Schiefergravuren im Hunsrück Felskunst ist wohl jünger als gedacht

Gondershausen · 25 000 Jahre alt – oder doch nur 2000? Die Schiefergravuren im Hunsrück lässt Forscher streiten.

 Der Archäologe Wolfgang Welker macht mit seiner Lampe die Gravuren sichtbar.

Der Archäologe Wolfgang Welker macht mit seiner Lampe die Gravuren sichtbar.

Foto: dpa/Thomas Frey

Vor sieben Jahren haben Archäologen im Hunsrück die angeblich älteste bekannte Felskunst Deutschlands vorgestellt: 20 000 bis 25 000 Jahre sei sie alt – ein „Glücksfall“. Zu erkennen sind drei Pferde und ein unbestimmtes Tier. Doch heute sagt der Gondersheimer Ortsbürgermeister Edgar Pinger (parteilos): „Die Seifenblase ist geplatzt.“ Denn längst gibt es Zweifel, ob die Felskunst nahe seinem Dorf tatsächlich aus der Altsteinzeit stammt.

Der studierte Archäologe und Lehrer Wolfgang Welker hat wissenschaftliche Artikel über die Gravuren veröffentlicht und sagt: „Wir können das Alter nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden bestimmen.“ Nur eine archäologische Datierung etwa „über den Stil und die Bildsprache“ helfe weiter. Details wie verdrehte Vorderhufe oder die Art der Darstellung zweier Pferde hintereinander seien „typisch für die Altsteinzeit“. Auch relative Vergleiche mit den Verwitterungsspuren anderer historischer Felsritzungen im Hunsrück deuteten auf ein hohes Alter hin. Zum Einwand, Felsbilder könnten hierzulande die Eiszeit nicht überlebt haben, bemerkt Welker: „Es gibt deutliche Hinweise, dass das Felsbild über mehrere Tausende Jahre geschützt in einer Lössdecke gelegen haben kann.“

Der stellvertretende Leiter des Archäologischen Forschungszentrums und Museums für menschliche Verhaltensevolution Monrepos in Neuwied, Olaf Jöris, sagt hingegen, die Felskunst sei zwar alt – aber keinesfalls altsteinzeitlich. Monrepos, Teil des Mainzer Römisch-Germanischen Zentralmuseums, hat sie unter die Lupe genommen. Nichts habe auf ein Alter von 25 000 Jahren hingedeutet, sagt Jöris. Es gebe etwa keine überlappende Linien: „Das spricht nicht für altsteinzeitliche Kunst.“ Vor allem aber „können Sie beinahe zuschauen, wie schnell Schiefer verwittert“. Regenwasser könne in Schieferlagen eindringen und sie bei Temperaturwechsel aufplatzen lassen. Hinweise auf eine frühere schützende Lössschicht seien nicht gefunden worden. Einige andere Forscher argumentieren ähnlich.

Jöris hält es immerhin für möglich, dass die Pferdedarstellung vielleicht um die zwei Jahrtausende alt sein könnte: Die Römer haben hier Schiefer abgebaut. „Wir haben da einige römische Sandalennägel gefunden“, sagt er. Vielleicht habe ein damaliger Steinbrucharbeiter das Tierbild gestaltet. Womöglich sei aber auch erst viel später ein Anwohner etwa von der im 19. Jahrhundert entdeckten steinzeitlichen Höhlenmalerei von Altamira in Spanien inspiriert worden.

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