Interview mit Annegret Kramp-Karrenbauer „Autoindustrie muss in die Offensive gehen“

Saarbrücken · Die saarländische Ministerpräsidentin erwartet die kostenlose Nachrüstung von Dieselfahrzeugen.

 Fahrverbote erhöhten den Druck auf die Arbeitsplätze in der Autoindustrie in nicht vorhersehbarem Maße und seien eine Enteignung der Autofahrer, betont Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer im SZ-Interview mit Wirtschaftsredakteur Thomas Sponticcia.

Fahrverbote erhöhten den Druck auf die Arbeitsplätze in der Autoindustrie in nicht vorhersehbarem Maße und seien eine Enteignung der Autofahrer, betont Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer im SZ-Interview mit Wirtschaftsredakteur Thomas Sponticcia.

Foto: Iris Maria Maurer

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat eine klare Erwartungshaltung an den morgigen Diesel-Gipfel in Berlin: Es muss gelingen, Fahrverbote abzuwenden. An der Saar werde es ein solches Verbot nicht geben, solange die Landesregierung das beeinflussen könne.

Ruiniert sich die deutsche Autoindustrie mit dem, was sie gerade macht, selbst?  Erst die Manipulationen beim Diesel, dann auch noch Vorwürfe von Kartellabsprachen.

KRAMP-KARRENBAUER Diese Gefahr ist durchaus groß. Dadurch kann das Vertrauen in die deutsche Autoindustrie schwinden und auch der Ruf der deutschen Autoindustrie im Ausland leiden. Eine solche Vertrauenskrise würde ein Herzstück der deutschen Wirtschaft und damit auch ein Herzstück der saarländischen Wirtschaft belasten.

Hätten Sie solch eine Entwicklung für möglich gehalten?

KRAMP-KARRENBAUER Das alles spielt in die Hände derer, die sich massiv gegen die Zukunft des Verbrennungsmotors positionieren. Und kommt auch manchen ausländischen Konkurrenten gerade zur rechten Zeit. In dieser schwierigen Diskussion habe ich deshalb  kein Verständnis dafür, dass die betroffenen deutschen Autobauer gerade im Zusammenhang mit den gegen sie jetzt erhobenen Kartellvorwürfen so wenig Transparenz herstellen. Das erhöht den Druck auf die Branche und das Misstrauen noch weiter.

Droht jetzt das Ende des Diesels?

KRAMP-KARRENBAUER Das Problem der Feinstaub- und Stickoxidbelastung wird genutzt, um diese Technologie insgesamt an den Pranger zu stellen. Wir laufen Gefahr, eine sehr überzogene Diskussion zu führen. Wir müssen Grenzwerte einhalten und gleichzeitig technologisch offen diskutieren. Ich halte nichts davon, eine Technologie zu verbieten. Wir müssen in der Elektromobilität vorankommen und gleichzeitig die Verbrennungsmotoren durch technische Weiterentwicklungen sauberer machen. Der Diesel hat in den letzten Jahren bewiesen, dass das geht.

Wie groß ist schon der Image-Schaden für die Autohersteller?

KRAMP-KARRENBAUER Made in Germany stand bisher weltweit als Garantie für besondere Qualität, gute Technologie und Verlässlichkeit. Das droht jetzt zu kippen, weil Manipulationen einzelner Unternehmen bei der Technologie im Raum stehen. Die Kernkompetenz der deutschen Autohersteller ist ernsthaft gefährdet.

Was erwarten Sie vom Dieselgipfel? Droht, dass daraus eine Showveranstaltung wird?

KRAMP-KARRENBAUER Der Diesel ist nicht wegen der Klimaschutzpolitik unter Druck geraten, sondern wegen der Feinstaub- und Stick­oxidbelastung, die jetzt massive Maßnahmen erfordert, um Fahrverbote zu verhindern. Fahrverbote lehne ich ab, weil sie den Druck auf die Arbeitsplätze in nicht vorhersehbarem Maße erhöhen. Gleichzeitig käme dies einer Enteignung von Autofahrern gleich, die ältere Dieselfahrzeuge haben und sich kein neues Fahrzeug leisten können. Solange wir das im Saarland verhindern können, wird es das nicht geben. Der Gipfel muss Lösungen finden, wie man durch kurzfristige, effektive Maßnahmen die Feinstaubbelastung senken und Fahrverbote umgehen kann. Die Automobilindustrie ist gut beraten, in die Offensive zu gehen und alle Fakten auf den Tisch zu legen.

Wie könnten Lösungen aussehen?

KRAMP-KARRENBAUER Es muss Nachrüstungen auf jeden Fall der Software und gegebenenfalls der Hardware geben auf eigene Kosten der Autoindustrie. Die Ertragslage der Hersteller müsste das hergeben. Nicht die Kunden, sondern die Verursacher der Krise sind gefragt, zumal man bei den Verbrauchern ja auch einen Vertrauenstatbestand geschaffen hatte und sie glauben mussten, dass die Werte etwa der Abgasbelastung erfüllt werden. Gleichzeitig sind Städte und Gemeinden, die beim Gipfel mit am Tisch sitzen, gefordert, nach intelligenteren Verkehrs-Leitsystemen zu suchen.

Was halten Sie von staatlichen Prämien zur Unterstützung des Kaufs von Dieselfahrzeugen mit modernsten Abgassystemen?

KRAMP-KARRENBAUER Der erste große Schritt ist, dass es eine ordentliche Nachrüstung auf die neueste Generation moderner Dieselmotoren gibt. Für diejenigen, die ein sehr altes Dieselfahrzeug fahren, sollte man dann Anreize prüfen.

Grüne und Umweltverbände argumentieren, der Erhalt der Gesundheit müsse Vorrang haben vor allem anderen.

KRAMP-KARRENBAUER Jede Politik zu Gunsten der Gesundheit ist ein hohes Gut und dem ist die Politik verpflichtet. Wir müssen diese Politik in Deutschland aber so gestalten, dass sie nicht die wirtschaftliche Grundlage und die Arbeitsplätze der Menschen gefährdet. Es darf hier kein Entweder-Oder geben, sondern man muss beides intelligent miteinander verknüpfen. Die Feinstaubbelastung der Dieselmotoren kann man jetzt durch technische Umrüstungen in den Griff bekommen. Hier muss schnell gehandelt werden. Und beim Klimaschutz muss die Gesamtbilanz stimmen. Es ist ökologisch wenig sinnvoll, wenn auf unseren Straßen nur noch Elektroautos fahren, die dann mit Atomstrom oder  Strom aus Braunkohle betrieben werden.

Das Saarland hat den Strukturwandel weg vom Bergbau geschafft. Was würde es bedeuten, wenn die Autoindustrie im Saarland zusammenbricht oder wegen der jüngsten Vorgänge starken Schaden erleidet?

KRAMP-KARRENBAUER Das würde ein Herzstück unserer Wirtschaft massiv treffen. An der saarländischen Autoindustrie hängen 50 000 Arbeitsplätze, über 20 000 davon sind mehr oder weniger direkt von der Produktion des Verbrennungsmotors abhängig.

Sind die Arbeitsplätze in der saarländischen Autoindustrie auch vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen sicher?

KRAMP-KARRENBAUER Kurzfristig sehe ich keine akute Gefahr.

Aber gerade Zulieferer wie Bosch in Homburg, die vom Diesel leben, sind in der jetzigen Situation besonders betroffen.

 SZ-Jedes dritte Auto ein Diesel

SZ-Jedes dritte Auto ein Diesel

Foto: SZ/Michael Steffen

KRAMP-KARRENBAUER Wir stehen in einem sehr intensiven Austausch mit den Verantwortlichen und der Konzernleitung von Bosch. Das Unternehmen steht weiter zu Homburg. Der Standort ist nicht gefährdet. Das sind die Rückmeldungen, die wir bekommen. Wir suchen jedoch gemeinsam nach neuen Produkten und sind uns einig, dass ein eingeführter Standort wie Bosch in Homburg erhalten bleiben muss. Insgesamt gesehen habe ich nach wie vor ein positives Gefühl für die Zukunft der saarländischen Autoindustrie und ihrer Beschäftigten.

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