Projekt des Maximilian-Kolbe-Werks Begegnungen mit den lichten Seiten Deutschlands

Saarbrücken · Holocaust-Überlebende aus Ungarn besuchen das Saarland. Die Geschichte des kleinsten Bundeslandes finden sie spannend.

 Treffen mit Holocaust-Überlebenden aus Ungarn: Zsuzsanna Csillagne Engel, György Csillag, Dr. Seres Marcell, Josef Jäger (Freundeskreis), György Frisch und Organisator Georg Hasenmüller (v.l.).

Treffen mit Holocaust-Überlebenden aus Ungarn: Zsuzsanna Csillagne Engel, György Csillag, Dr. Seres Marcell, Josef Jäger (Freundeskreis), György Frisch und Organisator Georg Hasenmüller (v.l.).

Foto: Ruppenthal

Der Plenarsaal des saarländischen Landtags ist voll besetzt. Aber nicht von Abgeordneten – die sind  schließlich  noch im Urlaub. Ältere Herrschaften haben ihre Plätze eingenommen. Und was ihnen Präsident Klaus Meiser und der Chef der Öffentlichkeitsarbeit beim Landtag, Ralf Riemann, vortragen, muss übersetzt werden. Ins Ungarische.

Die Zuhörer sind Juden. Holocaust-Überlebende. Junge Leute waren sie bei Kriegsende, manche noch Kinder. Sie haben Lager und Verstecke überlebt, Familienmitglieder verloren, gelitten. Und jetzt sind sie Gäste im Saarland. Lernen Land und Leute kennen – und die lichten Seiten Deutschlands. Ein Projekt des Maximilian-Kolbe-Werks ist diese Maßnahme. Seit 1976 werden diese Einladungen alljährlich organisiert. Die Gäste sind sehr aufmerksam, immer zu Fragen aufgelegt. Die Geschichte des Saarlandes mit seinen Merkwürdigkeiten finden sie spannend. So klein, das Ländchen – und ein richtiges Parlament!

Ursprünglich sollten diesmal 17 Gäste aus Ungarn kommen. Zwei mussten kurz vor Reiseantritt absagen: Das Alter eben. Der Älteste des Grüppchens, das es nun geschafft hat, ist mit stolzen 95 Jahren Dr. Marcell Seres. Viel jünger sind die anderen auch nicht, und es ist eigentlich fast ein Wunder, dass sie die Strapazen der Reise überhaupt auf sich genommen haben. Zwölf Tage können sie im Saarland  verbringen.

Umgesetzt wird die Idee des Kolbe-Werks von Anfang an von Georg Hasenmüller aus Mettlach. Er gehört selbst zur älteren Generation, war früher Leiter der Christlichen Erwachsenenbildung in Merzig, ist schon 19 Jahre im Unruhestand. Seit 1983 locken er und seine – ausschließlich ehrenamtlichen – Helfer nun schon alljährlich Überlebende der Shoa aus osteuropäischen Ländern an die Saar – in der Hoffnung, dass sie auf ihre alten Tage ein besseres Bild von Deutschland bekommen, als es sie durchs Leben begleitet hat.  Über ihre schlimme Jugend wollen nur wenige Besucher reden. Györy Frisch, der Sprecher der Gruppe – sein Name verrät die deutschen Wurzeln – war bei Kriegsende noch ein kleines Kind, er hat mit den Großeltern im Ghetto überlebt, die Mutter war im KZ in Österreich. György Csillag, 1924 geboren, war in Dachau, er hat sich mit falschen Papieren durchgeschlagen.

Seine Frau Zsuzsanna hat mit der Mutter das KZ Ravensbrück überstanden. Seres verlor seine Schwester – sie ist von ungarischen Faschisten getötet worden – um nur einige Beispiel zu nennen.

Die Aktion wird ausschließlich aus Spenden finanziert und von Ehrenamtlern umgesetzt. Lange wird dieses Projekt, allein schon aus Altersgründen, nicht mehr verwirklicht werden können. Aber auch die Spenden sind schon mal üppiger geflossen, und ohne geht nun mal nichts.

Aber die jetzt da sind, genießen die Reise. Wie immer ist auch das Programm wieder vielfältig. Ausflüge wurden schon gemacht,  einige folgen noch: Luxemburg, Metz, in Mettlach geht’s zu Villeroy & Boch, Saarlouis, Trier – wo sie von Weihbischof Robert Brahm empfangen werden.  Auch das Gestapo-Lager in Hinzert bei Hermeskeil wurde besucht. Voll im Einsatz war die junge Dolmetscherin Andrea Vadas – aber etliche der Teilnehmer waren auch stolz darauf, ihre deutschen Sprachekenntnisse wieder mobilisieren zu können.

Etwa 900 Menschen aus osteuropäischen Ländern – Slowakei, Tschechien, Weißrussland, Polen, Litauen, immer wieder auch aus Ungarn – waren so in über 30 Jahren zu Gast am der Saar. Anfangs konnten sie in Familien untergebracht werden. In den letzten Jahren werden Hotelzimmer angemietet. Von Hasenmüller und seinem Freundeskreis – allen voran Josef Jäger aus Bethingen, seit 1982 eine der Stützen der Aktion – werden sie betreut, ein bisschen verwöhnt und auch mit den Sehenswürdigkeiten des Saarlands vertraut gemacht.

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