Kirchenkunst Himmlische Schönheit mit irdischer Nachhilfe

Unangefochten ist es das prächtigste Buch, das diesen Herbst in der Region erschienen ist. Der opulente Bildband „Himmelsgewölbe“ des Saarlouiser Fotografen Werner Richner lenkt den Blick auf die Kirchendecken des Landes. Wunderbares gilt es zu entdecken!

 Steinernes Netz am Kirchenhimmel: Die 1928/29 erbaute Bonifatius-Pfarrkirche in Überherrn hat auch expressionistische Elemente.

Steinernes Netz am Kirchenhimmel: Die 1928/29 erbaute Bonifatius-Pfarrkirche in Überherrn hat auch expressionistische Elemente.

Foto: Werner Richner

Wie man sich Werner Richner vorstellen muss? Vielleicht ja so: als leidenschaftlichen Hans Guck-in-die-Luft. Den Kopf stets im Nacken streift er durch die Kathedralen dieser Welt, aber auch durch die Kirchen des kleinen Saarlandes. „Zum Glück nimmt mir die Kamera meist den Blick nach oben ab“, meint der Saarlouiser Fotograf. Berufsbedingte Genickstarre ist also nicht zu fürchten bei seiner Arbeit, seiner Passion, die ihn seit Jahren schon gefangen nimmt. Und wohl so schnell auch nicht auslässt.

Der Foto-Profi, der Jahrzehnte schon für Magazine wie „GEO“ international unterwegs ist, hat nun einen Bildband aus der Heimat vorgelegt, für den das Wörtchen „spektulär“ nach Untertreibung klingen muss. „Himmelsgewölbe“ heißt der. Er zeigt uns Kirchendecken von rund 120 saarländischen Gotteshäusern: etwa die bestechende Klarheit der grau-roten Kassettendecke in der Pfarrkirche Sankt Peter/Sankt Hubertus in Bous genauso wie das sparsam, aber effektvoll farbig akzentuierte Kreuzrippengewölbe der Reisbacher Pfarrkirche Mariae Offenbarung. Ein Augenschmaus nach dem anderen.

Doch wie kam’s dazu? Vor zehn Jahren führte Richner wieder mal ein Reiseführer-Job ins Herz Frankreichs. Kirchen sind dann Pflichtorte. Auch die mächtige Kathedrale von Bourges war so einer. Plötzlich aber entdeckte Richner dort, was „sich alles an einer Kirchendecke abspielen kann“: Baumeister- und Steinmetzkunst, die das kühne und doch für Jahrhunderte unerschütterliche Zusammenspiel von Säulen, Pfeilern und Bogen dirigiert. Oder das in Farbe gebannte Heiligen- und Gotteslob. All das kam für Werner Richner, sonst eher Gelegenheits-Katholik, fast einem Erweckungserlebnis gleich. Ihm war klar: Künftig muss er Kirchendecken, Himmelsgewölbe fotografieren.

Richners Kamerablick geht dabei durch lichtstarke Objektive fast immer frontal himmelwärts. Er zeigt uns Decken wie Gemälde – als Sinnbilder göttlicher Ordnung. Säulen, Pfeiler, Gewölbe, selbst Lampen fügen sich zur „Geometrie der Transzendenz“, so der Untertitel des Bandes. Nach Bourges nahm Richner weitere Kathedralen auf seine Agenda. Denn er wollte vor allem das machtvollste architekonische Gotteslob ablichten. Da auch mal in der Heimat nach oben zu schauen, kam ihm nicht in den Sinn. Bis ihn der Saarbrücker Theologie-Professor Joachim Conrad just auf eine Dorfkirche stieß: die Martinskirche Kölln in Köllerbach. Sie schmückt sich mit dem größten gotischen Deckengemälde des Landes, Szenen aus dem Leben des Heiligen Martin. Richner war elektrisiert, begann auch hier zu fotografieren. „Und ich entdeckte so viel Sensationelles“, sagt der 70-Jährige.

 Fast 300 Buchseiten, bereichert durch die Erläuterungen Joachim Conrads, bezeugen dies. Manchmal wirken die Aufnahmen so überirdisch, dass sie dem Alltagsblick des normalen Kirchgängers entrückt scheinen. Und zu fern für Fotografen, die Dokumentaristen sein wollen. Werner Richner sieht sich als künstlerischen Dokumentarfotografen, dem Nachbearbeitung am Rechner nicht als Teufelswerk gilt: Etwas irdische Nachhilfe eben für himmlische Schönheit.

  Außen schwer, innen leicht: Wer die katholische Pfarrkirche Sankt Mauritius in Sotzweiler betritt, staunt über das unerwartet elegante neogotische Kreuzrippengewöbe.

Außen schwer, innen leicht: Wer die katholische Pfarrkirche Sankt Mauritius in Sotzweiler betritt, staunt über das unerwartet elegante neogotische Kreuzrippengewöbe.

Foto: Werner Richner
 Das Auge Gottes schaut auf uns: Der Strahlenkranz in der Wendalinuskapelle am Fuße des Bosenbergs rahmt in einem goldenen Dreieck das Auge Gottes.

Das Auge Gottes schaut auf uns: Der Strahlenkranz in der Wendalinuskapelle am Fuße des Bosenbergs rahmt in einem goldenen Dreieck das Auge Gottes.

Foto: Werner Richner
  Jünger als gedacht: Die neobarocke Kirchendecke der Pfarrkirche Sankt Crispinus/Crispinianus in Lisdorf stammt von 1976; 1960 war der Chor des Gotteshauses eingestürzt.

Jünger als gedacht: Die neobarocke Kirchendecke der Pfarrkirche Sankt Crispinus/Crispinianus in Lisdorf stammt von 1976; 1960 war der Chor des Gotteshauses eingestürzt.

Foto: Werner Richner
 Modern und doch klassisch: Die Privatkapelle Statio Dominus Mundi in Wustweiler wurde 2002 vom Unternehmerehepaar Ursula und Edmund Meiser gebaut.

Modern und doch klassisch: Die Privatkapelle Statio Dominus Mundi in Wustweiler wurde 2002 vom Unternehmerehepaar Ursula und Edmund Meiser gebaut.

Foto: Werner Richner
 Auch Schlichtes kann schön sein: Nach Kriegsschäden wurde das ursprüngliche Deckengewölbe der Bouser Pfarrkiche durch diese Kassettendecke ersetzt.

Auch Schlichtes kann schön sein: Nach Kriegsschäden wurde das ursprüngliche Deckengewölbe der Bouser Pfarrkiche durch diese Kassettendecke ersetzt.

Foto: Werner Richner
 Die heutige Pfarrkirche Sankt Franziskus in Urexweiler hatte bereits eine barocke Vorgängerin. Das jetzige, neobarocke Gotteshaus wurde 1913/1914 gebaut.

Die heutige Pfarrkirche Sankt Franziskus in Urexweiler hatte bereits eine barocke Vorgängerin. Das jetzige, neobarocke Gotteshaus wurde 1913/1914 gebaut.

Foto: Werner Richner
 Beinahe südländische Leichtigkeit: Blick in das Innere der katholischen Pfarrkirche Sankt Mauritius in Alsweiler.

Beinahe südländische Leichtigkeit: Blick in das Innere der katholischen Pfarrkirche Sankt Mauritius in Alsweiler.

Foto: Werner Richner

„Himmelsgewölbe“: Bildband von Werner Richner, Texte: Joachim Conrad, 280 Seiten, 135 Fotos, Geistkirch, 55 Euro.
Die Ausstellung „Himmelsgewölbe“ mit Fotografien aus dem Bildband ist vom
1. bis 31. Dezember in der Saarbrücker Ludwigskirche zu sehen, täglich außer Mo 12 bis 17 Uhr.

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