Französisches Gericht kippt Atommüll-Passus

Bure/Paris · Im lothringischen Bure ist ein Atommüll-Endlager geplant. Jetzt hat das französische Verfassungsgericht einen Artikel aus einem Gesetz gestrichen, der im Saarland für Empörung gesorgt hatte. Auf den Zeitplan des Betreibers hat das aber keinen Einfluss.

 1994 wurden in Bure erste Bohrungen vorgenommen, um zu prüfen, ob sich das Tongestein für die Atommüll-Lagerung eignet. Im Jahr 2000 wurde ein Forschungslabor errichtet. Fotos: Iris Maurer

1994 wurden in Bure erste Bohrungen vorgenommen, um zu prüfen, ob sich das Tongestein für die Atommüll-Lagerung eignet. Im Jahr 2000 wurde ein Forschungslabor errichtet. Fotos: Iris Maurer

 500 Meter unter der Erde wurde im Tongestein zu Forschungszwecken ein Tunnelsystem angelegt.

500 Meter unter der Erde wurde im Tongestein zu Forschungszwecken ein Tunnelsystem angelegt.

Das französische Verfassungsgericht hat einen umstrittenen Artikel zum geplanten Atommüll-Endlager im lothringischen Bure in einem Wirtschaftsförderungsgesetz gekippt. Der Passus sei nicht verfassungsgemäß verabschiedet worden, weil er in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt des Gesetzes stehe, so die Begründung der Richter.

Im allerletzten Moment hatte die Regierung den Artikel in das Gesetz eingefügt und mit Hilfe eines Verfassungskniffs ohne Abstimmung und inhaltliche Debatte durch die Nationalversammlung gebracht. Darin wurden Vorgaben zu einer industriellen Pilotphase gemacht.

Saarländische Umweltpolitiker waren empört über die Art und Weise, wie der Artikel in dem Gesetz "versteckt" worden war, und sahen darin eine Vorfestlegung auf Bure, das nur 120 Kilometer von der saarländischen Grenze entfernt ist, als Standort für das Atommüll-Endlager. Geschlossen hatte sich der Landtag gegen ein Lager in Bure ausgesprochen.

Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron kündigte gestern an, im ersten Halbjahr 2016 ein eigenes Gesetz zur Pilotphase vorzulegen.

Saarländische Umweltpolitiker zeigten sich erfreut über den Beschluss des Gerichts. "Die durchsichtige Trickserei, mit der eine Entscheidung für Bure in einem Gesetz versteckt werden sollte, war offensichtlich nicht hilfreich", erklärte der saarländische Umweltminister Reinhold Jost (SPD ). Er gehe davon aus, dass Frankreich nun zu einem "geordneten demokratischen Verfahren" zurückkehren werde. Das Saarland werde sich an einem Genehmigungsverfahren zu Bure aktiv beteiligen, versprach er.

Linke und Grüne im Landtag forderten ein Mitspracherecht für die Nachbarstaaten und ein Eingreifen der Bundesregierung. Land und Bund müssten Druck machen und "unsere französischen Freunde daran erinnern, dass sich gute Nachbarn keinen hochgiftigen Müll vor die Haustür legen", sagte die umweltpolitische Sprecherin der Linken, Dagmar Ensch-Engel. Grünen-Fraktionschef Hubert Ulrich forderte zudem eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung. Roland Theis , Generalsekretär der Saar-CDU, ist indes der Meinung, dass Frankreich seine Nachbarn bisher "angemessen eingebunden" habe. "Wir sollten in einem gemeinsamen Schreiben der Partner in der Großregion darum bitten, dass dies auch für die weiteren Entscheidungen zugesichert wird", sagte er. Das Bundesumweltministerium kündigte an, die Entwicklungen intensiv zu begleiten, und forderte von Paris "größtmögliche Transparenz".

Auf den Betriebsplan der Atommüll-Behörde Andra, die in Bure ein Untertage-Labor betreibt und für den Bau des Endlagers zuständig wäre, hat die Entscheidung des Gerichts keinen Einfluss. Der werde nämlich durch ein Gesetz von 2006 bestimmt, sagte Marc-Antoine Martin, Sprecher der Andra gegenüber der SZ. Wie geplant werde die Andra 2017 die Genehmigung zum Bau eines Endlagers stellen. Ab 2025 sollen dann sämtliche strahlenden Abfälle Frankreichs dort entsorgt werden: 10 000 Kubikmeter hochradioaktiver und bis zu 70 000 Kubikmeter mittelradioaktiver Müll.

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