Besuch in den Räumen des Wissens

Völklingen. Ein Archiv ist eine Grundlage der Geschichtsschreibung. Doch wie wird normales Schriftgut zum Archivgut? Wer entscheidet, was archivwürdig ist, welche Unterlagen sind in Völklingen zu finden? Wer am Donnerstagnachmittag den Tag des offenen Archivs in der Hüttenstadt besuchte, hatte auch viele Fragen im Gepäck

 Stadtarchivar Christian Reuther zeigt den Besuchern Norbert Reichert und Rolf Heintz eine historische Karte. Foto: Becker&Bredel

Stadtarchivar Christian Reuther zeigt den Besuchern Norbert Reichert und Rolf Heintz eine historische Karte. Foto: Becker&Bredel

Völklingen. Ein Archiv ist eine Grundlage der Geschichtsschreibung. Doch wie wird normales Schriftgut zum Archivgut? Wer entscheidet, was archivwürdig ist, welche Unterlagen sind in Völklingen zu finden? Wer am Donnerstagnachmittag den Tag des offenen Archivs in der Hüttenstadt besuchte, hatte auch viele Fragen im Gepäck. Es kamen Besucher, die bereits regelmäßig in alten Dokumenten stöbern, aber auch solche, die noch nie ein Archiv betreten haben. Die Fragen, die sie hatten, entsprangen meist der eigenen Forscherarbeit. Sei es bei der Ahnenforschung, der Ausarbeitung lokalhistorischer Themen oder der Wappenkunde. Die Anfrage beim Archivar ist der Startschuss der Recherche.Ob das, was gesucht wird, auch gefunden werden kann, weiß Christian Reuther. Er schilderte den Besuchern zu Beginn der Führung zunächst den Weg, den das Archiv in Völklingen zurücklegen musste, bis es am jetzigen Standort, dem alten Bahnhof landete. Mit der Dokumentenkiste aus dem 18. Jahrhundert, die von den Bürgermeistern weitergegeben wurde, hat es schon lange nichts mehr gemein. Seit 1876 ist in Völklingen eine Archivablage vermerkt, der Ort der Aufbewahrung wechselte ständig. Mal war es ein Keller, mal ein Dachgeschoss.

Das Stadtarchiv ist auch immer noch nicht komplett, Teile davon liegen noch im Rathaus und warten auf ihre Bearbeitung. "Erschlossen sind bisher etwa 2800 Dokumente", erklärt Reuther, "über 8000 warten noch darauf". Die Erschließung der Dokumente ist eine verantwortungsvolle Tätigkeit, denn nicht alles ist archivwürdig, was angeboten wird. "Den Archivar zeichnet eine hohe Bewertungskompetenz aus", erklärt Reuther, "denn unsere Arbeit bildet die Grundlage der Geschichtsschreibung".

Bis ein Dokument im säurefreien Karton und im klimatisierten Magazin, dem Herzstück des Archivs, landet, muss es entmetallisiert, eventuell gesäubert und restauriert werden. Der Archivar setzt Vermerke und erstellt oder aktualisiert das Findbuch, den Wegweiser durch die Archivlandschaft. Spätestens jetzt, wo die Besucher im Magazin stehen, wird allen klar, welche Schätze hier lagern. Und ein Blick nach oben an die Decke gibt Sicherheit. Die Brandmelder, die dort angebracht sind, werden hoffentlich nie anschlagen.

Nebenan, im Kartenraum können alte Karten und Zeichnungen der Völklinger Hütte von 1887 bestaunt werden. "Das älteste Dokument im Völklinger Stadtarchiv ist von 1609 und stammt von Ludweiler, erzählt der Archivleiter nicht ohne Stolz, "es geht um Befreiung vom Frondienst gegen Frongeld."

Zum Abschluss der Führung weist Reuther auf die Aufgaben des Archivs hin. Da wäre einmal die Rechtswahrung für den Archivträger und die Übernahme des Schriftgutes von Behörden, Unternehmen und Privatpersonen. Dann müssen Anfragen von Besuchern, Behörden und Wissenschaftlern beantwortet werden. Öffentlichkeitsarbeit gibt es auch in Form von Archivpädagogik, Publikationen ("Völklinger Schätze") und Ausstellungen, wie zuletzt die polnische Wanderausstellung über Zwangsarbeiter.

Die Aufgaben von Christian Reuther sind genauso vielfältig wie die Dokumente, die im Archiv ihre letzte Ruhe gefunden haben. Vielleicht holt sie jemand wieder ans Tageslicht und schreibt eine Geschichte darüber. Norbert Reichert, Teilnehmer einer Führung, scheint es schon in den Fingern zu jucken: "Die Firmengeschichte meines ehemaligen Unternehmens zu schreiben, würde mir gefallen", verrät er. Genug Material und kompetenten Rat wird er im Völklinger Stadtarchiv sicherlich finden. "Das älteste Dokument im Völklinger Archiv ist

von 1609."

Christian Reuther

AUF EINEN BLICK

Stadtarchivar Christian Reuther studierte Geschichte und Englisch in Trier. Bevor er 2011 Leiter des Stadtarchivs Völklingen wurde, arbeitete er im Stadtarchiv St. Wendel und absolvierte das Referendariat zum höheren Archivdienst in Weimar und Marburg. Er bietet im Rahmen der Archivpädagogik Interessierten gerne einen Vortrag über das Lesen alter Schriften an. Wer Interesse hat, kann sich melden unter Tel. (0 68 98) 13-24 32 oder per E-Mail an christian.reuther@voelklingen.de. sri

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