Aktuelle Bertelsmann-Studie Tausende Stellen fehlen: Vier von fünf Kindern in Saar-Kitas haben nicht genügend Betreuung

Update · Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung sieht dringenden Verbesserungsbedarf bei den Erzieher-Stellen im Saarland. Bis 2030 würden weitere 5000 Stellen fehlen. Das Bildungsministerium bezeichnet die Personalsituation als „vergleichsweise gut“. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Saarland übt Kritik an der aktuellen Situation.

Bertelsmann-Studie:Bedarf an zusätzliche Kita-Stellen im Saarland
Foto: dpa-tmn/Uwe Anspach

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung sieht im Saarland in den kommenden Jahren einen Bedarf an Tausenden zusätzlichen Kita-Erziehern. Mit den derzeit bestehenden Ausbildungskapazitäten würden bis zum Jahr 2030 rund 3000 Personen diesen Beruf ergreifen, benötigt würden aber für eine kindgerechte Betreuung und eine ausreichende Zahl von Kitaplätzen weitere 5000, teilte die Stiftung am Dienstag mit.

Diese Lücke lasse sich weder mit einem Ausbau der Ausbildungskapazitäten noch mit pädagogisch nachqualifizierten Quereinsteigern aus anderen Berufen schließen, heißt es in dem erstmals erhobenen „Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule“, der zusammen mit dem „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ veröffentlicht wurde.

Die Bertelsmann-Stiftung geht in ihren Berechnungen von der wissenschaftlichen Empfehlung für den Personalschlüssel von 3,0 Kindern je Fachkraft in einer Krippengruppe (für die unter Dreijährigen) und von 7,5 in Kindergartengruppen aus. Zuletzt (Stichtag 1. März 2020) betreute rein rechnerisch im Saarland eine Vollzeit-Erzieherin im Schnitt 3,7 Unter-Dreijährige in Krippen, in den Kindergärten waren es pro Fachkraft 9,8 Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren.

Nicht genügend Personal für vier von fünf Kindern

Die Studie kommt daher zu dem Schluss, dass für derzeit etwa vier von fünf Kindern in Kita-Gruppen im Saarland nicht genügend Fachpersonal vorhanden ist. In den Krippengruppen habe sich der Personalschlüssel von 3,7 zwischen 2013 und 2020 nicht verändert. In den Kindergärten habe es im selben Zeitraum nur eine leichte Verbesserung von 10,1 auf 9,8 Kinder pro Erzieher gegeben. Die Gruppengröße sei aber ein wichtiger Gradmesser für die Qualität in Kindertagesstätten.

Im Saarland besuchten zum Stichtag 1. März 2020 rund 7300 Unter-Dreijährige eine Kita, das entspricht einer Quote in dieser Altersgruppe von 30 Prozent. Zum Vergleich: In Ostdeutschland sind es in den dortigen Bundesländern im Schnitt 53 Prozent. Bei den Drei- bis Sechsjährigen liegt der Wert bei knapp 92 Prozent und damit fast im bundesweiten Schnitt (93 Prozent).

Bildungsministerium: Bildung und Betreuung „deutlich vorangebracht“

Das saarländische Bildungsministerium reagierte am Dienstagmittag auf die Studie. Der Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften wachse, das Saarland habe aber eine „vergleichsweise gute Personalsituation“. Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot erklärte dazu: „Wir haben in den vergangenen Jahren die frühkindliche Bildung und Betreuung im Saarland deutlich vorangebracht, es bleibt aber viel zu tun. Um Familien zu entlasten und allen Kindern einen guten Zugang zur Kita zu ermöglichen, werden wir bis 2022 die Kita-Elternbeiträge halbieren. Mein Ziel bleibt darüber hinaus ganz klar die Beitragsfreiheit - das ist neben dem Ausbau der Kita-Plätze ein wichtiger Hebel, um mehr Kindern den Kita-Besuch zu ermöglichen.

Die Personalsituation in den Saar-Kitas solle in Zukunft durch das neue Saarländische Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsgesetz weiter verbessert werden. Dafür brauche es natürlich attraktive Ausbildungsangebote. „Mit der vergüteten Praxisintegrierten Erzieher*innenausbildung haben wir bereits einen Meilenstein erreicht, wir werden sie jetzt noch besser machen. Aber auch mit der berufsbegleitenden Ausbildung und der Ausbildung in Teilzeit, die ab dem Schuljahr 2021/22 am Sozialpflegerischen Berufsbildungszentrum Saarbrücken erstmals angeboten werden, wollen wir mehr Menschen für die wichtige Arbeit in unseren Kitas gewinnen“, so Clivot weiter.

Im Saarland stehen mittlerweile laut Bildungsministerium saarlandweit rund 6600 Krippenplätze und 28 102 Kita-Plätze zur Verfügung. 2012 waren es noch rund 4000 Krippen- und 26.605 Kita-Plätze. Im Schuljahr 2020/2021 seien an den vier öffentlichen Fachschulen für Sozialpädagogik rund 1200 Personen und an den beiden privaten Fachschulen rund 580 Personen zu staatlich anerkennten Erzieherinnen ausgebildet worden. Hinzu kommen die rund 280 staatlich anerkannten Kinderpflegerinnen, die an den drei Berufsfachschulen für Kinderpflege ausgebildet werden.

Gewerkschaft übt Kritik

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Saarland äußerte sich am Dienstag ebenfalls per Pressemitteilung zu der Studie. Sie fordert darin, die Verstetigung der finanziellen Mittel vom Bund auf Grundlage des Kita-Qualitäts- und Teilhabeverbesserungsgesetzes (sogenanntes „Gute-Kita-Gesetz) und den vorrangigen Einsatz dieser Mittel im Saarland für die Verbesserung des Personalschlüssels und die Gewinnung neuer Fachkräfte. „Langfristig muss ein ausreichendes Fachkräfte-Angebot aufgebaut werden, damit neben dem Ausbau von Kita-Plätzen, die Einrichtungen mit einer kindgerechten Personalausstattung arbeiten können. Dies gilt ebenso für die Kindertagespflege und den sozialpädagogischen Bereich an Ganztagsschulen“, teilt die GEW weiter mit. 

Auf Landesebene müssten strukturelle Verbesserungen wie bei der Personalausstattung auch landesgesetzlich verankert werden. Im Saarland brauche es dafür eine gemeinsame Initiative aller beteiligten Akteure. Die Landesvorsitzende der GEW, Birgit Jenni, fordert deshalb einen gemeinsamen Bildungspakt. Nur so könne es gelingen, genügend Plätze und eine kindgerechte Qualität für jedes Kind im Saarland zu ermöglichen.

(dpa)
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