Landgericht Saarbrücken Richter: Schneidewind als OB ungeeignet

Saarbrücken/Homburg · Landgericht verhängt wegen besonders schwerer Untreue im Amt Bewährungsstrafe von 15 Monaten gegen Homburger Rathauschef.

 Der Homburger Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind (SPD) vor Prozessbeginn im Landgericht.

Der Homburger Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind (SPD) vor Prozessbeginn im Landgericht.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Rüdiger Schneidewind (50), seit Oktober 2014 Oberbürgermeister (OB) der Kreis- und Universitätsstadt Homburg, wirkt geschockt. Mit rotem Kopf hört er, wie Ralf Schwinn, Vorsitzender Richter der vierten Strafkammer des Landgerichts, das Urteil gegen ihn verkündet und fast 40 Minuten begründet. Das Gericht spricht den SPD-Politiker in der Homburger Detektivaffäre der besonders schweren Untreue im Amt für schuldig. Der Schuld angemessen hält das Gericht (drei Profirichter und zwei Schöffen) eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Als Auflage muss Schneidewind  10 000 Euro an die Bewährungs- und Jugendgerichtshilfe in 20 Monatsraten zahlen. Für den noch amtierenden OB bedeutet dies, dass er, so das Urteil rechtskräftig wird, sofort sein Amt und den Beamtenstatus verliert. „Die Kammer hält dies für sachgerecht“, betont Schwinn. Der Angeklagte habe gezeigt, dass er als Oberbürgermeister „ungeeignet ist“. Verteidiger Joachim Giring hat bereits Revision zum Bundesgerichtshof angekündigt.

„Das ist Untreue durch Verletzung der Dienstpflichten“, erklärte Schwinn. Schneidewind habe mit „bedingtem Vorsatz“ gehandelt. Konkret sei gegen die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht und das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen worden. Die Richter gehen von einen so genannten Gefährdungsschaden zum Nachteil der Stadt in Höhe von rund 130 000 Euro aus. Die komplette Detektiv-Rechung ging über 330 000 Euro. Mit dem Auftrag an eine Düsseldorfer Detektei, die über einen Monat Bauhofmitarbeiter im Auftrag Schneidewinds observierte, sei öffentliches Geld verschleudert worden. Denn es wurden keine Vergleichsangebote eingeholt, um den marktüblichen Preis für den Privatermittler-Einsatz zu prüfen. Schwinn: „Der Staat hat nichts zu verschenken.“

Schon in einer Vorbemerkung des Gerichts zur Urteilsbegründung berichtete Schwinn als Ergebnis der Beweisaufnahme von „erschreckenden Zuständen“ im Homburger Rathaus. Es sei klar geworden, mit „welchem Dilettantismus und welcher Sorglosigkeit an der Spitze der Stadt Homburg“ vorgegangen werde. Dort sei immerhin die Verantwortung für 450 Mitarbeiter und einen 100-Millionen-Etat angesiedelt.  Der OB habe erklärt, er kenne sich mit Detekteien und Verträgen nicht aus, unterschreibe dann aber doch den Vertrag. Der Leiter des Rechts- und Ordnungsamtes habe einen wichtigen Vermerk einfach zurückdatiert. Zudem verweise er darauf, dass er selbst kein Jurist sei. Der Kämmerer dachte daran,  Rechnungen zum Jahresende zu „splitten“, um  Verfügungsgrenzen des Oberbürgermeisters zu umgehen. Der Hauptamtsleiter interessierte sich angeblich  nur am Rande für die gesamte Angelegenheit.

Mit seinem Urteil ging das Gericht deutlich über das von Oberstaatsanwalt Peter Thome zum Abschluss seines einstündigen Plädoyers geforderte Strafmaß hinaus. Er hatte zehn Monate Freiheitstrafe zur Bewährung und eine Geldauflage von 12 000 Euro gefordert. Thome ging zudem von zwei Untreue-Fällen aus.

Verteidiger Joachim Giring sah derweil keine Anhaltspunkte für Untreue, für die Vorsatz erforderlich sei. Der Anwalt plädierte auf Freispruch seines Mandanten, der sich auf die Aussagen und Hinweise seines Rechtsamtes und anderer Mitarbeiter verlassen habe. Insbesondere den Leiter des Rechts- und Ordnungsamtes sah er in der Verantwortung. Giring verwies zudem darauf, dass das vom Gericht in Auftrag gegebene Sachverständigen-Gutachten nicht verwertet werden dürfe. Der Gutachter habe Detekteien, bei denen er  Angebote anforderte, insofern getäuscht, als er vorgab, für einen mittelständischen Handwerksbetrieb eine Detektei für mehrmonatige Observationen zu suchen.

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