Eine Stadt im Ausnahmezustand

Straßburg · Nach dem Terror-Attentat in Nizza werden auch in Straßburg die Sicherheitsmaßnahmen drastisch verstärkt. Während des alljährlichen Jahrmarkts „Grande Braderie“ am Samstag herrscht ein totales Park- und Fahrverbot in der Innenstadt. Ab Montag werden der Zutritt zum Münster beschränkt und Gottesdienste gestrichen.

 Nach dem Anschlag in Nizza werden auch in Straßburg die Sicherheitsvorkehrungen massiv verschärft: Vor dem Münster patrouilliert das Militär. Foto: Lorey

Nach dem Anschlag in Nizza werden auch in Straßburg die Sicherheitsvorkehrungen massiv verschärft: Vor dem Münster patrouilliert das Militär. Foto: Lorey

Foto: Lorey

Seit 57 Jahren findet jeweils am letzten Juli-Samstag in Straßburg die so genannte "Grande Braderie" (Großer Jahrmarkt) statt, während der die Straßen der Innenstadt bislang immer voller Menschen waren. Bis zum Abend verkaufen die Einzelhändler ihre aus dem Sommerschlussverkauf verbliebene Ware zu Schleuderpreisen, dazu kommen Hunderte Stände von fliegenden Händlern. Nach dem folgenschweren Attentat von Nizza mit 84 Toten und 202 Verletzten findet die diesjährige "Grande Braderie" am morgigen Samstag, 30. Juli, zum ersten Mal unter ähnlich scharfen Sicherheitsbestimmungen wie der Weihnachtsmarkt im vergangenen Dezember statt. Darauf haben sich Präfektur, Stadt und der Einzelhandelsverband "Les Vitrines de Strasbourg" geeinigt, um eine Absage des Jahrmarktes zu vermeiden. Rund 200 000 Besucher werden erwartet.

Die "Grande Ile" (Innenstadt) ist von heute, 22 Uhr, bis morgen Abend, 22 Uhr, völlig für den Autoverkehr gesperrt, es dürfen in dieser Zeit auch keine Autos dort parken. In der Innenstadt werden morgen den ganzen Tag über bis gegen 22 Uhr keine Straßenbahnen und Busse fahren. Die Zufahrt für die fliegenden Händler in die Innenstadt ist nur über drei Checkpoints an der "Pont Corbeau" im Süden und an der "Pont de Paris" und "Pont de la Fonderie" im Norden möglich. Zulieferer können morgen über diese drei Brücken nur zwischen fünf und sieben Uhr ins Zentrum gelangen. Fußgänger können auch über die anderen Brücken in die Innenstadt gehen, müssen aber mit Taschen- und Ausweiskontrollen sowie Leibesvisitationen rechnen. Für Fahrzeuge sind diese anderen Zugänge in die Innenstadt mit Hindernissen wie Wagen der städtischen Müllabfuhr blockiert, die von privaten Sicherheitsdiensten bewacht werden, die von den Einzelhändlern bezahlt werden.

Auf der "Place Kleber" dürfen anders als in früheren Jahren keine Stände aufgestellt werden, "um im Notfall die Zufahrtswege für die Rettungskräfte zu verbessern", wie Präfekt Stéphane Fratacci erklärte. Jeder Händler müsse wie beim Weihnachtsmarkt registriert sein, Kopien seines Ausweises und des Kfz-Scheins vorlegen. Anmeldungen in letzter Minute wie in den vergangenen Jahren seien nicht möglich.

Aufgrund der angekündigten rigiden Sicherheitskontrollen rechnet Jacques d'Auria vom Verband der fliegenden Händler auch mit nur 250 Händlern statt wie sonst mit 300, die in der Innenstadt ihre Stände aufbauen. "Die Sicherheitsmaßnahmen sind strenger als während des Weihnachtsmarktes", sagte Straßburgs OB Roland Ries. "Die Veranstaltung abzusagen, würde denen Recht geben, die auf dem französischen Boden terroristische Aktionen begehen."

Bleibt die Frage, ob die Besucher bereit sind, diesen Preis für mehr Sicherheit zu zahlen, oder ob sie beschließen, der "Braderie" fernzubleiben. Die Besucherzahlen auf dem Weihnachtsmarkt waren aufgrund der Sicherheitsmaßnahmen deutlich um rund zehn bis 20 Prozent zurückgegangen. Ursprünglich waren zwei Millionen Weihnachtsmarkt-Besucher erwartet worden.

Wegen des nach dem Attentat von Nizza verlängerten Ausnahmezustandes in Frankreich wird ab kommenden Montag, 1. August, auch der Besuch des Straßburger Münsters nur noch unter strengen Sicherheitsmaßnahmen möglich sein. Die Öffnungszeiten einer der am meisten besuchten touristischen Sehenswürdigkeiten im Elsass wurden verkürzt, "um das Sicherheitspersonal besser einsetzen zu können", heißt es in einer Mitteilung der Erzdiözese Straßburg .

Die Öffnungszeiten sind nun von Montag bis Samstag von 9.30 bis 11.15 Uhr und von 14 bis 18 Uhr. Über die Mittagszeit ist der Zugang über das Südportal möglich. Durch die veränderten Öffnungszeiten fallen die Gottesdienste morgens und abends weg. Eine Viertelstunde nach Beginn und eine Viertelstunde nach Ende der Gottesdienste werden jeweils die Kirchentüren geschlossen. Am Eingang links an der Westfassade zur "Maison Kammerzell" hin gibt es bereits seit dem Attentat von Nizza strenge Einlass- und Taschenkontrollen.

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Hintergrund Auch die lothringische Stadt Nancy hat auf das Attentat von Nizza reagiert: 23 Betonblöcke wurden an den beiden Hauptzugängen zur "Place Stanislas" aufgebaut, um Fahrzeuge daran zu hindern, auf den Platz zu fahren. Das berichtet die Zeitung "L'Est Républicain". Die anderen Zugänge würden bei Veranstaltungen auf dem Platz, der bis zu 25 000 Personen fassen kann, durch Polizeifahrzeuge versperrt, sagte Bürgermeister Laurent Hénart. Die "Place Stanislas" ist eine der Hauptsehenswürdigkeiten Nancys und zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe. red

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