„Autisten haben ein unglaublich großes Entwicklungspotenzial“

Im Saarland wird die erste Wohnanlage für Menschen mit autistischer Behinderung gebaut. Spätestens im Frühjahr 2014 sollen die Autisten die eigens für sie konzipierte Wohnstätte beziehen können. Dpa-Mitarbeiterin Jenny Kallenbrunnen sprach mit der Pädagogin Elisabeth Maas (55), die die Leitung übernehmen soll.

Frau Maas, was ist eine autistische Behinderung?

Elisabeth Maas: Die Wahrnehmungskette von autistisch behinderten Menschen ist gestört. Einen Sinneseindruck können sie entweder nicht richtig aufnehmen, nicht deuten oder nicht entsprechend mit Handlung darauf reagieren. Deshalb haben sie auch Probleme mit Kommunikation und Kontaktaufnahme. Während gesunde Menschen automatisch zwischen wichtigen und unwichtigen Reizen unterscheiden und Unwichtiges ausblenden, können Autisten die Reize aus ihrem Umfeld schlechter filtern.

Was kann man am besten tun, um ihnen zu helfen?

Maas: Sie brauchen ein reduziertes Reizangebot. Die Wohnanlage in Heusweiler wird deshalb reizreduziert gebaut, um unsere Klienten nicht mit Reizen zu überfrachten. Unter anderem sind Böden und Wände besonders beschichtet, so dass es in den Räumen nicht hallt. Heilbar ist Autismus nicht, jedoch haben Autisten mit der richtigen Förderung ein unglaublich großes Entwicklungspotenzial.

Wo konnten denn Autisten bislang wohnen?

Maas: Sie sind in Einrichtungen für geistig Behinderte untergebracht oder leben bei ihren Familien. Autistisch behinderte Menschen haben im Gegensatz zu geistig Behinderten aber keine nachweisliche Schädigung am Gehirn und brauchen eine andere Betreuung und Förderung.

Wie läuft so ein Umzug in die Wohngemeinschaft ab?

Maas: Für autistisch behinderte Menschen geht ein Wohnumfeldwechsel nicht von heute auf morgen. Wir haben dazu ein langfristiges Überleitungskonzept vom gewohnten Wohnumfeld in unsere Anlage erarbeitet.

Und müssen die autistisch behinderten Bewohner im Alter wieder ausziehen?

Maas: Nein, eine Altersgrenze gibt es nur nach unten: Die Menschen müssen mindestens 18 Jahre und nicht mehr schulpflichtig sein. Unsere Einrichtung ist so konzipiert, dass die Klienten dort nicht mehr weg müssen. Wir arbeiten daran, zu erreichen, dass sie auch bleiben können, sollten sie im Alter zu Pflegefällen werden.

Zum Thema:

HintergrundFür Menschen mit Autismus gibt es im Saarland bisher kein spezialisiertes Wohnangebot. Das Wohnhaus, das nun in der Eisenbahnstraße in Heusweiler entsteht, ist für 16 Menschen mit Autismus angelegt. Geplant sind vier miteinander verbundene, eingeschossige Wohnhäuser für je vier Personen. Außerdem soll ein Pavillon für tagesstrukturierende Maßnahmen und ein Kurzzeit-Wohnplatz entstehen. Die Kosten für den Bau werden auf drei Millionen Euro geschätzt. red

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