Bioerdgas-Anlage stößt auf vehemente KritikEon-Konzern weist Vorwürfe zurück

Fitten/Merzig. Die Bauarbeiten an der Bioerdgas-Anlage gegenüber der EVS-Deponie bei Fitten schreiten zügig voran, aber die Kritik an dem Vorhaben seitens der Bürgerinitiative, die sich gegen die Anlage gegründet hat, hält an

 Spatenstich für den Bau die Biogasanlage. Foto: Rolf Ruppenthal

Spatenstich für den Bau die Biogasanlage. Foto: Rolf Ruppenthal

Fitten/Merzig. Die Bauarbeiten an der Bioerdgas-Anlage gegenüber der EVS-Deponie bei Fitten schreiten zügig voran, aber die Kritik an dem Vorhaben seitens der Bürgerinitiative, die sich gegen die Anlage gegründet hat, hält an. Seit im Mai die Erntesaison begonnen hat und neues Silagematerial in die Umgebung der im Entstehen befindlichen Anlage zur Lagerung gebracht wird, sehen die BI-Vertreter "unsere Befürchtungen übertroffen", wie BI-Sprecher Dieter Ulrich gegenüber der SZ erklärte. Die Größe der Anlage, die umgerechnet zwei Megawatt elektrische Energie erzeugen soll, belege deren industriellen Charakter, "und das mitten in der freien Natur", kritisiert Ulrich. Während die Durchschnittsleistung solcher Anlagen in Deutschland bei etwa 500 Kilowatt liege, überschreite die von einem Firmenkonsortium unter Führung des Energiekonzerns Eon betriebene Anlage bei Merzig diesen Wert um ein Vielfaches. "Sie verstößt damit gegen die ökologischen, so oft beschworenen Prinzipien der Dezentralisierung und Nachhaltigkeit", kritisiert die Bürgerinitiative. Aus ihrer Sicht wären kleinere, dezentrale Anlagen, die Reststoffe aus Land- und Forstwirtschaft verwerten, ökologisch vertretbar "und gerade in Merzig machbar". Sorge bereitet der BI, dass die Silage, die in der Anlage zu Biogas vergoren werde, mit Pestiziden belastet sei, das zu einer erhöhten Giftkonzentration in Erdreich und Grundwasser führen könne.Die Gegner des Vorhabens sind zudem der Ansicht, dass beim Planungsverfahren Formfehler gemacht wurden, obwohl dieses Verfahren nach einer Eingabe bei der Kommunalaufsicht ein zweites Mal ablaufen musste. BI-Mitglied Peter Knorst: "Das Landesdenkmalamt hat im Rahmen der Anhörung der Träger öffentlicher Belange gefordert, dass dort vor Beginn der Erdarbeiten ein Antrag auf Grabungsgenehmigung zu stellen ist. Das ist unseres Wissens nach nicht geschehen." Sorge bereitet der BI zudem die Verkehrsbelastung, die durch die Anlieferung von Silagematerial entsteht. BI-Mitglied Manfred Schwarz aus Silwingen: "Die Silage wird mit riesigen 40-Tonnern angeliefert, die gehören dort oben nicht hin." Die Gegend in der Umgebung des Anlagenstandortes sei touristisch bedeutsam: "Da führt der Saarland-Rundwanderweg vorbei, es herrscht viel Fahrradverkehr, und dann begegnen den Radlern dort solche schweren Zugmaschinen", kritisiert Schwarz. Die Anlieferung sei auch in den Abend- und Nachtstunden erfolgt, entgegen der vorherigen Zusagen der Betreiber. Zudem hält die Bürgerinitiative an ihrer Überzeugung fest, dass das Silagematerial aus einem viel weiteren Umkreis beigekarrt werden müsse als von den Betreibern der Anlage ursprünglich proklamiert. "Die Umwelt-, Wohn- und Erholungsqualität der Bürger werden damit deutlich eingeschränkt" - insbesondere in der Erntezeit von Mai bis Oktober. Noch bevor die Anlage überhaupt fertig ist, steht für die BI-Vertreter das Urteil fest: "Unsere Erholungslandschaft wirdgestört und zerstört", kritisiert Dieter Ulrich. Eine ganze Region werde als Rohstoff-Deponie missbraucht, eine gewachsene Kulturlandschaft industrialisiert. Sein BI-Kollege Roland Palz konstatiert: "Das hat mit Landwirtschaft nichts mehr zu tun." Für Manfred Schwarz ist das Projekt "biologisch gesehen verrückt". Fitten. Die Betreiber der im Bau befindlichen Bioerdgas-Anlage, ein Firmenkonsortium unter Führung des Energieversorgers Eon, haben die Kritik der Bürgerinitiative an den Umständen der Silage-Anlieferung und -Lagerung zurückgewiesen. Bezüglich der kritisierten weiten Entfernungen, aus denen die Silage laut BI zu der Anlage herangekarrt werde, erklärte Eon-Sprecher Christian Böse: "Die durchschnittliche Transportentfernung bei der im Juni bis Anfang Juli erfolgten Ernte von Getreide-Ganzpflanzensilage betrug 10,5 Kilometer." Da die Lieferverträge den einzelnen Landwirten nicht vorschrieben, welche ihrer Flächen sie für den Biomasseanbau nutzen, könne es vorkommen, dass einzelne Ernteflächen weiter von der Anlage entfernt sind als die vorgesehenen maximal 15 Kilometer. Böse: "Dies war im Juni bei zwei Ernteflächen der Fall, die 23 beziehungsweise 25 Kilometer entfernt waren.""Fahrzeuge sind zugelassen"Bei den von den Landwirten und den Lohnunternehmen eingesetzten Fahrzeugen handele es sich nach den Worten des Eon-Sprechers um die gleichen Fahrzeuge, die schon seit Jahren für die Beerntung der landwirtschaftlichen Flächen im Raum Merzig eingesetzt werden. "Die Fahrzeuge sind daher nicht überdimensioniert und auch für die Nutzung der jeweiligen Fahrtwege zugelassen." Den Vorwurf, dass Silage auch in den Nachtstunden angeliefert worden sei, wies Böse strikt zurück: Die vorgesehenen Ruhezeiten (montags bis freitags zwischen 22 Uhr und sechs Uhr früh am Folgetag, samstags nach 14 Uhr, sonntags und feiertags ganztägig) seien eingehalten worden. "Wir können dies leicht aufgrund der Wiegeprotokolle nachvollziehen und bestätigen, da jedes Erntefahrzeug vor der Entladung auf der Waage des EVS durch die dortige Betreiberfirma der Waage gewogen wird", unterstrich Böse. Auch zur BI-Kritik an der provisorischen Silagelagerung in Form von Feldmieten nehmen die Betreiber Stellung: Schon im Herbst 2009 sei neben dem bestehenden Silagelager an der Deponie ein weiteres Lager auf einer Fläche oberhalb des Anlagenstandortes angelegt worden. "Dies ist dem Landesumweltamt und auch der BI bekannt. Auch diese Lagerfläche wird regelmäßig vom Landesumweltamt überwacht." Die Anlage dieses zweiten Silos sei unter anderem auf Wunsch der Vertreter der BI geschehen, "die im Sommer 2009 eine Einstellung der weiteren Einlagerung auf der näher an Fitten gelegenen Fläche neben der Deponie verlangt hatten". Die Einlagerung der Getreide-Ganzpflanzensilage im Juni und Juli dieses Jahres erfolgte auf dieser neuen Lagerfläche oberhalb der Deponie. Sickersaftaustritt sei bei beiden Lagern ausgeschlossen, "da bei den Vorjahresmengen keine Sickersäfte austreten". Zudem sei das Erntegut in diesem Jahr sehr trocken gewesen. "Die Umwelt-, Wohn- und Erholungsqualität der Bürger werden erheblich eingeschränkt."BI-Mitglied Manfred Schwarz

HintergrundAuch die wiederholt angeprangerten Missstände bei der provisorischen Lagerung der Silage in Form von Feldmieten sieht die BI keineswegs behoben - im Gegenteil: Entsprechende Eingaben bei der zuständigen Kontrollbehörde, dem Umweltministerium, seien von diesem dürftig, "ja sogar skandalös" (Dieter Ulrich) beantwortet worden. "Wir haben Mitte Dezember festgestellt, dass Sickerwasser aus dem provisorischen Silagedepot neben der Deponie austritt und dies den zuständigen Behörden auch mitgeteilt." Erst nach mehrmaligem Nachhaken habe das Ministerium fast ein halbes Jahr später eine Antwort gegeben, die aber aus Sicht der BI völlig unzureichend ist. Ulrich: "Im Schreiben des Ministeriums wird überhaupt nicht darauf eingegangen, dass bei der Silagelagerung Auflagen nicht eingehalten worden sind." Immerhin habe das Ministerium eingeräumt, dass im Dezember 2009 tatsächlich Sickerwässer ausgetreten seien, von denen die BI befürchtet, dass sie das Grundwasser in der Umgebung belasten könnten. cbeDen formalen Fehler, auf den die Bürgerinitiative beim Genehmigungs- und Planungsverfahren hingewiesen hat, bestätigt das saarländische Umweltministerium als übergeordnete Dienstbehörde des Landesdenkmalamtes. Tatsächlich sei dort vor Beginn der Bauarbeiten kein Antrag auf Grabungsgenehmigung gestellt worden, wie es vom Amt verlangt worden sei. Erst aus den Medien habe das Denkmalamt davon erfahren. Eine Überprüfung habe ergeben, dass dieser Antrag den Betreibern in der Baugenehmigung nicht zur Auflage gemacht worden ist. Etwas anders äußert sich Eon-Sprecher Christian Böse: "Die Grabungsgenehmigung wurde unsererseits beantragt, obwohl dies keine Auflage in der Baugenehmigung war." Allerdings erfolgte dieser Antrag nach Darstellung des Ministeriums erst nach Beginn der Arbeiten. Da das Denkmalamt seither in die laufenden Arbeiten eingebunden sei und diese bodendenkmalpflegerisch begleite, ist aus Sicht des Umweltministeriums nach den Worten von dessen Sprecherin Sabine Schorr die Auflage des Denkmalamtes erfüllt. cbe

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