Luxemburg will für Cattenom-Aus zahlen
Luxemburg/Saarbrücken · Luxemburg fühlt sich durch das altersschwache und störanfällige Atomkraftwerk Cattenom bedroht und fordert dessen Abschaltung. Nun hat Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel Frankreich für die Abschaltung einen finanziellen Ausgleich angeboten.
Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel hat Frankreich Geld im Fall einer Abschaltung des grenznahen Atomkraftwerks Cattenom angeboten. Ein möglicher Betrag sei bei einem Treffen mit dem französischen Premierminister Manuel Valls am Montag in Luxemburg nicht genannt worden, sagte ein Sprecher Bettels gestern. "Wenn in Cattenom etwas Schreckliches passieren würde, wäre Luxemburg von der Landkarte gelöscht", sagte Bettel. "Unser größter Wunsch wäre es, wenn Cattenom schließt." Der Premier habe deutlich gemacht, dass Luxemburg es mit der Forderung nach einer Abschaltung ernst meine, aber auch Hilfe anbiete.
Luxemburg sei bereit, sich finanziell an der Umwandlung des Standorts Cattenom hin zu einer umweltfreundlicheren Energieerzeugung oder zu einem andersgearteten Industriestandort zu beteiligen. Es gelte, Arbeitsplätze in der Region zu erhalten, sagte der Sprecher. Valls habe geantwortet: "Botschaft angekommen". Gleichzeitig habe er einen intensiveren Austausch zwischen beiden Ländern zu Cattenom in Aussicht gestellt, ein Abschalten derzeit aber ausgeschlossen.
Frankreich ist von der Atomkraft so abhängig wie kein anderes Land weltweit: Rund 75 Prozent des produzierten Stroms kommen aus Atomkraftwerken. Das Land will diesen Anteil bis 2025 auf 50 Prozent senken und dazu erneuerbare Energien massiv ausbauen. Luxemburg, das Saarland und Rheinland-Pfalz fordern seit langem ein Aus für das Kraftwerk, in dem es schon Hunderte Störfälle gab. Die Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges zählt Cattenom zu den "größten Risiko-AKWs" in Europa. Doch in Berlin fühlt man sich machtlos: Die Bundesregierung könne nicht die Betriebszeiten eines AKWs in einem anderen Land beeinflussen, sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums.
Die saarländische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD ) glaubt nicht, dass es sich bei Bettels Vorschlag um ein echtes Verhandlungsangebot handelt. Es sei wohl eher der Versuch, der Forderung, das AKW abzuschalten, mehr Nachdruck zu verleihen, sagte Rehlinger. Die saarländische Landesregierung setze in der Sache lieber auf Überzeugungsarbeit. "Das halte ich auch weiterhin für eine gute und angemessene Strategie", so Rehlinger.
Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) hält von Bettels Vorschlag wenig. "Es darf nicht sein, dass Staaten anderen Staaten politische Entscheidungen abkaufen", sagte sie. Frankreich müsse endlich seiner Verantwortung für die Sicherheit der Menschen - auch der in den Anrainerstaaten - gerecht werden. Mit Blick auf Cattenom teile sie die Sorge Luxemburgs. Das störanfällige AKW sei nicht sicher und ein Risiko für die ganze Region.
Die Bundesvorsitzende der Grünen, die Saarländerin Simone Peter , hält das luxemburgische Angebot für eine denkbare Option: "Wenn sonst nichts hilft, warum nicht? Schrottreaktoren wie Cattenom sind ein Dauerrisiko für die Region", kommentierte sie gestern im Onlinedienst Twitter .
Die Idee, Frankreich einen finanziellen Ausgleich für das Abschalten des Atomkraftwerks anzubieten, ist nicht völlig neu. Oskar Lafontaine , Linken-Fraktionschef im Saar-Landtag, hatte sie Mitte März in der SZ ins Spiel gebracht. Er hatte den Bund aufgefordert, Frankreich ein konkretes Angebot zu machen. Dieses solle auch einen Plan zur Stromversorgung enthalten, um Frankreich bei der Bereitstellung des notwendigen Ausfallstroms und der Abgleichung der Netze entgegenzukommen.