Enttäuschung über Kohlekommission Bergbau-Gemeinden wollen Kohle vom Bund

Lebach · Die Saar-Kommunen fühlen sich gegenüber den Braunkohle-Revieren arg benachteiligt. Die Bürgermeister wenden sich jetzt an den Bund.

 Die Bürgermeister von 18 der 30 bergbaubetroffenen Kommunen unterzeichneten in Lebach einen offenen Brief an die Bundesregierung. Sie fordern eine Gleichstellung der vom Bergbau betroffenen Kommunen gegenüber den Braunkohle-Revieren.

Die Bürgermeister von 18 der 30 bergbaubetroffenen Kommunen unterzeichneten in Lebach einen offenen Brief an die Bundesregierung. Sie fordern eine Gleichstellung der vom Bergbau betroffenen Kommunen gegenüber den Braunkohle-Revieren.

Foto: BeckerBredel

Risse an Bauwerken wegen Untertage-Erschütterungen, kaputte Straßen und Kanalrohre wegen Grubensenkungen, Giftstoffe im Grubenwasser und Sorgen um die wirtschaftliche Umstrukturierung und Zukunft der Region: Sechseinhalb Jahre nach dem Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau im Saarland schlagen nun auch die Bürgermeister der 30 vom Bergbau betroffenen Kommunen im Saarland Alarm und fordern in einem offenen Brief an die Bundesregierung eine Gleichbehandlung mit den Braunkohle-Revieren im Osten und an der Ruhr. Denen hatte die Kohlekommission Ende Januar 40 Milliarden Euro für die nächsten 20 Jahre zugesagt.

Als Erstunterzeichner des Briefes an die Bundesregierung, der auch von den Landräten im Saarland sowie dem Städte- und Gemeindetag unterstützt wird, trafen sich am Donnerstag 18 der 30 betroffenen Rathauschefs in der Lebacher Stadthalle.

„Es geht uns nicht um eine Neid-Debatte, aber wir sehen das Saarland ganz klar im Nachteil“, betonte der Lebacher Bürgermeister Klauspeter Brill (parteilos), der zusammen mit dem Nalbacher Bürgermeister Peter Lehnert (Grüne) die Aktion Richtung Bundesregierung initiiert hat. „Die Maßnahmen zum Ausstieg aus der Steinkohleförderung verstoßen im Vergleich zu den Ergebnissen der Kohlekommission gegen das mit der deutschen Wiedervereinigung gefasste politische Leit- und Handlungsziel (Artikel 72 Grundgesetz) der Bundesrepublik, gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Regionen, Bundesländer und Bürger zu schaffen“, heißt es in dem Brief der Rathauschefs. Den verlas der Saarwellinger Bürgermeister Manfred Schwinn (SPD) als Vertreter einer von den Bergbauschäden mit am stärksten betroffenen Gemeinden unter viel Applaus seiner Kollegen: „Gleichwertige Lebensbedingungen bedürfen in allen Regionen einer leistungs- und zukunftsfähigen Infrastruktur und starken Wirtschaft.“

Eine konkrete Zahl der finanziellen Hilfe-Forderungen der betroffenen Saar-Kommunen Richtung Bundesregierung wollte Lehnert nicht nennen. „Hochrechnen kann man das sehr schwierig. Aber wir können als Beispiel das Rheinische Revier nehmen, die bekommen 15 Milliarden Euro...“ Berücksichtigen müsse man aber auch immer Bevölkerungszahl und andere Faktoren. „Es geht nicht nur um Geld, es geht auch um die zukünftige Entwicklung des Saarlandes“, betonte Lehnert. „Jede Gemeinde hat eine andere Betroffenheit.“ Er kündigte eine Bestandsaufnahme der Kommunen und bereits für nächste Woche erste Gespräche der Bürgermeister mit der Landesregierung sowie einem Vertreter der Bundesregierung in Saarbrücken an. Der Heusweiler Bürgermeister Thomas Redelberger (CDU) sagte, das Saarland habe einst vom Bergbau profitiert, aber auch darunter gelitten. Schäden müssten jedenfalls reguliert werden, um zukunftsfähig zu sein.

Der Merchweiler Bürgermeister Patrick Weydmann (SPD) verwies darauf, dass wegen der Folgen des Bergbaus noch viele Risiken und Gefahren unter der Erde schlummerten. Als Beispiel nannte er marode Kanalnetze, die wegen dann notwendiger Investitionen auch die Abwassergebühren der Bürger in die Höhe trieben, wenn es keine öffentlichen Hilfen gebe. Beim Strukturwandel nach dem Kohleausstieg im Saarland gehe es auch um Unterstützung für Hochschulen und Zukunftstechnologie, ergänzten andere Bürgermeister: „Wir sind eine schlagfertige Gruppe, das werden wir beweisen.“ In dem Brief an die Bundesregierung wird unter anderem bemängelt, dass die Kohlekommission in ihrem 336 Seiten starken Endbericht 572 Maßnahmen für die Braunkohle-Reviere aufliste, für das Saarland dagegen ganze elf Maßnahmen für den Strukturwandel genannt würden.

Zur „Gleichbehandlung der vom Auslaufen des Steinkohlebergbaus und dessen Ewigkeitslasten betroffenen Regionen mit den Braunkohle-Revieren“ regt die Resolution der Bürgermeister an, unter Moderation des IZES-Instituts zwei gesonderte Arbeitskreise zu Strukturwandel und Zukunftsperspektive sowie zu Altbergbau und Grubenflutung unter Teilhabe der betroffenen Kommunen und Bergbaubetroffenen zu bilden und ein Bergschadenskataster zu erstellen. Dargestellt werden sollen dabei vor allem Gefährdungspotenziale des Untergrundes, Schadensfälle und Vorkommnisse, Gas- oder Radonaustritte untertägiger Bergwerkseinrichtungen und altlastenverdächtige Flächen. Weiter wird gefordert, die negativen Folgen des Altbergbaus in den Landesentwicklungsplan aufzunehmen und sicherzustellen, dass die Kosten der sogenannten „Ewigkeitslasten“ auch „ewig“ finanziell durch die RAG-Stiftung getragen werden.

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