So bizarr dieses Szenario ist, so bizarr ist auch der Wettbewerb, den Vinzent hier antrompetet: einen doppelten Ironman. Ein einfacher Ironman besteht aus 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Rad fahren und einem Marathon, ein doppelter Ironman dauert, nun ja, eben doppelt so lang: 7,6, 360 und 84,4 Kilometer. Vinzent wird den Wettbewerb später gewinnen, als erster Deutscher überhaupt. Aber davon ahnt er noch nichts, er hat noch nie eine solche Distanz zurückgelegt.

Erst einmal muss er zwölf Runden Schwimmen absolvieren. Das dauert ungefähr drei Stunden. Der 47-Jährige kommt als Sechster aus dem Wasser und steigt aufs Rad. Seine sportliche Laufbahn begann an einem Ort, der, zumindest gefühlt, am weitesten von Lake Anna in Virginia entfernt ist: auf den Ascheplätzen des Bliesgaus. Beim TuS Ormesheim spielte Vinzent in der Jugend Fußball und schoss 130 Tore in der Saison. "Ich hatte ein Angebot vom 1. FC Saarbrücken", erzählt er. "Aber ich habe mich dann für die Schule entschieden." Die "Schule" ist die Musikhochschule des Saarlandes. Trompete im Hauptfach, Schlagzeug im Nebenfach.

Zurück auf dem Rad, Vinzent geht die 360 Kilometer an (die Strecke Saarbrücken - Zürich hat nur 340 Kilometer). Die ersten 150 Kilometer fährt er komplett durch, mit einem Schnitt von 31 Kilometern in der Stunde. "Die Strecke war ein Rundkurs von acht Kilometern", sagt er. Macht 45 Runden. "Aber man kriegt dort keinen Drehwurm. Außerdem geht es nicht anders, wegen der Verpflegung", erklärt Vinzent. Die Verpflegung: ein wichtiger Aspekt. "Es ist wichtig, dass du bei solchen Ausdauerwettbewerben richtiges Essen zu dir nimmst. Keine dieser Gel-Tuben." Und wie muss man sich das vorstellen? Dass er am Streckenrand steht und Nudeln isst? "Nein, bei mir war es meistens Geschnetzeltes mit Reis. Ab und zu auch mal Nudelsalat, Joghurt oder Obst mit Sahne." Der Geschnetzeltes-Energieschub scheint zu wirken. Er kassiert auf dem Rad einen nach dem anderen, geht irgendwann am führenden Briten Michael Ward vorbei. "Der hat mich danach nur noch 'Ironmachine' genannt", lacht er. Er fährt bis zum Ende zwei Runden Vorsprung heraus. Um 22.30 Uhr wechselt Vinzent auf die Laufstrecke, nach 15,5 Stunden Wettkampf stehen noch schlappe 84,4 Kilometer zu Fuß an.

Eigentlich kein Problem für ihn, denn seine Ausdauerkarriere fing mit einem Marathon-Lauf an. "Wir saßen damals in Berlin in der Kneipe. Einer sagte, er laufe demnächst den Berlin-Marathon. Ich habe dann gewettet, dass ich so was auch locker schaffe, obwohl ich nichts mit Laufen am Hut hatte." Er blieb dabei, lief zunächst Marathons, wechselte dann zum Triathlon und absolvierte 2001 seinen ersten Ironman. Auf der Strecke ist es mittlerweile stockdunkel. Vinzent läuft mit Stirnlampe. "Irgendwann wusste ich zwar nicht mehr, in welcher Runde ich bin. Aber ich wusste, ich werde das Ding gewinnen. Damit hätte ich nie gerechnet." Morgens um halb 11 läuft er ins Ziel. Und was tut ein Diplom-Musiker nach 27 Stunden, 43 Minuten und sechs Sekunden Schwimmen, Radfahren, Laufen und Schinden? Er trompetet, selbstverständlich. Diesmal aber die deutsche Nationalhymne.

Sein Ziel für nächstes Jahr steht: der Triple-Ironman. Der wird an gleicher Stelle angeboten. "Man muss sich von der Vorstellung lösen, dass so etwas unmöglich ist. Als ich das begriffen hatte, war der Rest nicht mehr schwierig", sagt Vinzent nüchtern. Diplom-Musiker, Dirigent, Fast-FCS-Spieler und Sieger beim doppelten Ironman in Virginia. Wer würde ihm nach dieser Geschichte schon nicht glauben? msc