Behindertenbeauftragte sind sauer

Saarbrücken. Es beginnt bei Dingen, wie einem abgesenkten Bürgersteig oder einem Signalton an der Fußgängerampel und endet an Zugängen zu öffentlichen Gebäuden - Behindertenbeauftragte aus dem Saarland klagen über eine schlechte Umsetzung des Landesgleichstellungsgesetzes. Ihre Kritik: Zu lax werde mit den gesetzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit umgegangen

 Barrierefreiheit heißt, dass Gegenstände, Wege und Einrichtungen für alle Menschen zugänglich und nutzbar sein sollen. Foto: gms

Barrierefreiheit heißt, dass Gegenstände, Wege und Einrichtungen für alle Menschen zugänglich und nutzbar sein sollen. Foto: gms

Saarbrücken. Es beginnt bei Dingen, wie einem abgesenkten Bürgersteig oder einem Signalton an der Fußgängerampel und endet an Zugängen zu öffentlichen Gebäuden - Behindertenbeauftragte aus dem Saarland klagen über eine schlechte Umsetzung des Landesgleichstellungsgesetzes. Ihre Kritik: Zu lax werde mit den gesetzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit umgegangen.Die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am Leben der Gesellschaft ist im Artikel 12 der saarländischen Verfassung verankert. Die Landesregierung verabschiedete dazu im November 2003 ein Gesetz zur Gleichstellung von behinderten Menschen. Demnach sollen zum Beispiel öffentliche Gebäude, Wege, Plätze und Straßen bis 2014 nach den Maßgaben der Landesbauordnung barrierefrei gestaltet werden. Barrierefrei heißt auch, nicht nur die Belange gehbehinderter Menschen zu berücksichtigen. Betroffen sind gleichermaßen blinde und gehörlose Menschen. "Das Ziel, bis 2014 barrierefrei zu werden, wird wohl nicht erreicht", sagt Albert Metzinger, Vertreter der kommunalen Behindertenbeauftragten im Landesbehindertenbeirat.

Im vergangenen Jahr kritisierte Dunja Fuhrmann, die Gesamtbehindertenbauftragte von Saarbrücken, den Bau dreier Wohngruppenhäuser des Jugendhilfezentrums, weil die Barrierefreiheit für Behinderte nicht ausreichend berücksichtigt werde. Im Saarwellinger Ortsteil Reisbach entstand aus einem alten Schulgebäude ein Dorfgemeinschaftshaus, das Obergeschoss ist nicht barrierefrei zugänglich. Uwe Wagner, Landesvertreter des Bundesverbandes Selbsthilfe Körperbehinderter, monierte das Vorhaben. Er bekam vom Wirtschaftsministerium auf Anfrage die Antwort, das nach Paragraph 50, Absatz 6 der Landesbauordnung Ausnahmen möglich sind. Ein Schlupfloch, das Kommunen ausnutzen, glaubt Wagner. Wohngruppenhäuser und Dorfgemeinschaftshaus seien zwei exemplarische Beispiele dafür, wie nachlässig Kommunen mit den gesetzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit umgehen, erklärt Metzinger.

Oftmals sind es bei der Umsetzung der Landesbauordnung auch nur Kleinigkeiten, die nicht beachtet werden, die für einen behinderten Menschen aber von großer Bedeutung sind. Warum sind nicht alle Fußgängerampeln mit akustischen Signalen ausgestattet? Warum fehlen optische Markierungen bei Stufen oder Poller? Nur zwei Fragen, die vor allem der Blinden- und Sehbehindertenverein Saarland anprangert. "Hinkommen, reinkommen, klarkommen", fordert der Verband in Bezug auf barrierefreie Zugänge zu öffentlichen Einrichtungen. Wie steil darf zum Beispiel eine Rampe für Rollstuhlfahrer sein? Wie hat ein Geländer an einem Zugang zum öffentlichen Gebäude geht? "Das sind für uns alles andere als Kleinigkeiten", sagt Metzinger.

Wenn es um die Umsetzung der Landesbauordnung geht, fehle eine feste Kontrollfunktion, glaubt Metzinger. Er sieht hier die Unteren Bauaufsichtsbehörden in der Pflicht, im Vorfeld bereits zu kontrollieren. "Wenn die Politik schon Gesetze verabschiedet, um eine barrierefreie Infrastruktur zu schaffen, dann ist sie auch dafür verantwortlich, dass die Gesetze Beachtung finden", sagt Metzinger.

Meinung

Erstaunlicher Nachholbedarf

Von SZ-RedakteurNorbert Freund

Barrierefreiheit ist entgegen verbreiteter Auffassung nicht nur für Rollstuhlfahrer wichtig. Denn sie bedeutet, dass alle Lebensräume allen behinderten Menschen ohne besondere Erschwernis und ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar gemacht werden - ganz gleich, welche Behinderung sie haben. Im saarländischen Behindertengleichstellungsgesetz von 2003 steht, dass neue öffentliche Gebäude barrierefrei sein müssen. Für bestehende gilt eine Zeitschiene bis 2014. Wenn man sich nun vor Augen hält, wie lange das Gesetz schon in Kraft ist, verwundert es schon, dass noch so vieles im Argen liegt. Und dass es offenbar immer noch nicht selbstverständlich ist, Vertreter der Behinderten schon in der Planungsphase von Bauvorhaben zu hören. Dabei ist barrierefreies Bauen gar nicht so teuer - jedenfalls dann, wenn man gleich daran denkt.

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