Aus der weiten Welt in die Wunderkammer

Püttlingen/Dudweiler. Georg Cadora ist um die halbe Welt gereist. Er hat sich als Dockarbeiter im Hafen von Marseille, als Pflastermaler in Paris und als Totengräber in Aix-en-Provence verdingt. Mit Henry Miller führte er einen Briefwechsel. Sartre lernte er in einem Café auf dem Boulevard Saint Michel kennen

Püttlingen/Dudweiler. Georg Cadora ist um die halbe Welt gereist. Er hat sich als Dockarbeiter im Hafen von Marseille, als Pflastermaler in Paris und als Totengräber in Aix-en-Provence verdingt. Mit Henry Miller führte er einen Briefwechsel. Sartre lernte er in einem Café auf dem Boulevard Saint Michel kennen. Farah Diba, damals noch Architekturstudentin in Paris, vermachte er seine Fotoausrüstung. Vor vier Jahren zog der gebürtige Darmstädter nach Püttlingen. Wegen der Nähe zu Frankreich und seiner Liebe zur französischen Literatur hat er sich mit seiner Frau Christa-Anna im Köllertal niedergelassen. Er wohnt in einer Wunderkammer. Wände, Schränke, Stellagen erzählen von einem aufregenden Leben, von Abenteuern in aller Welt und von allerlei Sammelleidenschaften. Die Piranhas in Gießharz sind selbstverständlich selbst gefangen. Ebenso wie die Schmetterlinge und Käfer in den Kästen. Reiseandenken, Masken, Fotografien, Collagen, Kunstkästen, Objekte, Zeichnungen, Ausstellungsplakate und moderne Gemälde bedecken die Wände von der Decke bis zum Boden. Nur ein Bruchteil sei das, vieles habe man vor dem Umzug verkauft, verschenkt, an Museen und Sammler gegeben. Georg Cadora ist unerschöpflich künstlerisch tätig. Er ist ein Nachtarbeiter. In den Stunden zwischen 18 Uhr und um fünf in der Früh gibt er sich der Kunst hin. "Ich arbeite so schnell, dass ich nicht zum Nachdenken komme", sagt Cadora. Und das soll heißen, dass er sich nicht in Ismen und künstlerische Schubladen stecken lässt. Stattdessen kultiviert er den typischen Cadora-Stil. Den Cadora-Strich, der keine gerade Linie ist, sondern bei dem sich Schleifen aneinanderreihen, oft Millimeter klein und mit bloßen Auge kaum wahrnehmbar. Absichtslos, spielerisch habe er damit angefangen. Er blieb dabei. Seit 30 Jahren zeichnet er so. Mit Feder, Tusche, Pinsel. Wie die alten Meister mischt und mixt Cadora seine Farben selbst. Beim Zeichnen liegt der Fokus auf Literaten-Porträts. Cadora ist ein leidenschaftlicher Leser. Circa 200 Porträts hat er gezeichnet. Unter anderem: Allen Ginsberg, Samuel Beckett, Pablo Neruda, Ernest Hemingway, Jean Genet und Simone de Beauvoir. 50 Einzelausstellungen sind in der Vita aufgelistet. Georg Cadora zeigte seine Bilder weltweit in Museen, Bibliotheken oder anderen Kulturträgern. Er stellte in Paris, Bogota, New York und Philadelphia aus. Als seine Ausstellung "Der General in seinem Labyrinth", in der er sich mit dem Leben von Simon Bolivar befasste, durch Südamerika reiste, wurde sie komplett geklaut. Neben Dichtern spielen auch Musiker eine tragende Rolle in Cadoras Werk. Das erste saarländische Gesicht, das er zeichnete, gehört dem Klarinettisten Helmut Eisel. hofDie Ausstellung "Ikonen der Weltliteratur" im Dudweiler Literaturarchiv wird am 10. November eröffnet.

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