"Behinderung kann jeden treffen"Sprachrohr der behinderten Menschen im Saarland
St. Wendel. Die Arbeit mit behinderten Menschen im St. Wendeler Land hat viele Facetten. Behinderte und nicht behinderte Kinder spielen in den Krippen oder der Kindertagesstätte zusammen. Andere arbeiten in Behindertenwerkstätten, auch auf dem Wendelinushof. Erwachsene Behinderte, die nicht arbeiten können, besuchen die Tagesförderstätte
St. Wendel. Die Arbeit mit behinderten Menschen im St. Wendeler Land hat viele Facetten. Behinderte und nicht behinderte Kinder spielen in den Krippen oder der Kindertagesstätte zusammen. Andere arbeiten in Behindertenwerkstätten, auch auf dem Wendelinushof. Erwachsene Behinderte, die nicht arbeiten können, besuchen die Tagesförderstätte. Während einige abends in ihr Wohnheim zurückkehren, leben andere weitgehend selbstbestimmt in eigenen Wohnungen. Viele kehren abends zu ihren Familien nach Hause zurück. Das sind nur einige Beispiele aus der Arbeit der des Kreisverbandes St. Wendel der Lebenshilfe, die etwa 1300 Behinderte in der Region betreut."60 Prozent der behinderten Menschen leben bei uns in den Familien", sagt Peter Schön, Geschäftsführer der Lebenshilfe. Diese Familien und die Behinderten zu unterstützen, ist die Aufgabe der Lebenshilfe. "Wir begleiten die Menschen ihr ganzes Leben lang", unterstreicht Hermann Scharf, der zweite Geschäftsführer der Einrichtung, "von der Wiege bis zur Bahre." Und obwohl die Lebenshilfe in den letzten Jahren viel in den Ausbau ihrer Angebote investiert hat, hat sie ein Problem. Scharf: "Wir sind zu 100 Prozent ausgelastet."
So gebe es für die Unterbringung im Heim eine Warteliste von 68 Menschen. Darunter sind Behinderte, die über viele Jahre in ihren Familien betreut wurden, deren Eltern aber wegen ihres Alters dies nicht mehr schaffen. "Wir werden allerdings nichts Neues mehr bauen", so Scharf. Trotzdem suche man nach Lösungen, die Nachfrage zu decken.
Die beiden Geschäftsführer ziehen im SZ-Redaktionsgespräch eine positive Bilanz des vergangenen Jahres. Ein Höhepunkt sei der Umzug der Kindertagesstätte in das neue Gebäude, das Haus Klaus Schreiner, gewesen. Ein weiterer die Renovierung der Familienhilfestelle in der Schmollstraße im Alten Arbeitsamt. Auch habe man das Konzept "ambulant vor stationär" weiter ausbauen können. Behinderte lernen dabei, soweit wie möglich, selbstständig ihr Leben zu meistern.
600 Mitarbeiter sind bei der Lebenshilfe St. Wendel beschäftigt, viele in Teilzeit. Auf Vollzeitstellen umgerechnet sind es 270.
"Der Aufgabenblock für 2012 ist prall gefüllt", sagt Peter Schön. Er nennt ein Beispiel. Die Räume der Tagesförderstätte werden renoviert und ausgebaut: "Die Raumnot wird verringert." Die Tagesförderstätte, in der behinderte Menschen bis ins hohe Alter betreut werden, war die Keimzelle der Lebenshilfe, die bereits 1966 im St. Wendeler Land gegründet wurde.
Auch wolle man die eine oder andere Veranstaltung anbieten, um Barrieren gegenüber Behinderten abzubauen. "Denn Behinderung kann jeden Menschen treffen", betont Schön. "Mancher denkt nicht daran, bis es ihn oder einen Angehörigen trifft."
Deshalb ist es für Hermann Scharf auch so wichtig, dass die Einrichtungen der Lebenshilfe mitten in der Stadt zu finden sind und nicht am Rande: "Behinderte leben mitten in der Gesellschaft. So soll es sein."
lebenshilfe-wnd.de
St. Wendel. "Behinderte Menschen brauchen die Solidarität der Gemeinschaft." Das betont Bernhard Müller im Redaktionsgespräch. Der 63-jährige Sozialpädagoge aus St. Wendel weiß, wovon er spricht. Er ist seit einigen Wochen der erste Lobbyist der behinderten Menschen im Saarland, er führt seit Dezember den Landesverband der Lebenshilfe im Saarland. Müller war fast 20 Jahre lang Vorsitzender der Lebenshilfe St. Wendel, seit 1998 ist er Aufsichtsratsvorsitzender bei der St. Wendeler Lebenshilfe. Beides sind Ehrenämter. Müller ist seit 2005 Geschäftsführer des Werkstattzentrums für behinderte Menschen der Lebenshilfe Spiesen-Elversberg und damit auch zuständig für den Wendelinushof.
Der Landesverband ist der Zusammenschluss aller elf Orts- und Kreisverbände der Lebenshilfe im Saarland mit etwa 3600 Mitgliedern und ihrer elf gemeinnützigen Gesellschaften, die im Saarland 4500 Behinderte betreuen.
Sprachrohr der Behinderten zu sein, sieht Müller als wichtige Aufgabe. Um sich stärker Gehör zu verschaffen, will er näher zu den politischen Entscheidungsträgern kommen. Deshalb müsse man die Standortfrage der Landesgeschäftsstelle diskutieren. Die ist seit einigen Jahren im Marpinger Ortsteil Urexweiler angesiedelt. Für Müller ein ungünstiger Standort.
Der Landesverband engagiert sich auch stark in der Aus- und Fortbildung. So können Interessenten zum Beispiel in Urexweiler den Beruf des Heilerziehungspflegers erlernen, oder eine sozialpädagogische Zusatzausbildung absolvieren.
Das vergangene Jahr sei finanziell ein schwieriges für die Lebenshilfe im Land gewesen, bilanziert Müller. Die Eingliederungshilfen des Landes, mit denen die Arbeit mit den Behinderten finanziert wird, sei nicht so stark gewachsen wie die Kosten. In diesem Jahr aber gebe es elf Millionen Euro mehr. Das Land zahlt insgesamt an Eingliederungshilfe 267 Millionen Euro im Jahr.
Viel Geld, das aber auch gebraucht werde. Denn: "Wir haben nach wie vor einen Zuwachs an behinderten Menschen", stellt der Landesvorsitzende fest.
Bernhard Müller will verstärkt um ehrenamtliche Helfer werben. "Wir wollen zwei Veranstaltungen zum Thema Ehrenamt machen und auch auf den Bundesfreiwilligendienst hinweisen." Denn den könnten im Gegensatz zum früheren Zivildienst Menschen bis ins hohe Alter machen."