Bilder bringen die Kindheit zurück

Schwalbach. Durch Schwalbach fuhr mal eine Straßenbahn. Wer nach 1961 geboren ist, weiß das nur aus Erzählungen oder von Fotos. Maria Schackmann ist 90 Jahre alt und war dabei

 Auch das Foto der alten Schwalbacher Straßenbahn stammt vom Heimatverein. Foto: Jenny Kallenbrunnen

Auch das Foto der alten Schwalbacher Straßenbahn stammt vom Heimatverein. Foto: Jenny Kallenbrunnen

Schwalbach. Durch Schwalbach fuhr mal eine Straßenbahn. Wer nach 1961 geboren ist, weiß das nur aus Erzählungen oder von Fotos. Maria Schackmann ist 90 Jahre alt und war dabei. Als die Wände ihres Altenpflegeheims, des Luise-Deutsch-Hauses in Schwalbach, mit alten Fotos aus der Gemeinde im Großformat dekoriert wurden, blieb sie plötzlich vor einem der Bilder stehen - und erzählte von früher. Für Heimleiter Andreas Roden ist es Geschichte, was er dort gerahmt an den Wänden sieht. Für die Bewohner sind es Kindheitserinnerungen.

Die Bahn fuhr 1961 letztmals

"Ich wollte, dass die Leute sich an ihre eigene Geschichte erinnern und sie erzählen", sagt Roden. Auf dem Foto zu sehen ist eine alte Straßenbahn, aufgenommen vor dem Schwalbacher Gasthof Hiery. "Wissen Sie was", sagt Maria Schackmann, "diese Bahn hier, die Linie zwei zum Kleinen Markt in Saarlouis, hat meine Mutter damals im Krieg gefahren. Ich war noch ganz klein und wusste nur: Wenn diese Bahn kommt, steigt meine Mutter ein und ist weg. Wie die diesen Wagen nach Saarlouis bringt, habe ich damals nicht verstanden", sagt sie. Das Foto zeigt die Bahn auf ihrer letzten Fahrt 1961.

Die Aufnahmen stellt der Schwalbacher Förderverein für Denkmalpflege und Heimatkunde zur Verfügung, Roden lässt sie im Großformat drucken. Er selbst wählt die Fotos aus, wechselt ab zwischen Zeitgeschichte und Individuellem. "Fotos aus Alltagssituationen, auf denen Menschen sind, sind immer interessant", sagt Helmut Kreutzer vom Heimatkunde-Verein.

Die ersten historischen Fotos hat Roden vor drei Jahren ins Heim gehängt. Wann immer etwas Geld übrig ist, lässt er neue drucken und rahmen; die neuesten hat das Heim sich im Februar von einer Spende des Fördervereines geleistet.

Knapp 10 000 Fotos aus dem alten Schwalbach haben die Heimatkundler gesammelt, über zehn Jahre lang, aus Büchern, Zeitschriften und Privatbesitz. "Unser Hauptanliegen ist, die Geschichte der Gemeinde bekannt zu machen", sagt Bodo Konstroffer, Spartenleiter Geschichte des Vereines. "Hier geht es uns natürlich auch darum, den Menschen, die das alles selbst erlebt haben, eine Freude zu machen. Das ist doch ein Erfolg, wenn wir den Menschen auf Bildern ihre Kindheit zurückbringen können!"

Die Fotos zeigen Vertrautes

Rund zwei Drittel der 80 Heimbewohner leiden an Demenz. Fast alle von ihnen haben den größten Teil ihres Lebens in Schwalbach verbracht. "Ein Altersheim ist für die Bewohner natürlich erst einmal etwas Fremdes", weiß Roden, "auf den Fotos können sie Vertrautes wiedererkennen."

Wer demenzkrank ist, erinnert sich schlecht an Dinge, die gerade erst passiert sind, aber gut an das, was er vor Jahren erlebt hat, als die Speicherfähigkeit seines Gehirns noch unversehrt war. "Demenzkranke Menschen kommen sich im Alltag oft inkompetent vor. Aber wenn sie Fotos aus ihrer Jugend sehen, dann wissen sie wieder Bescheid, dann gibt es etwas, das sie mir erklären können", sagt Roden. Wenn er sich die alten Fotos ansieht, ist das der professionelle Aspekt für ihn als Heimleiter, der ihn beschäftigt. "Persönlich berührt mich die enorme Spanne eines Menschenlebens, was ein Mensch alles erleben kann."

Auch eine Dia-Schau im Luise-Deutsch-Haus mit den Fotos des Heimatkunde-Vereins ist geplant. "Der Heimatverein ist für mich als Heimleiter ein Schatzkästlein", sagt Roden.

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