht isoliert. „Ich bin trotzdem nah an den Menschen. Ich kann sagen: "Ich bin einer von den anderen"“, sagt er. Nach seiner Weihe wird er als Kaplan in Bad Kreuznach arbeiten.

Wie exotisch Schützeichel mit seiner Berufswahl ist, wird beim Blick auf die Zahlen deutlich. Im Bistum Speyer gab es in diesem Jahr zwei Priesterweihen (12. September), im Bistum Mainz wird ein Diakon am 24. Oktober zum Priester geweiht. Acht Männer bereiten sich derzeit in der Landeshauptstadt als Kandidaten auf den Dienst als Priester vor – 2010 waren es 20, im Jahr 2000 noch 25. Und im Bistum Trier ging die Zahl der Kandidaten von 52 im Jahr 2000 auf neun zurück.

„Der Priesterberuf ist zusammen mit der ganzen Kirche gesellschaftlich in eine Krise geraten“, sagt der Sprecher des Bistums Speyer, Markus Herr. Viele Menschen hätten „nur noch einen geringen Zugang zum Glauben“ und „kein Verständnis für die Lebensform des Priesters“ im Zölibat ohne Ehe. Auch der Missbrauchsskandal habe sich ausgewirkt auf das Priesterbild in der Gesellschaft.

Zudem gebe es innerkirchlich eine Unsicherheit, wie es mit dem Profil des priesterlichen Dienstes weitergehe, sagt Herr. Einerseits solle der Priester auch heute noch „der perfekte Geistliche, Organisator, Moderator, Jugendarbeiter, Seniorenseelsorger, gleichzeitig bewahrend und doch auch reformfreudig sein“. Andererseits erwarte man von ihm, dass er sich immer mehr zurücknehme. „Die Frage nach dem Rollenbild des Priesters verändert sich derzeit stark.“ Das verunsichere die jungen Leute auf der Suche nach einem Lebensentwurf.

„Der Priesterberuf ist ein echtes Lebensprojekt“, sagt die Sprecherin des Bistums Trier, Judith Rupp. Man entscheide sich in relativ jungen Jahren „für den Rest seines Lebens für diesen einen Weg“. Sei dies früher auch in anderen Berufen durchaus üblich gewesen, „so ist das Lebensgefühl junger Menschen heute eher von kurzfristigeren Entwürfen und den Möglichkeiten von unkomplizierten Aus- und Umstiegen geprägt“. Hinzu komme die Tatsache, dass die Kirche sich in einem epochalen Wandel befinde, sagt sie. Seit Jahren leidet die katholische Kirche unter Priestermangel.

 Patric Schützeichel steht im Kreuzgang des Trierer Doms.

Patric Schützeichel steht im Kreuzgang des Trierer Doms.

Foto: dpa/Birgit Reichert

Bei Schützeichel ist die Entscheidung Priester zu werden seit seiner Jugend immer weiter gereift. „Ich beschreibe das gerne als rote Fäden, die zusammenlaufen und sich verdichten.“ Da war zum einen die Jugendarbeit in seiner Heimatgemeinde, wo er als Messdiener und durch Jugendgruppen auf Seelsorger gestoßen sei, die ihm ein ganz anderes Bild von Kirche vermittelten: „Das waren superfitte Leute, die überhaupt nicht für eine langweilige, altbackene Kirche standen – im Gegenteil.“

Diese Personen hätten „so eine innere Freiheit ausgestrahlt, eine Bodenhaftung, weil sie ihr Leben auf Jesus Christus aufgebaut haben“. Das fand er faszinierend: Diese Leute seien für ihn zu Vorbildern geworden. Nach dem Abitur in Neuwied habe er sich entschieden, die Ausbildung anzufangen – und sei dabei über die Jahre immer weiter bestärkt worden. „Ich kann den Beruf so ausüben, dass man sagen kann, das bin ich.“ Und das sei gut so, denn es sei ein Beruf, der „gar nicht losgelöst von der Person denkbar ist“.

Dass ein Mann direkt nach dem Abitur sich für den Weg entscheidet, ist heute auch eher besonders. Vor einigen Jahrzehnten sei das noch die Regel gewesen, aber heute seien die Lebenswege „wesentlich vielfältiger“, sagt der Sprecher des Bistums Mainz, Tobias Blum. „Grundsätzlich kann man sagen, dass die Bewerber heute älter sind und teilweise schon Berufsausbildungen oder ein Studium haben, wenn sie ins Priesterseminar kommen.“ Ganz klar: Das Profil der Priesteramtskandidaten habe sich geändert.

Beim Blick auf den Rückgang in der Priesterausbildung müsse man mitbedenken, dass auch das Interesse an anderen kirchlichen Berufen zurückgegangen sei. „Grundsätzlich hängt dieser Rückgang mit einer spirituellen Krise zusammen, die sich auch in den Pfarrgemeinden widerspiegelt“, sagt Blum. Die Zahl der Jugendlichen, die sich in Pfarreien engagieren, ist kleiner geworden. Und aus diesem Kreis kamen bisher die meisten Interessenten für kirchliche Berufe.

Auch angesichts der Krisen, durch die das Ansehen der Kirche Schaden genommen habe, sei es sicherlich schwieriger geworden, sich mit der Institution Kirche zu identifizieren, sagt Blum. Der Zölibat möge eine Rolle spielen, aber sicherlich nicht die Entscheidende.

Für Schützeichel ist die Verpflichtung zur Ehelosigkeit, die er mit der Priesterweihe eingeht, kein Problem. „Ich kann für mich jetzt die ehrliche Absicht bestätigen, den Schritt zu gehen.“ Ihm sei aber bewusst, dass er die Absicht in jeder Lebensphase aktualisieren müsse. Bedauerlich finde er, dass etliche Männer, „die für die Sache Jesu oder für das Anliegen des Glaubens offen und aufgeschlossen sind und sich durchaus vorstellen könnten, ihr Leben darin zu investieren und an diesem Auftrag mitzuwirken, an dieser Stelle aussteigen“.

(dpa)
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