Interview Philippe Gréciano 60 Jahre Élysée-Vertrag: Befreundete Deutsche und Franzosen sind das „höchste Niveau der Expertise“

Interview | Saarbrücken · Anlässlich des 60. Jahrestages des Élysée-Vertrages kommt die deutsch-französische Freundschaft in den Blick. Wie die Welt auf diese Freundschaft schaut, erlebt Philippe Gréciano. Als Präsident der Deutsch-Französischen Hochschule will er Mehrsprachigkeit und Gerechtigkeit fördern – auch mit einem ungewöhnlichen Menü.

 Die Unterzeichnung des Élyseé-Vertrages, des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages, am 22. Januar 1963 in Paris: Bundeskanzler Konrad Adenauer (l.) und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle (r.) wagen die Annäherung. Diese Freundschaft wirkt sich nicht nur auf Deutschland und Frankreich aus.

Die Unterzeichnung des Élyseé-Vertrages, des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages, am 22. Januar 1963 in Paris: Bundeskanzler Konrad Adenauer (l.) und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle (r.) wagen die Annäherung. Diese Freundschaft wirkt sich nicht nur auf Deutschland und Frankreich aus.

Foto: UPI

Anlässlich des 60. Jahrestages des Élysée-Vertrages kommt die deutsch-französische Freundschaft in den Blick. Wie die Welt auf diese Freundschaft schaut, erlebt Philippe Gréciano. Gréciano ist Präsident der Deutsch-Französischen Hochschule in Saarbrücken und hat unter anderem Erfahrung als Inhaber des Jean-Monnet-Lehrstuhls für Deutsch-Französische Beziehungen, Europäische Integration und Globalisierung an der Universität Grenoble Alpes. Als Präsident der Deutsch-Französischen Hochschule will er Mehrsprachigkeit fördern.

Das Saarland macht das Élysee-Jahr zum Festjahr. Was bringen Sie auf den Tisch, wenn Sie deutsche und französische Gäste zum Essen eingeladen haben?

GRÉCIANO Ich würde Würstchen kochen und Champagner servieren, das Beste aus beiden Ländern...

 Philippe Gréciano ist Präsident der Deutsch-Französischen Hochschule in Saarbrücken.

Philippe Gréciano ist Präsident der Deutsch-Französischen Hochschule in Saarbrücken.

Foto: Iris Maria Maurer

Der Élysée-Vertrag ist ein deutsch-französischer Vertrag, der auch eine europäische Dimension hat. Wie positioniert sich dabei das Saarland?

GRÉCIANO Für Konrad Adenauer gab es keine Einheit Europas ohne den deutsch-französischen Motor. Diese Meinung teile ich. Man muss diesen Vertrag auch als ein Werk der Freundschaft sehen. Und zum Anlass des 60-jährigen Jahrestages des Élysée-Vertrages freue ich mich, dass das Saarland so europäisch und international handelt. Das wird in den entsprechenden Ministerien von Frankreich, Deutschland, Luxemburg und in den Internationalen Organisationen auch sehr stark anerkannt.

Wie begeht die Deutsch-Französische Hochschule den offiziellen Jahrestag?

GRÉCIANO Wir haben rund 15 Veranstaltungen, unter anderem werde ich die Einrichtung bei der Feier an der Pariser Sorbonne vertreten, zu der Bundeskanzler Olaf Scholz und Staatspräsident Emmanuel Macron eingeladen sind. Zudem haben wir mehrere Ausschreibungen für Projekte gestartet, welche die Hochschulkooperation und die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich fördern sollen, insbesondere im Bereich Bildung, Forschung, aber auch Gesundheit und Migration.

Sie leiten die Deutsch-Französische Hochschule seit einem Jahr. Was konnten Sie bisher erreichen?

GRÉCIANO Ich bin seit einem Jahr Präsident der Einrichtung, zuvor war ich zwei Jahre als Vizepräsident im Präsidium tätig. Wir haben viel für Studierende und Forscher getan, etwa die Mobilität der Studierenden sowie die finanzielle Unterstützung verstärkt, und die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft intensiviert. Wir haben auch die Digitalisierung ausgebaut, damit eine bessere digitale Lehre stattfinden kann. Wir konnten während der Pandemie alle Studierenden halten. Wir freuen uns auch, dass die Absolventinnen und Absolventen gefragt sind – 70 Prozent finden innerhalb von drei Monaten eine Stelle, innerhalb eines Jahres sind alle unter Vertrag.

Angesichts des Élysée-Vertrages wird im Saarland viel über die deutsch-französische Freundschaft gesprochen, aber auch über das Sprachenlernen. Wie steht es um die anvisierte Mehrsprachigkeit?

GRÉCIANO Es steht mir nicht zu, die Frankreich-Strategie des Saarlandes zu bewerten, aber ich unterstütze sie aus vollen Kräften. Wir unterstützen beispielsweise das Frankreich-Zentrum der Universität des Saarlandes, um die Frankreich-Forschung zu stärken. An der Deutsch-Französischen Hochschule sind wir sehr stark auf Mehrsprachigkeit ausgerichtet und wir vertreten Mehrsprachigkeit auch in Europa. Damit meine ich Deutsch, Französisch und eine dritte Sprache. Ich habe 2021 für das französische Außenministerium an einem Bericht über Mehrsprachigkeit in Europa teilgenommen, denn nach dem Brexit kam die Frage um die Pionierrolle des Französischen und Deutschen in Europa auf. Der deutsch-französische Motor will die Mehrsprachigkeit und die Vielfältigkeit der Kulturen fördern, was ja auch bedeutet, Menschenrechte zu unterstützen.

Wie soll Mehrsprachigkeit praktisch gefördert werden?

GRÉCIANO Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat vorgeschlagen, dass an den Schulen in ganz Europa drei Sprachen unterrichtet werden. Diese Vision für die Zukunft, nach der Europäer drei Sprachen lernen, müsste in der gesamten EU unterstützt werden. In dem Bericht habe ich auch dafür plädiert, dass bei den EU-Institutionen ein dreisprachiges Auswahlverfahren für die Beamten eingeführt wird. Gutachter haben ausgewertet, dass die Mehrheit der EU-Dokumente auf Englisch verfasst ist. Aber auch die anderen Sprachen zu unterstützen, ist eine Frage der Gerechtigkeit und der Offenheit Europas.

Welche Rolle spielt die deutsch-französische Freundschaft heute?

GRÉCIANO Die deutsch-französische Freundschaft spielt nicht nur in Europa, sondern auch in Afrika und Lateinamerika eine große Rolle. Sie wird als höchstes Niveau der Expertise gesehen, anerkannt und nachgefragt – das betrifft die Aussöhnungs-, Friedens- und Sicherheitspolitik, aber auch die Erinnerungsarbeit. Deutschland und Frankreich haben aufgrund der gemeinsamen Geschichte sehr viel Erfahrung in diesen Bereichen. Das sind angesichts des Kriegs in der Ukraine hochaktuelle Themen. Was Krisen in der EU und den Krieg in der Ukraine angeht, kann der deutsch-französische Motor viele Vorschläge einbringen. Hinzu kommt, dass die deutsch-französische Forschung international sehr anerkannt ist. Das merken wir auch daran, dass viele Institutionen sich an die Deutsch-Französische Hochschule wenden. So arbeite ich etwa auch mit den Europäischen Hochschulallianzen und den internationalen Organisationen zusammen. Im Juni initiieren wir den „Deutsch-Französischen Dialog für Frieden und Gerechtigkeit“ im Friedenspalast in Den Haag, dem Sitz des Internationalen Gerichtshofes und der Völkerrechtsakademie.

Weitere Informationen zur Deutsch-Französischen Hochschule unter www.dfh-ufa.org

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