Abspaltungs-Bewegung nimmt Fahrt auf Elsässer gehen auf die Barrikaden

Straßburg · 100 Persönlichkeiten aus der Zivilgesellschaft wollen raus aus der Region Grand Est. Derweil trat deren Präsident Philippe Richert am Wochenende zurück.

In der Grenzregion Grand Est rumort es: Der Präsident der Region, Philippe Richert, tritt zurück, während die Bewegung, die eine Abspaltung von Grand Est, wollen, an Fahrt gewinnt. Bis zuletzt hatten Richerts Kollegen aus anderen französischen Regionen versucht, ihn umzustimmen. Doch Richert blieb dabei. Er begründete diesen Schritt nach 35 Jahren im Politik-Betrieb damit, dass er seinem Nachfolger Zeit lassen wolle, sich bis zu den nächsten Regionalwahlen 2021 beweisen zu können. Einen namentlichen Vorschlag machte er nicht. Bei den vergangenen Wahlen war befürchtet worden, dass der rechtsextreme Kandidat Florian Philippot in Grand Est gewinnen könnte. In der Stichwahl hatte sich Richert dann durchgesetzt.

Doch dieser offizielle Grund ist wahrscheinlich nicht der einzige, der Richert zum Rücktritt bewegt hat. Aus den eigenen elsässischen Reihen wächst seit Monaten der Druck, weil sich viele eine Abspaltung von Grand Est wünschen. Für sie gilt Richert, der anfangs die Fusion der Regionen bekämpft hatte, als Verräter, der sich im Endeffekt dem Willen aus Paris fügte. Manche Kritiker waren ihn auch persönlich scharf angegangen.

Derweil gewinnt die Abspaltungs-Bewegung an Dynamik: Rund 100 Persönlichkeiten aus dem Elsass – Universitätsdozenten, Künstler, Firmenchefs – haben vergangene Woche einen „Appell der Hundert für eine neue Region Elsass“ unterschrieben. Sie wollen die französische Territorialreform von 2015 regelrecht „ausradieren“ und wünschen, dass das Elsass eine verwaltungsmäßig unabhängige Region wird. Initiiert wurde der Appell von vier Vereinen: vom „Club Perspectives Alsaciennes“, der „Initiative Citoyenne Alsacienne“, dem Verein „Kultur und Zweisprachigkeit im Elsass und Departement Moselle“ und „Elsass Region Europas“. Zu den Unterzeichnenden gehören unter anderem der Präsident des elsässischen Unternehmerverbandes Medef, Fußballtrainer Arsène Wenger und der Straßburger evangelische Dekan Philippe Gunther.

Mit diesem Protest gegen die Großregion Grand Est wollen sie erreichen, dass das Elsass wieder eine einheitliche Region wird. Dies sei unter anderem nötig, um der Zugehörigkeit zum Oberrhein und seiner europäischen Dimension gerecht zu werden. Die Unterzeichnenden fordern die elsässischen Politiker und Abgeordneten auf, sich für die Neugründung der Region Elsass zu engagieren. Die Vertreter der vier Vereine weisen darauf hin, dass laut einer Umfrage des französischen Meinungsforschungsinstitutes CSA vom April 84 Prozent der rund 1,9 Millionen Elsässer sich für einen Austritt des Elsass aus der Region Grand Est aussprechen. Die Abschaffung der Region Elsass Anfang 2016 sei „ohne jegliche Auswirkungsstudie und unter Missachtung der Demokratie“ durchgeführt worden, betonten die Vereinsvertreter bei der Vorstellung des Appells.

Die neue Region Elsass solle die Kompetenzen der Departementräte des Ober- und Unterelsass und des Regionalrates erhalten sowie einige Kompetenzen des französischen Staates, etwa im Bereich Bildung, Kultur und grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Man könne so im Elsass eine Art „Versuchslabor“ schaffen, sagte der Präsident von „Kultur und Zweisprachigkeit im Elsass und Departement Moselle, Jean-Marie Woehrling. Bei den Unterzeichnenden handele es sich um „offene und europäische Leute aus der Zivilgesellschaft“, die „von den elsässischen Politikern fordern, für das Elsass zu handeln“, betonte Jacques Schleef vom „Club Perspectives Alsaciennes“, der den „Appell der Hundert“ Präsident Emmanuel Macron übergeben will.

Der Appell wurde kurz vor einem Pariser Treffen der 15 elsässischen Abgeordneten in der Nationalversammlung am 3. Oktober veröffentlicht, bei dem die Politiker über die institutionelle Zukunft des Elsass, vor allem über eine mögliche Fusion der beiden elsässischen Departements, beraten wollen. An dem Treffen nehmen auch die Präsidenten der beiden elsässischen Departementversammlungen, Frédéric Bierry (Unterelsass) und Eric Straumann (Oberelsass) teil. Beide haben sich ebenso wie der Ex-Präsident der Region Grand Est, Philippe Richert, für eine Fusion der zwei Departements ausgesprochen.

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