Corona und Kommunalwahlen Strenge Hygienevorschriften wegen Corona bei Wahl in Frankreich

Metz/Straßburg · Wegen der Pandemie droht eine geringe Beteiligung bei den Kommunalwahlen am Sonntag. Die Behörden greifen zu drastischen Mitteln.

 Wahllokale in Frankreich stellen Desinfektionsmittel und OP-Handschuhe bereit, um eine Ansteckung mit dem Corona-Virus zu verhindern.

Wahllokale in Frankreich stellen Desinfektionsmittel und OP-Handschuhe bereit, um eine Ansteckung mit dem Corona-Virus zu verhindern.

Foto: dpa/Oliver Berg

Der französische Innenminister Christophe Castaner hat wegen einer Corona-Krisensitzung in Paris seinen Besuch für gestern in Lothringen abgesagt. In Metz sollte er eine Sitzung zu den Vorsichtsmaßnahmen bei den am Wochenende anstehenden Kommunalwahlen leiten. In Frankreich wächst die Sorge, dass der sich verbreitende Virus den Ablauf der Abstimmung erheblich stören könnte. 47,7 Millionen Franzosen und in Frankreich lebende EU-Ausländer sind für die Kommunalwahl an diesem Sonntag und die Stichwahl am 22. März wahlberechtigt. Gewählt wird in knapp 35 000 Städten und Gemeinden. In einer Umfrage des Forschungsinstituts Ifop hatten 28 Prozent der Befragten angegeben, dass sie überlegen, nicht in die Wahllokale zu gehen, um sich nicht anzustecken. In Frankreich gibt es keine Briefwahl. Gewählt wird entweder persönlich im Wahllokal oder per Vollmacht.

Landesweit wurden den Bürgermeistern bereits Anweisungen gegeben, wie sie die Wahllokale zu gestalten haben, um zu verhindern, dass sich Menschen mit dem Corona-Virus infizieren. Unter anderem soll in den Wahlkabinen auf Vorhänge verzichtet werden und sollen die Wähler vor und nach ihrer Stimmenabgabe dazu aufgefordert werden, sich die Hände zu waschen. Verfügt der Saal über keinen Wasserhahn, soll Desinfektionsmittel vom Wahlvorstand zur Verfügung gestellt werden. Den Wählern wird empfohlen, ihren eigenen Stift mitzubringen. Ist dies nicht möglich, muss der Wahlleiter dafür sorgen, dass die Stifte nach jedem Gebrauch desinfiziert werden. Um Menschenansammlungen zu Spitzenzeiten zu verhindern, wird überlegt, die Schließung der Lokale nach hinten zu verschieben. Um Wahlfälschung zu verhindern, soll die Auszählung der Stimmen öffentlich bleiben. Es gelten aber die grundsätzlichen Regeln, was die Anzahl der Anwesenden und die hygienischen Vorschriften betrifft.

Im südelsässischen Mulhouse, das im vom Coronavirus besonders hart getroffenen Département Haut-Rhin liegt, wird nach Angaben der Stadtverwaltung ganz auf die Wahl mit Stimmzetteln verzichtet. Stattdessen sollen die 50 000 Wahlberechtigten ihre Stimme an Wahlautomaten abgeben, deren Displays nach jedem Wahlgang desinfiziert werden. Alle 64 Wahllokale in Mulhouse halten ferner Einweg-OP-Handschuhe und Desinfektions-Gel sowie Einmal-Taschentücher bereit, zudem soll man sich die Hände waschen können. Ferner ist die Zahl der Personen, die sich gleichzeitig im Wahlbüro aufhalten dürfen, beschränkt und es wird ein Sicherheitsabstand von 1,50 Metern vorgeschrieben.

In Straßburg dagegen werden die Einwohner in den 75 Wahllokalen per Papier-Stimmzettel wählen. Auch hier stehen Desinfektionsgel und Einmal-Handschuhe bereit. Mitarbeiter der Stadtverwaltung sollen dafür sorgen, dass die Wählenden einen Sicherheitsabstand einhalten. Anders als bei früheren Wahlen werden die Wahlhelfer diesmal die Wählerkarten oder Personalausweise nicht in die Hand nehmen, sondern lediglich einen Blick auf die Dokumente werfen. So sollen Ansteckungen vermieden werden. Wahlberechtigte können auch ihre eigenen Stifte mitbringen. Kinder und andere nicht wahlberechtigte Personen sollen nicht mit ins Wahllokal genommen werden. Städte wie Haguenau im Norden des Elsass’ oder Illkirch bei Straßburg haben ähnliche Hygienemaßnahmen für die Kommunalwahlen angekündigt.

Besonders spannend dürften die Kommunalwahlen in Straßburg werden. Hier könnte mit der Stadträtin Jeanne Barseghian (39) erstmals ein Grüne Oberbürgermeisterin der elsässischen Metropole werden. In einer Umfrage von Ende Februar lag ihre Liste mit 25 Prozent nur zwei Punkte hinter der des ersten Beigeordneten der Stadt, Alain Fontanel (51). Fontanel war wie der scheidende OB Roland Ries (75) nach dem Sieg von Präsident Emmanuel Macron von den Sozialisten zur Macron-Partei „La République en Marche“ (LREM) gewechselt. Bei einer ersten Umfrage Mitte Januar lag Barseghian, die zusammen mit den Linkssozialisten ein Bündnis geschmiedet hat, mit 27 Prozent zwei Prozentpunkte vor Fontanel. Barseghian dürfte vor allem von der Entwicklung profitieren, dass den Einwohnern in Straßburg Umweltschutz und der Kampf gegen Luftverschmutzung und Autoverkehr immer wichtiger wird. Fontanel dagegen muss bei allen Bemühungen um eine eher sozialliberale Kommunalpolitik damit rechnen, dass er den Ärger der Franzosen auf Präsident Macron wegen dessen Rentenreform zu spüren bekommt.

Als OB-Macherin könnte sich daher die ehemalige Kulturministerin und Präsidentin des Straßburger Rheinhafens, Catherine Trautmann (69), erweisen. Die zweimalige Straßburger Oberbürgermeisterin und ehemalige Europaabgeordnete, die auf der Liste der Sozialisten kandierte, wurde Anfang Februar überraschenderweise deren Spitzenkandidatin, weil Mathieu Cahn nach einer aufgedeckten Affäre um Erotikfotos von Studentinnen in seiner Studentenzeit vom Spitzenplatz zurücktrat. Nach dem Bekanntwerden der Kandidatur von Trautmann als Spitzenkandidatin hatten sich die Umfragewerte der Sozialisten von neun Prozent im Januar auf 17 Prozent im Februar fast verdoppelt. Die Umfrage vom Februar sieht auf Platz drei die Liste des Republikaners Jean-Philippe Vetter (40) mit 15 Prozent und auf Platz vier die Spitzenkandidatin des Rassemblement National, Hombeline du Parc (44) mit zehn Prozent.

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