Berühmte Maler als Lehrmeister

Saarbrücken. Wie es kommt, dass man als Betrachter das Gefühl hat, in seine Bilder hineinpurzeln zu können, erzählt Roberto Innocenti im Hotel beim Kaffee. Mittendrin spurtet er los in sein Zimmer, kehrt mit einem Arm voll Zeichnungen, Büchern und Pergamentpapieren zurück

 Robert Innocenti zeigt in der K4-Galerie Originale seiner Buchillustrationen. Foto: Astrid Karger

Robert Innocenti zeigt in der K4-Galerie Originale seiner Buchillustrationen. Foto: Astrid Karger

Saarbrücken. Wie es kommt, dass man als Betrachter das Gefühl hat, in seine Bilder hineinpurzeln zu können, erzählt Roberto Innocenti im Hotel beim Kaffee. Mittendrin spurtet er los in sein Zimmer, kehrt mit einem Arm voll Zeichnungen, Büchern und Pergamentpapieren zurück. Er versuche immer die zwei Dimensionen eines Blattes total auszunutzen, dem Leser das Gefühl für eine weitere mitzugeben. Innocenti zeigt die Pergamente, die er beim Malen benutzt, mit Linien, Rastern, Mustern, die diese dritte Dimension freilegen. Dafür sorgen, dass die kleinen Gassen und Plätze in "Pinocchio" wirken, als wollten sie einen ins Leben dort hineinsaugen.Innocenti hat einen Weg aus der Fläche gefunden. Detailverliebt sind seine Bilder meist, Brotkrumen, vergessene Bürsten auf Fenstersimsen, es gibt alles und noch mehr zu entdecken: "Die Bildkomposition muss zwar 'wahr' sein, aber es braucht auch das bewusst Übertriebene, das Verzerrte, das erst macht es mitreißend."

Überall lugen Anklänge an den Surrealismus hervor, sei es im "Hotel zur Sehnsucht", sei's im "Nussknacker und Mausekönig". Innocenti sprudelt über, plaudert von Atmosphäre, den Anfängen seiner Kunst, wie er auf Umwegen vom Zeichentrickstudio über Poster- und Covergestaltung beim Kinderbuch landete "In Italien konnte man mit Buchillustration kaum Geld verdienen. Und ich hatte Frau und Kind." Und dann das Glück, in seiner Heimat Florenz einen amerikanischen Grafiker kennenzulernen, der bei einem bekannten New Yorker Studio arbeitetet. Durch diesen Kontakt erhielt er 1992 den Auftrag zu seinem ersten im Ausland verlegten Buch, "Cinderella".

Bald gingen seine Bücher in die Welt, sein Ruhm wuchs. Dabei ist Innocenti Autodidakt. Erzählenwollen sei sein Hauptantrieb meint der Künstler und wirkt sehr bescheiden. Da er kein Kind reicher Eltern sei, habe er in den 50ern eine solche Ausbildung nicht ins Auge fassen können. Später habe er das Studieren nachgeholt. "Ich habe andere Künstler studiert", sagt Innocenti schmunzelnd. Sein altmeisterlicher Stil kommt wohl nicht von ungefähr, immer schwirrten ihm Gemälde im Kopf. Bruegel und Botticelli etwa verehre er.

Innocenti malt am liebsten auf handgeschöpftem Papier, Aquarell, Temperafarben, Öl. Mache er Bilder zu Texten, reizten ihn Momente, die Raum für Ironie böten. Bei "Ein Haus erzählt" habe er eine Idee gehabt, die er inzwischen fast bedauerte. Innocenti schaut betont erschöpft: Eine feste Szene durch die Jahrhunderte, ein Haus als Ort erlebter Geschichte: "Nach der Hälfte war ich schon sehr müde." Wächst der Mohn auch richtig weiter, wie sieht das Getreide jetzt aus, wie die Bäume? So viel musste beachtet werden.

Von einem seiner liebsten Zeichenpapiere aus dem Jahr 1960 habe er noch 30 Blatt. Die PC-Kultur lasse vieles vom Markt verschwinden. Sind die aufgebracht, was soll's, meint er: "Ich bin ja mit 71 Jahren auch näher an meinem Verfalls- als am Herstellungsdatum." Da ist sie wieder: Innocentis feine Ironie.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort